Covid-19 Trauma in der Kindheit: Vier Mal häufiger Corona Impfskeptiker
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03. Februar 2022, 11:41 Uhr
Wer als Kind Gewalt und Missbrauch erlebt hat, misstraut als Erwachsener unter anderem dem Gesundheitssystem – und sieht die Covid-19-Impfung skeptischer als nicht traumatisierte Menschen. Diesen Zusammenhang ergab eine Studie, für die Forschende über 2.000 Bürger in Großbritannien befragten.
Wer als Kind physischer Gewalt wehrlos ausgesetzt war, wer sexuell missbraucht wurde oder Alkohol- und Drogensüchtige Eltern hatte, der hat als erwachsener Mensch oftmals heftige psychische und oft auch große gesundheitliche Probleme. Dieser traurige Zusammenhang ist lang bekannt. Britische Forscherinnen und Forscher zeigen in einer neuen Studie nun einmal mehr, dass das nicht nur ein Problem für die Betroffenen selbst, sondern für die ganze Gesellschaft ist, gerade auch in der Covid-19-Pandemie. Denn wer traumatisiert wurde, der misstraut Institutionen wie dem Gesundheitssystem, lehnt Maßnahmen zum Schutz vor Corona eher ab und will sich fast vier Mal so häufig nicht impfen lassen wie eine nicht traumatisierte Vergleichsperson.
Fast jeder zweite Befragte hatte mindestens ein Kindheitstrauma
Zwischen Dezember 2020 und März 2021 befragte das Team um Mark Bellis und Karen Hughes insgesamt 2.285 Personen aus Wales telefonisch zu traumatischen Erlebnissen in der Kindheit und zur Einstellung gegenüber dem NHS, dem öffentlichen Gesundheitssystem des Vereinigten Königreiches. Dabei interessierten sich die Forscherinnen und Forscher für neun Typen traumatischer Erlebnisse vor dem 18. Geburtstag. Dazu zählten unter anderem erlebte physische, verbale und sexuelle Gewalt, eine Trennung der Eltern, das Miterleben häuslicher Gewalt sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch, die psychische Krankheit eines Haushaltsangehörigen oder eine Haftstrafe.
Laut den im Fachjournal BMJ Open veröffentlichten Ergebnissen hatten nur etwa 52 Prozent der Befragten keine traumatischen Ereignisse in der Kindheit erlebt. 20 Prozent konnten sich an eines, 17 Prozent an zwei bis drei und 10 Prozent sogar an vier oder mehr Traumata erinnern.
Traumatisierte und Jüngere lehnen Coronaregeln häufiger ab
Außerdem wollten die Interviewer wissen, wie es um die Gesundheit der Befragten stand, wie um ihr Vertrauen in das Gesundheitssystem und wie sie die Sinnhaftigkeit der Covid-19-Beschränkungen und der Impfungen gegen das Virus beurteilen. Wenig überraschend befürworteten diejenigen, die dem Gesundheitssystem nicht vertrauten, häufiger ein umgehendes Ende aller Maßnahmen wie der Abstandsgebote oder Maskenpflichten. Wer öffentlichen Einrichtungen kritisch gegenüberstand gab bei der Befragung auch häufiger zu, die Regeln bereits umgangen oder gebrochen zu haben. Auch den Impfungen stand diese Gruppe skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Wer in der Kindheit vier oder mehr traumatische Ereignisse erlebt hatte, befürwortete die sofortige Abschaffung aller Maßnahmen vier Mal häufiger, als diejenigen, deren Kindheit ohne schreckliche Erlebnisse verlaufen war. Traumatische Erlebnisse waren allerdings nicht der einzige Faktor, der statistisch mit der Ablehnung der Coronaregeln verknüpft war. Auch einer jungen Altersgruppe anzugehören, männlich zu sein oder noch nie länger anhaltende Gesundheitsprobleme erlebt zu haben, führte häufiger zu Skepsis gegenüber der Coronapolitik. Mehrfach traumatisierte und jüngere Menschen standen auch den Corona Impfungen vier Mal häufiger skeptisch bis ablehnend gegenüber.
Wie können Institutionen traumatisierte Menschen erreichen und ihr Vertrauen gewinnen?
Auf Basis ihrer Ergebnisse bildeten die Wissenschaftler eine Skala der Zustimmung beziehungsweise Ablehnung der Impfung. Am geringsten war die Skepsis gegenüber Impfstoffen demnach bei den über 70-Jährigen ohne Kindheitstraumata. Hier gaben nur 3,5 Prozent an, sich nicht impfen lassen zu wollen. Am höchsten dagegen war die Ablehnung bei den 18- bis 29-Jährigen, die vier oder mehr Kindheitstraumata erlebt hatten. Hier gaben 38 Prozent an, sich nicht impfen lassen zu wollen.
Zur Einschränkung der Aussagen schrieben die Autoren, dass nur etwa 36 Prozent der kontaktierten Personen an der Befragung teilgenommen und alle Fragen beantwortet hatte. Das entspreche der bei vielen Telefonbefragungen üblichen Quote. Zugleich seien Frauen über-, ethnische Minderheiten aber unterrepräsentiert gewesen. An der wichtigsten Erkenntnis ändere das aber nichts. Da der Anteil von Menschen, die solche Traumata erlebten laut der Forschenden zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, sehen sie ihre Ergebnisse als wichtig für die Kommunikation im Gesundheitssystem: Gesundheitsfachleute müssten dringend Wege finden "wie diese Menschen am besten angesprochen werden können und wie ihr Vertrauen in das Gesundheitssystem gestärkt werden kann". Solange sie Impfungen und Maßnahmen verweigerten, seien sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere eine Gefahr.
(ens)
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