Trockenheit Dürre in der Landwirtschaft: Viele Ansätze aber keine Allroundlösungen für den Klimawandel
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12. Juli 2023, 13:10 Uhr
Die Rekordtrockenheit führt teilweise zu drastischen Rückgängen bei der Ernte. Neue Anbaufrüchte, andere Beregnungsmethoden und eine andere Landwirtschaft: Eine einfache Allroundlösung für den Klimawandel gibt es nicht.
Beim Winterweizen und beim Raps hatte die Landwirtschaft noch Erfolg, bei Mais, Zucker, Kartoffeln und anderen jetzt reif werdenden Ackerkulturen sieht es im Dürrejahr 2022 ganz anders aus. Gerade die für die Fütterung von Tieren wichtigen Pflanzen werden im laufenden Jahr wohl nur sehr geringe Erträge bringen, so steht es in dem am Freitag vorgestellten Erntebericht 2022 der Bundesregierung. Während Europa unter eine Rekordtrockenheit leidet – es ist der dritte viel zu trockene Sommer in den vergangenen fünf Jahren – stellt sich für Agrarforscherinnen und Ökologen die Frage, wie sich die deutsche Landwirtschaft auf das immer extremer werdende Klima einstellen muss.
Erntemengen: Kein direkter Rückschluss auf Trockenheitstoleranz möglich
Nicht alle Regionen in Deutschland sind gleichermaßen von der Dürre betroffen, sagt Christoph Gornott, Leiter der Arbeitsgruppe Anpassung in Agrarsystemen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "An küstennahen Standorten, gerade dort wo wir etwas schwerere Böden haben, haben wir teilweise sogar überdurchschnittliche Erträge", sagt er. Auf den sogenannten leichten, sandigen Böden in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt dagegen seien die Verluste hoch. "Die Pflanzen hatten teilweise bis zu 75 Prozent weniger Wasser zur Verfügung, als in anderen Jahren."
Wie reagieren die Ackerpflanzen auf den Trockenstress? Das hängt vom komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren ab, sagt Andreas Stahl, Leiter des Instituts für Resistenzforschung und Stresstoleranz am staatlichen Julius Kühn-Institut in Quedlinburg. "Da spielt eine Rolle, wie tief Pflanzen wurzeln, aber auch andere Eigenschaften, die den Wasserhaushalt regulieren." Aus den Erntezahlen lasse sich nicht allein herauslesen, welche Pflanzen besser und welche schlechter mit der Trockenheit zurechtkämen. Kontrollierte Studien dagegen zeigten, dass moderne Zuchtsorten etwa beim Weizen auch am besten mit begrenzten Wassermengen zurechtkämen.
Auf den Pflug verzichten und stattdessen Glyphosat einsetzen
Eine zentral wichtige Rolle spielt die Fruchtfolge, also der abwechselnde Anbau verschiedener Kulturen auf ein und demselben Feld, da sind sich die Forschenden einig. Der verstärkte Anbau von Getreide in den vergangenen Jahren sei da durchaus problematisch gewesen, sagt Henning Kage, Direktor des Instituts für Pflanzenbau und –züchtung an der Universität Kiel.
Erst die Abwechslung sorge dafür, dass unterschiedliche Pflanzen Nährstoffe und Wasser gut in allen Bodenschichten verteilen. "Mais ist hier eigentlich eine Gesundungsfrucht, die sonst auch mit trockenen Frühjahren gut umgehen kann und erst im Sommer Regen braucht", so Kage. Die Bedingungen im laufenden Jahr seien dem Mais tatsächlich besonders schlecht bekommen.
Der hohe Verlust von Wasser aus den Böden durch Verdunstung lasse sich durchaus reduzieren, wenn Landwirte nach der Ernte auf das Pflügen verzichten. "Aber dann ist ein Verbot des Totalherbizids Glyphosat problematisch, denn das brauchen wir, wenn wir da nicht in ein Unkrautproblem hineinlaufen wollen", sagt Kage.
Mit jedem Liter Wasser müssen künftig mehr Produkte erzeugt werden
Viele Verbesserungspotentiale bei der Bewässerung in der Landwirtschaft sieht Katrin Drastig, Leiterin der Arbeitsgruppe Wasserproduktivität in der Landwirtschaft am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam. Etwa die häufig eingesetzten Beregnungskanonen, bei denen Wasser mit hohem Druck im Kreis verschossen und der Wasserstrahl durch kleine Hammerschläge immer wieder unterbrochen wird: "Dabei wird ein riesiger Wassernebel erzielt und der führt zu einer geringen Wassereffizienz", sagt die Forscherin. Denn der Nebel werde vom Wind weggetragen oder das Wasser bleibe auf den Blättern der Ackerkulturen liegen und verdunste, statt in die Pflanzen zu gelangen.
Andere sogenannte Über-Kopf-Beregnungsmaschinen benötigten zwar weniger Energie, weil sie das Wasser nicht mit einem hohen Druck verschießen. Aber die Verluste durch Verdunstung seien auch hier groß. Deutlich besser sei da die Tröpfchenbewässerung, die wenig Energie benötige und sparsam mit Wasser umgehe. Doch deren Installation und Wartung sei arbeitsintensiv. Allerdings werde das Wassersparen ein immens wichtiges Thema werden in Zukunft. "Mit jedem Liter Wasser muss künftig eine größere Menge landwirtschaftlicher Produkte erzeugt werden", glaubt Drastig.
Zu einer effizienteren Wassernutzung könnten aber nicht nur andere Beregnungssysteme beitragen. Auch der Einsatz von Mulch oder die intelligente Aussaat von Anbaukulturen, so dass der Boden möglichst bedeckt und die Austrocknung stark reduziert sei, seien Möglichkeiten für die Landwirte, sagt Katrin Drastig.
Bäume auf Feldern bringen Schatten und Nistplätze für Vögel
Ob Wasserprobleme in der Landwirtschaft bald noch bedrohlicher werden, darüber sind die Forschenden unterschiedlicher Meinung. Henning Kage geht mit Blick auf Klimaprojektionen davon aus, dass die Niederschläge in Deutschland in der Summe stabil bleiben und nur die Verteilung – lange Trockenheitsphasen auf der einen Seite, Starkregenereignisse auf der anderen – schwieriger wird. "Wir könnten da vor allem in den trockener werdenden Frühjahren in den Trockenstress hineinlaufen."
An ein wärmeres Klima angepasste Feldfrüchte können laut den Forschenden eine Möglichkeit für Landwirte sein. Bereits jetzt gebe es erfolgreiche Experimente mit Hirse, Soja oder Quinoa. Eine andere Frage betrifft größere Biodiversität auf dem einzelnen Feld. Pik-Forscher Christoph Gornott wirbt für Agroforste, also die Pflanzung von Bäumen in und am Rand von Feldern, parallel zu den Anbaulinien der Feldfrüchte. Das biete einerseits Tieren Nistplätze und helfe andererseits, Felder zu verschatten. Pflanzenbau-Forscher Kage wiederum ist skeptisch, sieht vor allem den Einsatz von landwirtschaftlichen Maschinen stark erschwert.
(ens/smc)