Wir haben in diesem Diagramm bewusst die Legende weggelassen. Welche der beiden Temperaturkurven, glauben Sie, steht für den diesjährigen Mai und welche für den Oktober? Zur Erinnerung: Im Frühling wird es normalerweise von Tag zu Tag wärmer, im Herbst kühler. Die Antwort erhalten Sie, wenn Sie auf einen der Kurvenpunkte klicken – und natürlich jetzt im Text: die rote ist die Oktoberkurve. Was für ein seltsamer Monat war das doch! Ja, die Blätter wurden immer bunter, die Tage kürzer, aber die Temperaturen stiegen.

Höhepunkt war der vergangene Sonntag, der 30. Oktober, also fast schon November. Da wurden in Aue 26,6 Grad Celsius gemessen, eine absolute Sommertemperatur, nicht mehr weit von der Definition eines heißen Tages entfernt (Höchsttemperatur über 30 °C). Es war der mit Abstand (mehr als drei Grad Vorsprung) wärmste 30. Oktober aller Zeiten.

Und das mit den warmen Tagen war ja nicht nur ein lokales Phänomen. Wir schauen auf die Daten von sieben gut verteilten Wetterstationen in Mitteldeutschland, vier im Flachland, drei auf höheren Bergen – überall das gleiche Bild. Während die mittlere Tagestemperatur im Laufe des ganzen Oktobers normalerweise um etwa fünf Grad sinkt, schwang sie sich diesmal mehrfach zu ungeahnten Höhen auf, einmal schon in der Mitte des Monats und dann nochmal so richtig gegen Ende.

Sie können im obigen Diagramm zwischen den sieben Messstationen hin- und herschalten, indem Sie die Namen anklicken. Vielleicht fällt Ihnen dabei auf, dass der Abstand zwischen roter Kurve (2022) und den anderen beiden Durchschnittskurven bei den Messstationen auf den Bergen noch größer ist als im Flachland.
Und tatsächlich: Spitzenreiter bei der Temperaturabweichung vom langjährigen Mittel (1991 bis 2020) ist der Fichtelberg mit 13,7 Grad mehr als üblich am 30. Oktober.

Alles in allem war dieser Monat in Mitteldeutschland und ganz Deutschland durchschnittlich so warm wie noch kein Oktober zuvor. Der Vorsprung vor "Platz 2" ist zwar knapp. Aber wenn man bedenkt, dass Platz 2 auch aus den 2000er-Jahren stammt, macht es das auf lange Sicht ja nicht wirklich besser.

Und wenn man die einzelnen Bundesländer (Flächenländer ohne Berlin, Hamburg und Bremen) vergleicht, sieht man folgendes Ergebnis: in sieben von 13 Ländern war es der wärmste Oktober aller Zeiten, in drei weiteren der (knapp) zweitwärmste. Nur der Nordwesten der Republik hat zuvor mehr als einen noch wärmeren Oktober erlebt.

Viele Menschen haben das Wetter natürlich genossen, klar, zumal sich die warmen Tage ja fast überall mit den Schulferien überschnitten haben. Auch das Nicht-Heizen-Müssen war ein in diesen Zeiten nicht zu unterschätzender schöner Nebeneffekt für Energiebilanz und Geldbeutel. Aber wenn man sich vorstellt, dass sich vielleicht auch Sommermonate diesen Oktober 2022 zum Vorbild nehmen und um zehn Grad wärmere Tage als üblich im Akkord bereithalten, wird das alles schon ein bisschen unschöner.
Der Oktober-Trend veranschaulicht die Erwärmung im Laufe der Zeit jedenfalls überdeutlich, selbst wenn man keine einzelnen Jahre, sondern Zehn-Jahres-Mittelwerte nimmt. Da sind die Temperaturen in Deutschland im Laufe von 132 Jahren um genau drei Grad gestiegen, wobei der letzte Teil des Anstiegs besonders steil und besorgniserregend verlief.

(rr)