Verhaltensforschung Können Hunde wirklich trauern?
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24. Februar 2022, 17:20 Uhr
Wenn Hunde einen Artgenossen verlieren, der mit ihnen zusammengelebt hat, kann sich ihr Verhalten nach dem Tod verändern. Wir interpretieren das als Trauer. Aber ist es das tatsächlich auch oder bilden wir uns das nur ein? Eine internationale Studie, die nun im Magazin Nature erschien, hat das Verhalten von Hunden nach dem Tod eines Begleithundes unter die Lupe genommen. Die Art der Beziehung der Hunde und die Trauer des Besitzers hatten darauf großen Einfluss.
Sucht man bei Instagram nach Schlagworten wie #hundetrauern oder #doggrief blickt man ganz schnell in viele kleine traurige Hundegesichter, liest herzzerreißende Geschichten über freundliche Fellnasen, die ihren Hundefreund verloren haben und vermissen, und endet mit einem dicken Kloß im Hals und schwerem Herzen auf dem Sofa. Menschen, die in ihrem Leben bereits einen Hund verloren haben, wissen, was ich meine. Wir haben keinen Zweifel daran, dass Hunde trauern können. Schließlich kann man das eindeutig am veränderten Verhalten des Hundes ablesen. Oder vielleicht doch nicht? Trauern unsere vierbeinigen Freunde (Ersatzkinder, seelenverwandte Fellknäule) tatsächlich genauso wie wir Menschen, wenn ein Hundemitbewohner stirbt? Oder hat das veränderte Verhalten unserer Hunde andere Ursachen?
Einige Tierarten zeigen Trauerreaktionen
Trauerreaktionen sind bei vielen sozialen Arten wie Menschenaffen, Walen, Delfinen, Elefanten und Vögeln weit verbreitet. Sie vollziehen Rituale z.B. das Berühren und Untersuchen des Kadavers. Elefanten halten sogar Totenwachen ab. Affen tragen ihre Toten zum Teil eine Zeit lang mit sich herum.
Weil Hunde emotionale Bindungen zu den Mitgliedern ihres Rudels aufbauen, das können Menschen und Begleithunde sein, kann man annehmen, dass der Verlust eines solchen Begleithundes Verhaltensweisen auslöst, die wir als Trauer interpretieren würden. Aber ob es sich dabei tatsächlich um Trauer handelt, war bisher noch nicht erforscht. Diese Lücke wollten Forschende rund um Dr. Federica Pirrone von der Universität Mailand schließen. Sie haben 426 italienische Erwachsene per Online-Fragebogen befragt, die mindestens zwei Hunde besaßen, von denen einer gestorben war. Dazu wurde den Hundebesitzern Fragen gestellt, die sich auf das Verhalten des überlebenden Hundes nach dem Tod seines Begleithundes bezogen. Aber die Forschenden wollten auch wissen, in welcher Beziehung die Hunde zueinander standen und auch, wie die Hundebesitzer selbst den Tod ihres Haustieres empfanden und verarbeiteten.
Aber gibt ein Fragebogen, den die Besitzer der Hunde ausfüllen, tatsächlich Aufschluss darüber, ob Hunde trauern können? Einer der Knackpunkte dabei ist auf jeden Fall, dass die Hundebesitzer keine unabhängigen Beobachter sind. Sie trauern selbst und sind nie unvoreingenommen. Das ist ein Schwachpunkt der Studie, sagt auch Dr. Juliane Bräuer vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, die die Studie für uns eingeordnet hat. "Würde man es methodisch ganz sauber machen, müsste jemand kommen, sich den Hund anschauen, wenn der andere Hund noch lebt und ihn genau beobachten. Das müsste man dann noch einmal tun, wenn der andere Hund gestorben ist", so Bräuer. Ob und wie stark sich das Verhalten der Hunde also geändert hat, ist stark von der Wahrnehmung der Besitzer geprägt. "Das heißt aber noch lange nicht, dass ich nicht annehme, dass die Hunde traurig sind", ergänzt Bräuer. Denn Hunde sind soziale Wesen, die eine starke Bindung zu Menschen und zu Artgenossen haben, wenn sie zusammenleben. Ist diese Bindung unterbrochen kann man davon ausgehen, dass es dem Hund schlechter geht. Das kann sich im Verhalten der Hunde widerspiegeln.
