Pädagogik in Coronazeiten Draußen lernen – politisches Getöse oder sogar eine Chance?
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19. April 2021, 16:49 Uhr
Blätter an den Bäumen zählen, Geschwindigkeiten und Zeit auf Rutschen messen und mit dem Gewicht des Rutschenden oder dem Stoffmaterial der Hosen in Beziehung setzen: Unterricht draußen bietet spannende Ansätze von Wissensvermittlung. Auch wenn es sicher vermutlich nicht das ist, was die Politiker im Auge hatten bei ihrem Vorschlag, den Unterricht nach draußen zu verlegen statt Schulen zu schließen.
Draußen lernen – dafür plädieren Politiker nun mitten im Lockdown. Grundtenor: Statt Schulen zu schließen, wird der Unterricht Ins Freie verlegt, Lernen und Lehren geht auch auf dem Schulhof oder in Parks. Man könnte jetzt sagen, das ist einfach nur politisches Getöse, das ist ja praktisch gar nicht umsetzbar. Oder argumentieren: Einerseits werden Klassen in A- und B-Wochen unterrichtet. Und jetzt sollen alle raus auf den Schulhof, der ja schon zu normalen Hofpausen-Zeiten kein Hort der Stille und Kontaktarmut ist? Und das ist mit den Vorteilen des Unterrichts in stark verkleinerten Klassen? Hat der nicht auch Vorteile, wenn Kinder plötzlich in viel kleineren Gruppen lernen und fürs Lehrpersonal ganz anders sichtbar werden?
Bietet Corona Chancen für die Schule?
So könnte man den Ansatz aus der Politik vielleicht auch sehen, die Chance, die sich durch Corona bietet. Eine Gelegenheit, Lernen und Lehren anders zu denken, andere Ansätze der Wissensvermittlung zu nutzen. Forschungsergebnisse zum Draußen-Lernen gibt es längst und Antworten und Erkenntnisse aus Wissenschaft. Die Uni Mainz hat Modellschulen, die mit regelmäßigen Draußen-Tagen arbeiten, wissenschaftlich begleitet und in mehrjähriger Beobachtung aufgezeigt, wie sich Gruppengefüge der Klasse draußen verändern. Dass zum Beispiel einerseits befreundete Kinder mehr Zeit miteinander verbringen als sonst auf den vorgegebenen Plätzen im Klassenzimmer, aber auch, dass Kinder draußen miteinander mit anderen in Kontakt kommen, mit denen sie sonst weniger zu tun haben.
Die Studie zeigte auch, dass die meisten Kinder eine Vernetzung vom Unterricht im Klassenzimmer und in der Draußenschule wahrnahmen. Auch die Eltern werteten die Draußenschule als sinnvolle Ergänzung zum Unterricht, in der nicht nur fachlich gelernt, sondern auch übergeordnete Werte vermittelt und wichtige Primärerfahrungen ermöglicht werden. Für die Lehrkräfte heißt das der Studie zufolge aber auch, ob draußen gelernt wird, hängt nicht nur vom Üben von Fertigkeiten und der Wiederholung von Wissensbeständen ab. Es hängt auch davon ab, wie Erfahrungen und Wissen aufgegriffen und in den Unterricht im Klassenzimmer überführt wird. Drinnen lernen und Draußen lernen sind der Studie zufolge keine Gegensätze, sondern befruchten sich bestenfalls gegenseitig.
Ähnlich ist der Ansatz einer Studie aus München von 2018, an der ebenfalls die Uni Mainz beteiligt war. Sie zeigte, wie der Draußen-Unterricht die Selbstmotivation der Kinder beflügelte. Hier lernten Schülerinnen und Schüler zwischen elf bis 13 Jahren außerhalb der Schulräume in einem speziellen Schulforschungszentrum in Berchtesgaden.
Dabei werteten die Kinder ihre Motivation, autonomes Arbeiten und soziale Beziehungen außerhalb des Klassenzimmers höher als beim klassischen Lernen im Schulgebäude. Auch das soziale Miteinander wurde von den Kindern als positiver als im Klassenzimmer bewertet, als "entspannter und hilfsbereiter". Auch auf das Lehrkraft-Kind-Verhältnis wirkten sich die Draußen-Tage aus. Schwierige Konstellationen, in denen die Chemie zwischen Lehrkraft und Schülern nicht stimmt, könnten sich dadurch ändern oder entspannen, sagte Forscher Ulrich Dettweiler 2018 im Gespräch mit MDR WISSEN.
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