Einbettung mit Holzfigur im Alvarium Kiel 6 min
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Reerdigung Vom Körper zu Erde in 40 Tagen

25. November 2024, 10:54 Uhr

70 Grad, ein bisschen Luft, ein paar Pflanzenreste und wir werden in etwas mehr als einem Monat klimaneutral und schadstoffarm zu Erde – ist das die Bestattung der Zukunft? Oder bald Alltag hier bei uns?

Porträtfoto einer Frau mit einer rosa Bluse.
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Pablo Metz ist kein Bestatter, sondern Betriebswirt. Aber er sieht sich selbst eher als Problemlöser. Auf die Idee, eine neue Bestattungsform zu entwickeln, kam er, als er genau zwei "Probleme" hatte: Seine Kinder, die sagten, er solle etwas gegen den menschengemachten Klimawandel zu tun: Einen Prozess, der fossile Brennstoffe braucht, ablösen durch einen, der ohne auskommt. Am anderen Ende der Familie war, wie er sagt, seine Großmutter, sie war damals 96 Jahre alt. Er wollte wissen, was sie sich für ihre Trauerfeier und ihre Bestattung wünscht, eine Erd- oder eine Feuerbestattung. Sie hätte ihm erklärt, dass keines von beidem für sie passe, erinnert er sich heute.

Was soll von uns bleiben?

Damit gab sie ihrem Enkel den Impuls für eine zunächst eher philosophische Überlegung: Wenn wir sterben, wie wollen wir dann bleiben im Hinblick auf unsere äußere Hülle, unabhängig davon, was mit unserer Seele passiert? Im natürlichen Kreislauf wird alles organische Material wieder zu Erde. "Alles, was wir an Erde haben, war früher organisches Leben, das waren Pflanzen, Tiere oder Menschen. Und diesen Weg zu gehen, kann sich schön, tröstend und optimistisch anfühlen", so Metz.

So weit, so gut. Aber ist das nicht auch bei einer traditionellen Erdbestattung so? Irgendwann ja. nach 30, 40, 50 Jahren, je nach Bodenbeschaffenheit. Und selbst dann wissen wir nicht, wie sieht er aus, der Verstorbene, da unten in 1,80 oder 2,40 Tiefe? Für viele Menschen sei es aber ein guter Gedanke, zu wissen, innerhalb einer überschaubaren Zeit zu Erde zu werden und nicht länger im Boden zu liegen, so Pablo Metz. Deshalb haben er und sein Gründerpartner und Maschinenbauingenieur Max Hüsch recherchiert: Was sind die optimalen Bedingungen dafür, dass sich ein menschlicher Körper in einem überschaubaren Zeitraum sicher in Erde verwandeln kann?

Ein Bett aus Klee, Lupine und Stroh

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern entwickelten sie dann einen ersten Ansatz für eine neue Technologie: die Reerdigung. Der Verstorbene wird unbekleidet auf ein Pflanzensubstrat aus Klee, Lupine und Stroh gebettet und in einem sogenannten Kokon eingeschlossen. Das Einzige, was hinein und wieder hinausgeht, ist Luft. Mikroorganismen des Körpers und der Pflanzenteile beginnen dann, den Leichnam zu verstoffwechseln. Dabei entsteht eine Temperatur von durchgehend 70 Grad. Was bleibt, sind Erde und Knochen, die dann – wie nach einer Einäscherung auch – gemahlen und wieder beigemischt werden. Nach einer erfolgreichen Testreihe an Schweinen fand im Februar 2022 die erste humane Reerdigung in Schleswig-Holstein statt.

Innenansicht des Alvariums Mölln
Die Transformation des Körpers in Erde findet in einem sogenannten Alvarium statt, hier in Mölln. Bildrechte: Meine Erde

Das waren damals spannende Augenblicke für die Pioniere. Sowohl das Einbetten als auch das Öffnen des Kokons nach 40 Tagen. Eine Voraussetzung dafür, dass das Verfahren überhaupt erprobt werden durfte, war neben ethischen und juristischen Einschätzungen auch eine wissenschaftliche Dokumentation. Ein Team von Forschenden des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Leipzig unter Leitung von Marcus Schwarz untersuchte die Proben der ersten Reerdigungen. Die Untersuchung im Labor bestätigte, dass die entstandene Erde Eigenschaften von Humus aufweist und sich neben den Knochen sowohl mikroskopisch als auch makroskopisch keine Spuren von humanem Weichgewebe mehr nachweisen lassen. Innerhalb von 40 Tagen habe also eine vollständige Umwandlung von organischem Material in Erde stattgefunden, so das Fazit der Wissenschaftler.

Ich sehe die Erde

Diese Gewissheit und Planbarkeit sei auch für die Angehörigen ein wichtiger Gedanke, so Pablo Metz. Dabei zu sein, wenn die neu entstandene Erde in ein Tuch gehüllt beigesetzt wird. "Ich sehe danach die Erde und ich sehe ganz deutlich, dass danach dieser Teil abgeschlossen ist und der Körper nun in einer anderen Form besteht, das kann total tröstend sein.", beschreibt er. Und er erzählt: "Wir haben Menschen gesehen, die die neue Erde in den Arm genommen haben. Weil sie an dieser Stelle einen Abschluss gesehen haben. Das ist für die Hinterbliebenen ganz anders erlebbar. Man steht nicht vor einer Grabstelle und fragt sich: Was ist denn da noch in 10 Jahren?"

Der Gedanke, das auf dieser in vielerlei Hinsicht wertvollen Erde neues Leben gedeihen kann, gebe manch einem Hoffnung. Aber er räumt auch ein, dass das eine ganz individuelle Sicht sei. Wie der Umgang mit dem Tod überhaupt. Deshalb scheiden sich an der Reerdigung durchaus auch die Geister. So stehen Pablo Metz und Max Hüsch mit ihrer neuen Bestattungsart vielerorts vor politischen und juristischen Hürden. Doch viel habe sich inzwischen auch bewegt. Das Interesse der Menschen allgemein sei groß und auch viele Bestatter seien aufgeschlossen, so Metz. Dennoch ist die Reerdigung bislang nur in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern erlaubt. Dafür standen im November 2024 sieben Kokons bereit. Doch vor allem für diejenigen, die auf diese Weise ihre letzte Ruhe in ihrer Heimat zum Beispiel in Sachsen-Anhalt oder Bayern finden möchten, dauere es zu lange.

Die Forschungen laufen derweil weiter. Jedes Mal, wenn ein Kokon nach 40 Tagen geöffnet wird, entnehmen Marcus Schwarz und sein Team aus Leipzig Proben und konnten so inzwischen auch nachweisen, dass Medikamente zumindest teilweise abgebaut sind, bevor die Erde der Erde übergeben wird, anders als bei einer herkömmlichen Bestattung im Sarg. Die Untersuchungsergebnisse wurden im September 2024 auf der 193. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Potsdam präsentiert und sind im Fachmagazin Rechtsmedizin veröffentlicht worden. Das Interesse an den Erkenntnissen ist weltweit groß.

Pablo Metz hat also gemeinsam mit Max Hüsch seine Mission erfüllt. Die beiden haben ein Bestattungsverfahren entwickelt, das im Gegensatz zur Einäscherung keine fossilen Brennstoffe braucht. Und die Idee der Großmutter, unserer Erde am Ende unseres Lebens Erde zurückzugeben, ist realisierbar.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. November 2024 | 14:10 Uhr

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