Anhänglich, lustlos, ängstlich
86 Prozent der Hundebesitzer beobachteten nach dem Tod eines Hundes eine negative Veränderung im Verhalten des überlebenden Hundes. Die meisten von ihnen (67 Prozent) gaben an, dass ihr Hund mehr Aufmerksamkeit suchte. Bei 57 Prozent der Befragten hatte der Hund weniger Lust zu spielen. Bei 35 Prozent der Hunde wurde beobachtet, dass sie ängstlicher wurden. Und auch das Fressverhalten einiger Hunde hatte sich nach dem Tod eines Artgenossen verändert. 32 Prozent von ihnen fraßen weniger. Wie lange die Hunde vorher zusammengelebt hatten, hatte laut der Forschenden keine signifikante Auswirkung auf die Verhaltensänderungen der Hunde. Die Qualität ihrer Beziehung zueinander und ein ebenfalls trauernder Besitzer hingegen schon. So zum Beispiel stellten die Forschenden fest, dass Hunde die ihr Spielzeug oder gemeinsame Aktivitäten teilten öfter eine Veränderung im Verhalten nach dem Tod eines Mithundes zeigten. Waren sie Freunde, spielten die Hunde weniger. Waren sie Freunde oder Verwandte aßen sie weniger. Trauerte der Besitzer sehr, suchten die Hunde mehr Aufmerksamkeit.
Hunde lesen ihre Besitzer
Ein weiterer Punkt, den sowohl die Forschenden als auch Juliane Bräuer anmerken ist, dass die Besitzer einen großen Einfluss auf das Verhalten ihrer Hunde haben. Denn Verhaltensveränderungen wie zunehmende Ängstlichkeit und eine veränderte Futteraufnahme standen im engen Zusammenhang mit der Trauer und Wut der Besitzer. Nicht verwunderlich, denn Hunde reagieren sensibel auf ihre Umwelt. "Die Hunde beobachten den Menschen, vielleicht sogar noch mehr als den anderen Hund, und wenn der Mensch deprimiert ist, reagieren sie," erklärt Juliane Bräuer. Nehmen die Hunde Angst oder ein verändertes Verhalten in ihrer Umgebung wahr, kann sich das auf ihr eigenes Verhalten auswirken. "Emotionale Ansteckung" wird das genannt. Auch dazu wurde bereits geforscht. Hunde lesen unseren Geruch, unsere Mimik und Gestik wie ein Buch. Kleinste Veränderungen fallen ihnen auf.
Trauer oder Stressreaktion
Die Verhaltensänderung der Hunde kann also auch eine Reaktion auf das veränderte Verhalten der Besitzer sein. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass es eine Stressreaktion auf die nun veränderten Routinen sein könnte. Stirbt ein Hund, ist der Tagesablauf plötzlich ein anderer.
"Das fängt schon an, wenn man rausgeht, die Art und Weise wie der Hund angeleint wird. Alles ist anders", so Bräuer. Die Forschenden rund um Dr. Federica Pirrone nehmen an, dass die Hunde eher auf den "Verlust" und die damit einhergehenden Folgen reagieren, als auf den tatsächlichen Tod des Begleithundes selbst.
Ihre Studie gibt Aufschluss darüber, wie sich das Verhalten von Hunden nach dem Verlust eines Begleithundes ändern kann und welchen Einfluss die Art der Beziehung zwischen den Hunden darauf hatte. Dieses Wissen kann hilfreich dabei sein, die emotionalen Bedürfnisse der Tiere besser zu verstehen. Doch ob es sich bei den Verhaltensänderungen der Hunde nun tatsächlich um Trauer handelt, können die Forschenden noch immer nicht bestätigen. Dafür ist weitere Forschung nötig. Hier gibt es eben Grenzen, denn es gibt laut Juliane Bräuer noch keine wirklich überzeugenden Messmethoden für die Emotionen von Tieren. Sie sagt, dass physiologische Untersuchungen vielleicht Aufschluss geben könnten. "Wenn bei Hunden physiologisch das gleiche abläuft wie bei uns Menschen, dann ist es sehr überzeugend, dass wir dasselbe fühlen."
Ob unsere Hunde nun beim Verlust eines Artgenossen tatsächlich trauern, wissen wir immer noch nicht. Doch wenn uns beim Blick in die vermeintlich traurigen Hundeaugen schwer ums Herz wird, kann eine Extrastreicheleinheit nicht schaden, denn das tut beiden gut, Hund und Besitzer.
JeS
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