Energiehaus
Das ist eines der beiden nahezu energieautarken Mietshäuser der Wohnungsgenossenschaft eG Wohnen in Cottbus. Ein Team aus Forschenden begleitet die Häuser. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Projekt in Cottbus Wohnen im energieautarken Haus – aber zur Miete

08. August 2022, 14:29 Uhr

Wer zur Miete wohnt, muss aktuell mit rapide steigenden Energiepreisen rechnen – viele dürften einer möglichen Nachzahlung mit Nervosität entgegensehen. Nicht so die Mieter eines teilautarken Hauses in Cottbus: Sie zahlen eine auf fünf Jahre festgelegte Pauschale, die Strom, Heizung und Warmwasser abdeckt. Das Projekt läuft seit 2019 und wir von der TU Freiberg wissenschaftlich begleitet. Über drei Jahre nach dem Start ziehen die Forschenden ein positives Fazit.

2018 startete die Wohnungsgenossenschaft eG Wohnen in Cottbus ein Projekt, das damals als deutschlandweit einzigartig galt: Sie baute zwei Mehrfamilienhäuser, die nahezu energieautark sind – also Strom und Wärme zu einem hohen Anteil selbst produzieren. Das funktioniert mittels Solarkollektoren (für die Wärme) und Solarmodulen (für den Strom). Solche nahezu oder vollkommen energieautarken Häuser gibt es zwar schon länger – aber bislang waren das immer Eigenheime. Dass eine Wohnungsgenossenschaft solche Häuser baut und Menschen in ihnen zur Miete wohnen können, war damals neu.

Die Energie, die die Häuser nicht direkt verbrauchen können, wird an die Nebengebäude abgegeben, ins Netz eingespeist oder für maximal zwei Tage in Batterien auf dem Dachboden gespeichert. Außerdem befindet sich ein 25.000 Liter großer Wasserspeicher in den Häusern, der für Heizung, warmes Duschwasser und Waschmaschine oder Geschirrspüler genutzt werden kann, wenn die Sonne gerade nicht scheint. Dank dieser Technologien können sich die Häuser zu einem großen Teil selbst versorgen. In den vergangenen Jahren wurde das Projekt wissenschaftlich begleitet, von einem Team des Instituts für Wärmetechnik und Thermodynamik an der TU Freiberg.

Pauschalmiete deckt Heizung und Strom ab

Die Forschenden wollten damit herausbekommen, wie gut das besondere Mietprinzip der teilautarken Häuser funktioniert: Wer in den Häusern wohnt, zahlt eine Pauschalmiete, die für die kommenden fünf Jahre festgelegt ist – und neben der Kaltmiete auch den Bedarf an Heizwärme, Wasser und Strom abdeckt. Mit einer Miet-Flatrate von 10,50 Euro pro Quadratmeter zahlen die Bewohner der Häuser einen festgelegten Betrag. Wie viel die beiden Häuser aktuell an Strom und Warmwasser verbrauchen, speichern und wie autark sie tatsächlich sind, lässt sich öffentlich im Netz nachverfolgen. Mit den erfassten Monitoring-Daten kann das Energiemanagement des Gebäudes verbessert werden.

Erfolgversprechende Ergebnisse

Nachdem die Häuser fast zwei Jahre bewohnt waren, gab das Forscherteam der TU Freiberg bereits im Januar 2021 bekannt, die ersten Ergebnisse seien erfolgversprechend. "Das Konzept geht im Wesentlichen auf. Die Sonnenhäuser können mit einfacher Technik durch Photovoltaik den größten Teil ihres elektrischen Jahresverbrauchs (74% von 17.320 kWh) selbst abdecken und erzeugen darüber hinaus, vor allem in den Sommermonaten einen Überschuss (12.240 kWh jährlich)", erklärte Dr. Thomas Storch vom Lehrstuhl für technische Thermodynamik. Dennoch wurde die wissenschaftliche Begleitung des Projektes damals nicht eingestellt, sondern vorerst bis 2023 verlängert.

Montage von Sonnenkollektoren für Solarthermie.
Montage von Sonnenkollektoren für Solarthermie. Bildrechte: IMAGO/U. J. Alexander

Kleines Nahwärmenetzwerk ist sinnvoll

Aktuell sei es so, dass sich die Häuser zu 54 bis 60 Prozent mit Wärme selbst versorgen und zu 72 bis 75 Prozent mit Strom, betont Thomas Storch gegenüber MDR WISSEN. Als besonders sinnvoll habe sich eine Zusatznutzung der Gebäude erwiesen: "Durch ein zusätzliches kleines Nahwärmenetzwerk wird Wärme an Nachbargebäude geliefert". Dadurch könne man den großen Wärmespeicher der Gebäude in der Temperatur wieder absenken und weiteres Speicherpotenzial für Solarthermie schaffen. So könne man einen Stillstand der Solarthermieanlage verhindern.

Mieter können ihren Verbrauch gut einschätzen

Vor dem Hintergrund gestiegener Energiepreise ist auch das Mietpauschale-Modell der beiden Genossenschaftshäuser interessant. Denn für die Mietenden des Cottbusser Projekts verändern sich die Pauschalpreise für die Wohnungen inklusive Energie, Warmwasser und Heizwärme nicht. Theoretisch könnten sie also auch sehr verschwenderisch mit diesen Ressourcen umgehen – es kostet ja nicht mehr. "Das wird von der Wohnungswirtschaft am meisten gefürchtet und ist immer zu prüfen", betont Thomas Storch. Allerdings habe man hier die Erfahrung gemacht, dass eine Selbsteinschätzung der Mieter, die ihren eigenen Verbrauch vor dem Einzug angeben sollten, gut mit dem tatsächlichen Verbrauch übereinstimmte.

Allerdings gelte weiterhin: "Die Verschwendung von Energie muss auch bei Pauschalen kommuniziert werden und sei nicht bei jedem Mieter so präsent." Man müsse die Menschen informieren und die Pauschale gegebenenfalls anpassen, beispielsweise mittels eines Ampelsystems, rät Storch. Im vergangenen Winter seien alle eventuellen Mehrverbräuche und Kostenanstiege von der Mietpauschale abgedeckt gewesen.

In der MDR WISSEN-Doku Ist Wasserstoff die Kohle der Zukunft? geht es ebenfalls um ein energieautarkes Haus.

Ein riesiges H und eine riesige 2 schwimmen in einem Meer. 45 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Links/Studien

Auf dieser Website der TU Freiberg lässt sich nachverfolgen, wie es um die nahezu autarken Miethäuser energietechnisch steht.

iz