Ernährungswissenschaft Der Bauernhof bekommt weniger als ein Drittel vom Essensgeld
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31. August 2021, 18:01 Uhr
Der 7. Juni steht im Zeichen des Welttags für sichere Ernährung. Allerdings sind nicht nur kontaminierte Nahrungsmittel in Krisenregionen ein Problem. Zu guter Ernährung für alle zählen auch eine bessere Verteilung und realistische Erzeugerpreise, wie aktuelle Studien zeigen.
Wenn man sich so anschaut, wie Menschen mehr als dreißig Hamburger oder 15 Packungen Chili-Instantnudeln am Stück verdrücken, stellt man fest: An Videomaterial bleibt einem im Internet wenig erspart. Und: Es scheint eine klare Regel beim großen Fressen zu geben – Schnelligkeit. Wer nur eine Chance haben möchte, die dreißig Doppelburger einer globalen Fastfoodkette möglichst erfolgreich in den Verdauungstrakt zu pressen, muss sich ranhalten – beißen, schlucken, beißen, schlucken.
Dieses Konzept steht jetzt auch auf wissenschaftlichen Füßen. Eine aktuelle Studie der US-amerikanischen Pennsylvania State University zeigt: Wer schnell isst, isst mehr. Und nicht nur das: Auch größere Happen führen dazu, mehr Essen pro Mahlzeit einzunehmen. Außerdem verleiten größere Portionsgrößen automatisch zu einem größeren Verzehr.
Großer Happen, großer Appetit
Der Genuss von dreißig doppelt belegten Hamburgern mit großen Bissen und in irrer Geschwindigkeit ist so ein bisschen das Gegenteil von dem, wofür der World Food Safety Day – Welttag für Lebensmittelsicherheit – am 7. Juni steht. Der von den Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation WHO ins Leben gerufene Aktionstag möchte daran appellieren, gute und gesunde Lebensmittel für alle Menschen auf der Welt sicherzustellen. Dabei liegt der Fokus auf kontaminierten Lebensmitteln als Bedrohung für die menschliche Gesundheit, besonders durch oft unsichtbare Verunreinigungen mit Bakterien, Viren, Parasiten und chemische Substanzen. Solche Verunreinigungen spielen vor allem dort eine Rolle, wo Nahrung ohnehin schon knapp ist: Bei Menschen in Konfliktregionen oder Migrierenden. Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr 420.000 Menschen durch kontaminierte Lebensmittel.
Neben der Vereitelung einer weltweiten Klimakatastrophe ist die – gesundheitlich unbedenkliche – Ernährung der insbesondere in ärmeren Regionen wachsenden Weltbevölkerung eine unserer Jahrhundertaufgaben. Vielversprechend ist dabei der Gedanke, Lebensmittel besser zu verteilen und weniger zu verschwenden. Das wäre ein entscheidender Schritt, aber kein Allheilmittel. Zu dem Schluss kommt eine aktuelle Studie vom ernährungswissenschaftlichen Riddet Institute im neuseeländischen Palmerston North.
Halbierung der Lebensmittelverschwendung reicht nicht
So ging man bisher davon aus, dass die Lebensmittelverschwendung halbiert werden müsste, um die für 2050 prognostizierten über neuneinhalb Milliarden Menschen zu ernähren. Genug Protein und Energie sei dann vorhanden. Die neuen Berechnungen zeigen aber, dass die produzierten Nährstoffe immer noch nicht den tatsächlichen Bedarf decken würden. Das betrifft wichtige Mikronährstoffe wie Calcium, Eisen und Vitamin E. Man könnte also sagen: Die Menge an Essen reicht dann wohl, aber es ist einfach nicht gesund und ausgewogen genug.
Dazu, ausreichend gesunde Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, gehört auch, dass diejenigen ausreichend entlohnt werden, die für ihre Erzeugung verantwortlich sind. So zeigt eine neue Studie der Cornell University im US-Bundesstaat New York, dass nur 27 Prozent – also nicht mal ein Drittel – der weltweiten Ausgaben für Lebensmitteln bei denen landen, die für ihre Produktion verantwortlich sind: bei den Landwirtinnen und Landwirten. Die Ergebnisse deuten zudem darauf hin, dass dieser Anteil bei steigendem Nationaleinkommen deutlich sinkt.
Die Forschenden appellieren außerdem, sich genauer anzusehen, was in der Wertschöpfungskette eigentlich nach dem Bauernhoftor alles mit den Lebensmitteln passiert und inwieweit sich das mit Nachhaltigkeitszielen vereinbaren lässt. So würde etwa ein höheres Einkommen auch längere Lieferketten und eine größere Menge verarbeiteter Lebensmittel begünstigen.
Lebensmittel im Haushalt retten
Und nun? Die Schuld nicht nur bei der Industrie zu suchen, sondern sich auch selbst zu rüffeln, hilft. Wie der aktuelle Ernährungsreport für Deutschland des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zeigt, scheint Regionalität ein klarer Aspekt für die Kaufentscheidung zu sein: 82 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten legen darauf wert. Schade nur, dass Regionalität allein nicht reicht. So achtet nur etwas mehr als die Hälfte auf die verwendeten Inhaltsstoffe – Stichwort Fertigprodukte –, gleichzeitig ist aber für fast genauso viele der Befragten der Preis kaufentscheidend, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sogar sechzig Prozent. Billige und ungesunde Lebensmittel, an denen Erzeugende nicht viel verdienen, müssen nicht weit gereist sein.
Während wir möglicherweise mahnend mit dem Finger auf andere zeigen, wenn es darum geht, Lebensmittel vor der Tonne zu retten, müssen wir wahrscheinlich zuerst im eigenen Haushalt damit anfangen. Mehr als die Hälfte der Lebensmittelabfälle fallen daheim an, das zeigt eine Erhebung des Thünen-Instituts vom Herbst 2019. Zum Vergleich: Der Anteil des Handels liegt bei gerade mal vier Prozent.
Langsam und genussvoll, bitte!
Fassen wir zusammen: Um die Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts anständig ernähren zu können, müssen wir die Verschwendung von Lebensmitteln drastisch reduzieren. Das fängt im Haushalt an. Außerdem gilt es, diejenigen ausreichend zu entlohnen, die für Erzeugung von Nahrung sorgen.
Und wenn die Nährstoffe stimmen, dürfen die Portionsgrößen auch ruhig ein bisschen kleiner sein. Das schont ganz nebenbei auch den Geldbeutel. Vielleicht hilft dabei auch die Qualität: Langsames Essen – und sich dabei das Mahl genüsslich auf der Zunge zergehen lassen – funktioniert bei frisch gekochter Qualitätsware meistens besser als bei Fertigprodukten. Außer Sie müssen noch schnell einen Weltrekord mit dreißig Packungen Mikrowellenlasagne aufstellen.
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