Menschen baden im Oderteich im Nationalpark Harz.
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Dürre Grundwasser und Trockenheit: Wie Deutschland eine Wasserkrise verhindern kann

16. August 2022, 16:15 Uhr

Trockenheit, Verdunstung, hoher Verbrauch von Grundwasser: Deutschland hat seit 2002 Wasser in der Gesamtmenge eines Bodensees verloren. Wie können wir sinnvoll Wasser sparen und eine Wasserkrise verhindern?

Der Befund ist bereits seit ein paar Monaten bekannt. Aber angesichts der anhaltenden Trockenheit wirken die Zahlen immer dramatischer: In den vergangenen 20 Jahren hat Deutschland etwa 50 Milliarden Kubikmeter Wasser verloren. Das Wasser ist aus den Böden und den Blättern von Pflanzen verdunstet, es wurde zur Trinkwassergewinnung und für die Bewässerung der Landwirtschaft aus dem Grundwasser abgepumpt, ist aber nicht durch Niederschläge zurückgekommen. Dadurch ist das Land insgesamt leichter geworden.

Zwei Trapezförmige Satelliten im Solarzellen umkreisen hintereinander die Erde: Der Doppelsatellit Gravity Recovery And Climate Experiment (GRACE).
Die Grace-Satelliten messen das Schwerefeld der Erde. Bildrechte: NASA/JPL

Grundlage dieser Erkenntnis sind Daten der beiden Grace-Satelliten, einem Tandem zur Erdbeobachtung, das von der US-Raumfahrtbehörde Nasa in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben wird. Die Satelliten messen, vereinfacht gesagt, die Verteilung von Masse auf dem Planeten und da zeigt sich: Deutschland und mit ihm Teile von Zentraleuropa haben seit 2002 an Masse, in diesem Fall an Wasser verloren.

Grundwasserpegel fallen auch in unberührten Grundwasserschichten

"Zentral- und Westeuropa ist eine der Weltregionen, die mit zunehmender globaler Erwärmung vermehrt von Bodenwasser- und Grundwassertrockenheit betroffen sein wird", sagt Sonia Seneviratne, Professorin am Center für Klimasystem-Modellierung der ETH Zürich. Ursache dafür sei vor allem das Wasserdefizit in den Sommermonaten, das neben Deutschland auch Nachbarn wie Frankreich und die Schweiz getroffen habe.

Sichtbar wird dieses Defizit nicht nur dort, wo Menschen Wasser aus tiefen Bodenschichten nach oben holen sondern auch dort, wo sie Grundwasserleiter bisher unberührt gelassen haben. Immer häufiger fallen die Wasserpegel dort unter den langjährigen Durchschnitt. "Dieses Abfallen des Grundwasserspiegels ist seit 2003 und im Nordosten Deutschlands besonders ausgeprägt und kann auf den Klimawandel zurückgeführt werden", sagt Petra Döll, Professorin für Hydrologie an der Universität Frankfurt.

Technischer Fortschritt wird Effizienz bei der Wassernutzung verbessern

Dass es akute Mangelsituationen beim Trinkwasser schon in wenigen Jahren geben könnte, glauben die meisten Experten zwar nicht. So sei in Deutschland Anfang der 1970er und auch Anfang der 1990er schon mal beobachtet worden, dass Grundwasserstände um einige Dezimeter gefallen seien. Doch dieses Defizit habe immer wieder ausgeglichen werden können, sagt Thomas Riedel vom IWW Zentrum Wasser, einem Forschungszentrum der Wasserwirtschaft. Da sei die Lage in Indien oder Kalifornien, wo Grundwasserstände um bis zu 100 Meter gefallen seien, wesentlich ernster.

Jörg Dietrich, Wissenschaftler am Institut für Hydrologie und Wasserwirtschaft der Universität Hannover, erwartet zwar, dass die Nutzung des Grundwassers in Deutschland weiter steigen werde. Dennoch sei das Land weit entfernt von einem nationalen Problem. "Die verfügbaren Wasserressourcen und der technische Fortschritt erlauben es, die Wasserwirtschaft weiter zu optimieren und an die erwarteten Änderungen anzupassen."

Energiewende und weniger Fleisch helfen auch beim Wasser sparen

Trotzdem halten die Forscherinnen und Forscher es für sinnvoll, wenn künftig sparsamer mit dem Wasser umgegangen wird. Dabei könne Deutschland viel lernen von Nachbarländern im europäischen Süden. Sinnvolle Maßnahmen seien etwa:

Flachdach mit Dachbegrünung
Dachbegrünung dämmt im Winter und dient im Sommer als Hitzeschutz und trägt so als natürliche Klimaanlage zur Energieeinsparungen und zur Stärkung der städtischen Klimaresilienz bei. Bildrechte: imago images/Rupert Oberhäuser

  • Der Aufbau von Reservoirs zur Speicherung von Regenwasser.
  • Der konsequente Umbau der Stromversorgung weg von Wärmekraftwerken, die Flusswasser zur Kühlung benötigen, hin zu erneuerbaren Energien.
  • Die sogenannte Kaskadennutzung von Wasser in der Industrie. Dabei wird vorhandenes Wasser mehrfach genutzt und nur entsprechend der jeweiligen nächsten Nutzungsstufe aufbereitet. Beispielsweise könnte Wasser zum Kühlen, nach der Aufbereitung zum Waschen und schließlich nach erneuter Aufbereitung für die Bewässerung in der Landwirtschaft genutzt werden.
  • Reduktion von Fleischkonsum, um den Wasserbedarf in der Landwirtschaft zu senken.

Schwammstadt ist ein Thema für Neubaugebiete

Das Konzept der sogenannten Schwammstadt, also die Integration von Wasserspeichern in den Städtebau, ist nach Ansicht der meisten Experten vor allem in neuen Baugebieten sinnvoll. In alten Beständen dagegen seien solche Umbauten schwierig. "Das Umland kann oft viel effizienter für die Speicherung von Wasser verwendet werden", sagt Jörg Dietrich von der Uni Hannover.

In den Städten könne das Konzept zudem vor allem einem anderen Ziel dienen, glaubt Thomas Riede: "Das Prinzip 'Schwammstadt' ist unter anderem hilfreich, um Wasser im urbanen Raum zurückzuhalten und damit Hochwasserspitzen bei Starkregenereignissen abzumildern", sagt er. Die Versorgung von trockenen Regionen mit Wasser aus wasserreichen Gegenden sei dagegen kaum noch weiter ausbaubar. Schon heute werde etwa Stuttgart mit Bodenseewasser versorgt oder das südliche Niedersachsen mit Wasser aus dem Harz.

Wasser aus Süd- nach Mitteldeutschland über Fernwasserleitungen zu bringen, ist dagegen unrealistisch.

Natürliche Flussentwicklung durch Entfernung von Wehren

Wasserexperte Thomas Riedel hält dagegen eine andere Diskussion dringend notwendig: Auf vielen Flüssen müssten eigentlich Wehre wieder entfernt werden. "Niedrigwasser in Flüssen ist Teil der natürlichen hydrologischen Variabilität. Durch Stauwerke wurde diese Variabilität gemindert. Heute sind in einigen Fließgewässern Mindestabflüsse teilweise sogar behördlich vorgegeben, obwohl dadurch in das natürliche Abflussregime eingegriffen wird“, sagt er.

(ens/smc)