Junge Mutter sitzt mit einer Kaffeetasse auf dem Bett und beantwortet Nachrichten am Telefon, während das Baby im Kinderbett steht.
Kinder, deren Eltern sich häufig abwenden, lernen schlechter. Bildrechte: Colourbox.de

Baby-Talk Warum das Miteinander fürs Lernen wichtig ist

02. Oktober 2023, 06:57 Uhr

Im Kontakt mit Babys verändern wir meist intuitiv unser Verhalten. Dass sie es mögen, wenn wir für sie anders sprechen und uns bewegen, haben Untersuchungen gezeigt. Was aber geschieht dabei im Gehirn der Jüngsten? Und welche Bedeutung hat das fürs Lernen? Diesen Fragen gingen Forschende aus Leipzig, Gera und Wien nach, mit überraschenden Ergebnissen.

Hat es einen Effekt, wenn Eltern mit ihren Kindern Babysprache sprechen? Um das zu untersuchen, haben Christine Michel, Daniel Matthes und Stefanie Hoehl 35 Mütter mit ihren neun bis zehn Monate alten Babys in das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig eingeladen. In diesem Alter sind Kinder besonders empfänglich für soziale Reize. Sie können sich dann schon gemeinsam mit anderen etwas anschauen, ihre Aufmerksamkeit darauf richten und sich auch länger konzentrieren, zum Beispiel auf einen Ball.

Die Mütter sollten ihren Kindern unter zwei verschiedenen Bedingungen Gegenstände zeigen, die sie vorher nicht kannten: Einmal mit sozialen Signalen wie Blickkontakt, kindgerechter Sprache und indem sie ihr Baby mit seinem Namen ansprachen, ein anderes Mal dann ohne Blickkontakt, in Erwachsenensprache und ohne den Namen des Babys zu nennen. Währenddessen wurde die Gehirnaktivität der kleinen Teilnehmer mittels Elektroenzephalographie (EEG) gemessen und geschaut, wie stark das Gehirn in den Frequenzbereichen Alpha und Theta aktiv war. Denn diese beiden Rhythmen spiegeln die Prozesse der Aufmerksamkeit und sozialen Kommunikation wider. Darüber hinaus wurde dokumentiert, wohin die Babys schauten, und anschließend getestet, ob sie die Gegenstände wiedererkannten.

Überraschendes Ergebnis: Gleiche Gehirnaktivität mit und ohne Blickkontakt

Zwar fokussierten sich die Babys stärker auf ihre Mütter und den neuen Gegenstand, wenn sie mit Namen angesprochen und angeschaut wurden. Doch die Lernleistungen und das EEG-Ergebnis im Alpha- und Thetabereich waren unter beiden Bedingungen ähnlich. Das überraschte Studienleiterin Christine Michel und ihre Kollegen. Ihre Vermutung: "Was ja gleich blieb, ist, dass die Mütter nach wie vor anwesend waren und mit den Kindern gesprochen haben, wenn auch anders. Sie waren da, haben sich selbst etwas angeschaut und sich bewegt. Möglicherweise reicht das dem Gehirn um zu erkennen, dass da eine soziale Interaktion stattfindet und dass man dafür die drei Signale gar nicht braucht, die wir in der Studie manipuliert haben: die kindgerechte Sprache und Bewegung sowie der Blickkontakt." Diese Überlegung stütze auch der Umstand, dass das EEG dann in einer eingeplanten Ruhe- und Kontrollphase deutlich andere Ergebnisse zeigte: höhere Alpha- und niedrigere Thetaaktivität. Die Kinder wurden in dieser Zeit von niemandem angesprochen und schauten sich nur für sich Seifenblasen an.

Was macht das Soziale fürs Gehirn eigentlich sozial?

Christine Michel
Christine Michel erforscht, wie wir in frühester Kindheit lernen. Bildrechte: SRH Hochschule für Gesundheit

Ob die Mutter als vertraute Person in den Untersuchungen das entscheidende Kontinuum war, oder ob diese Ergebnisse auch mit fremden, wechselnden Personen oder gar mit einem Roboter zustande gekommen wären, bleibt offen. Und daran knüpft sich für Christine Michel die Frage: "Was macht denn das Soziale für unser Gehirn jetzt sozial? Womit würde das noch klappen? Reicht es, wenn ich eine Stimme abspielen würde? Oder etwas da ist, das sich bewegt und spricht?" Dazu gibt es bislang nur wenige Studien, doch an einer davon war die Psychologin beteiligt. Damals hatte sie gemeinsam mit Kolleginnen untersucht, wie vier Monate alte Säuglinge auf schematisch dargestellte Augen reagierten: Auf zwei schwarze Punkte auf weißen Grund. Diese lenkten die Aufmerksamkeit stärker auf Spielzeuge als weiße Punkte auf schwarzem Grund.

"Dieser Unterschied liegt wahrscheinlich darin begründet, dass schwarz auf weiß an Augen erinnert - an die schwarze Pupille von der weißen Lederhaut umgeben", so Michel. Diese Erkenntnis gab auch den Impuls für die aktuelle Studie: "In der Realität gehört zu den Augen ja immer ein ganzes Gesicht und jemand der spricht. Wie wollten wissen, welchen Einfluss das darauf hat, wie Babys lernen."

Hohe Theta-Aktivität - hohe Lernleistung

Auch wenn die Studie noch nicht beantworten konnte, welcher Teil der sozialen Interaktion den größten Einfluss auf die Lernleistung der Babys hatte, konnte sie doch zeigen, dass die Theta-Aktivität eng mit dieser zusammenhängt, und zwar unabhängig von der Kommunikationssituation. "Je größer die Thetaaktivität war, als den Kindern ein für sie fremdes Objekt von ihren Müttern gezeigt wurde, desto besser haben sie es auch später wiedererkannt", zieht Christine Michel Bilanz.

Eine spannende Frage ist für sie daher: Wodurch steigt die Betriebsamkeit der Wellen in diesem Frequenzbereich? Durch die Bewegung? Durch einen Menschen? Durch einen Roboter? Durch Emotionen? Ihre Kollegen an der Universität in Wien forschen derzeit dazu: "Sie nutzen die Fähigkeit unseres Gehirns, sich auf den Rhythmus externer Signale einzuschwingen. Präsentiert man zum Beispiel ein Objekt auf einem Bildschirm mit vier Hertz, schwingt das Gehirn entsprechend mit. Über diese Fähigkeit des Gehirns lassen sich spannende neue Studien zur Bedeutung von Rhythmen im Gehirn - auch für das frühkindliche Lernen - ziehen."

Unterbrochene Kommunikation - unterbrochenes Lernen?

Mit dieser Frage beschäftigt sich Christine Michel derzeit. Im Rahmen einer Studie untersucht sie, was im Gehirn von Babys und Kleinkindern geschieht, wenn die Bezugsperson ständig aufs Handy schaut und damit das Miteinander für eine gewisse Zeit auflöst. Schon jetzt kann sie sagen, dass Kinder sich dann weniger gut auf etwas fokussieren können. Gefragt danach, warum der Blickkontakt und das gemeinsame Entdecken gerade für die Jüngsten so wichtig sei, erklärt die Fachfrau für frühkindliche Entwicklung: "Die Bezugspersonen geben eine wichtige Orientierung. Wo soll ich hinschauen? Was ist wichtig für mich? Wohin soll ich mich wenden? Die Sachen, die wir in dem Alter gemeinsam anschauen, werden vom Gehirn besser gespeichert."

krm

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