Pädagogik Sexuelle Bildung – Leerstelle im Lehrplan für Lehrer
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17. November 2020, 14:34 Uhr
Die Zahlen sind erschreckend: Statistisch gesehen haben in jeder Schulklasse mindestens zwei Kinder sexuellen Missbrauch erlebt. Den Lehrkräften fehlt oft die nötige Ausbildung, um etwa Hilfsangebote zu machen. Das Thema spielt in der Aus- und Fortbildung bislang kaum eine Rolle. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Uni Leipzig und der Hochschule Merseburg. Gemeinsam haben sie einen Lehrplan für das Lehramtsstudium entwickelt, der das ändern und künftige Lehrer-Generationen fit machen soll.
Dass die beiden Hochschulen mit ihrem Angebot SeBiLe richtig liegen, zeigt die Nachfrage der Studierenden für die vier Seminare zur sexuellen Bildung und zur Prävention sexualisierter Gewalt. Sie war so groß, dass viele keinen Platz bekamen, berichtet Lena Lache. Sie ist eine der Dozentinnen an der Universität Leipzig, die das Seminar seit dem Sommersemester testweise durchführen. Die Studierenden seien nicht nur angehende Biologielehrer gewesen, sondern kämen aus allen Fachrichtungen.
Ich glaube, alleine dadurch, dass wir sehr breit verankern, was sexuelle Bildung bedeutet und dafür plädieren, dass das Alltagsthemen in der Schule sind, dass es nicht DEN Zeitpunkt gibt, wo man sagt, 'Ups, jetzt sind die 14, jetzt machen wir mal ein paar sexuelle Bildungsangebote', sondern ganz konkret schauen, was haben Jugendliche und Kinder für Bedarfe?
Das Curriculum für das Seminar – also der Lehrplan – wurde von Forschenden der Universität Leipzig gemeinsam mit der Hochschule Merseburg entwickelt. Es enthält beispielsweise Inhalte zur Frage, was Sexualität eigentlich ist, wie sexuelle Bildung in der Schule praktisch umgesetzt werden kann oder auch das Thema Diversität und sexuelle Vielfalt, erläutert Bildungswissenschafts-Professorin Barbara Drinck.
Fortbildungen zum Thema sind Mangelware
Doch nicht nur im rechtlichen Bereich hatten Studierende und Lehrkräfte offenbar das Gefühl, Defizite zu haben. Das Curriculum basiert auch auf einer Befragung von rund 2.000 Personen zu ihrem Bedarf an Informationen zu sexueller Bildung und sexueller Gewalt. Demnach hatten nur 20 Prozent aller befragten Studierenden und Lehrkräfte das Thema überhaupt in ihrer Ausbildung.
Etwa 70 Prozent der Lehrkräfte gaben an, Schwierigkeiten zu haben, passende Fortbildungen zu finden, erläutert Professor Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg:
Das bedeutet als Ableitung daraus, dass sowohl Studierende und Lehrpersonen in Ausbildung als auch in Fortbildung noch konkrete Informationen benötigen. Da gibt es eine Lücke. In Bezug auf Pubertät ist die Lücke schon teilweise geschlossen, in anderen Themengebieten ist der Bedarf relativ hoch.
Das Team plant bereits ein Folgeprojekt gemeinsam mit der Martin-Luther-Universität Halle und der Humboldt-Universität Berlin. Werden die Mittel dafür genehmigt, könnte das Seminar auch dort kommendes Jahr starten.
"Wissen heißt Schützen"
Außerdem würde weiter zum Thema Fortbildung und Trauma geforscht. Letzteres dürfte vor allem der Prävention sexueller Gewalt zugute kommen, die ebenfalls Thema des Seminars ist. Es sei wichtig, die Fachkräfte dafür auszubilden, etwa sexuelle Gewalt zu erkennen oder Schutzkonzepte zu entwickeln. Denn Wissen heißt Schützen, sagt Jürgen-Wolfgang Stein vom Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Bundesregierung:
Mit dem Curriculum zur sexuellen Bildung für das Lehramt werden Lehrerinnen und Lehrer darauf vorbereitet, dass Schülerinnen und Schüler vor sexueller Gewalt geschützt werden können. Dieses Curriculum schafft quasi die Grundlage für vorbeugende, eingreifende und nachgehende Hilfen.
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