Regionalflughäfen Dresden, Erfurt, Kassel: Jedem Städtchen seinen Flughafen?
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05. Juli 2024, 17:17 Uhr
Weniger Abflüge als ein Provinzbahnhof Abfahrten hat – zu den immer gleichen Ferienzielen rund ums Mittelmeer. Regionalflughäfen wirken nach außen hin oft wie teures kommunales Spielzeug, das regelmäßig gerettet werden muss – wie derzeit die Airports in Leipzig und Dresden. Vor dem Hintergrund der Klimakrise, scheinen diese Subventionen vollkommen unverständlich. Aber ganz so einfach ist die Rechnung nicht.
- Regionalflughäfen funktionieren nur durch hohe Zuschüsse – haben aber trotzdem nur ein geringes Flugangebot
- Ihre Funktion ist aber nicht auf Passagierflüge beschränkt, sondern eine infrastrukturelle und wirtschaftspolitische Frage
- Pauschale Aussagen zur Sinnhaftigkeit von Regionalflughäfen sind kompliziert
- In Sachen Klimaschutz hätte die Schließung von Regionalflughäfen vor allem einen bestimmten Nutzen
Da geht’s den Mitteldeutschen Flughäfen also wie dem Mitteldeutschen Rundfunk: So um die 150 Millionen Euro fehlen in den nächsten Jahren für eine gesicherte Finanzierung. Im Falle der Flughäfen – der Plural bezieht sich auf Dresden DRS und Leipzig-Halle LEJ – soll es von staatlicher Seite eine kräftige Finanzspritze geben, hundert Millionen Euro an Steuergeld schießen die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt den Airports zu. Während LEJ als (durch stattliche staatliche Subventionen aufgebauter) zweitgrößter Frachtflughafen Deutschlands die große weite Welt anfliegt, erfüllt DRS repräsentative Funktion für die stolze Landeshauptstadt und leistet die entsprechende Infrastruktur für die Elbeflugzeugwerke.
Der Rest ist schnell erzählt: Ein paar mühsam erkämpfte Zubringerflüge zu den internationalen Hubs in Frankfurt, München, Zürich. Und der übliche Ferienflieger-Kanon zu Warmwassergebieten um Palma, Antalya oder Hurghada. Airports mit ebenfalls klanghaften Bindestrichnamen wie Erfurt-Weimar, Kassel-Calden oder Rostock-Laage bieten ein mitunter noch deutlich ausgedünnteres Reiseprogramm. Was hält Politikerinnen und Politiker also bei der Stange, einen klimaschädlichen Transportzustand künstlich zu verlängern? Und das Geld in Flugplätze zu investieren, die weite Teile des Tages ähnlich gut besucht sind wie die zentrale Mongolei?
Kurzer Blick auf die Einsteiger: Während sich die internationalen Flüge seit Corona rasant erholt haben, sind die innerdeutschen Verbindungen schon lange auf gleichbleibend niedrigem Niveau. Fliegen ist in Deutschland eben ein Urlaubsthema.
Bei Regionalflughäfen zählen nicht nur die Passagierzahlen
Dass man die Bedeutung von Flughäfen an ihrem Passagierbetrieb misst, sei aber ein ganz offensichtliches Missverständnis, mit dem der Luftverkehrsökonom Sven Maertens gern aufräumen möchte, "weil wir es hier auch in erster Linie mit allgemeiner Luftfahrt, also Schulflüge, Geschäftsflüge, medizinische Transporte, Arbeitsflüge und so weiter zu tun haben." Maertens forscht am Institut für Luftverkehr des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) und bringt neben Passagierinnen und Passagieren sowie Fracht die Variable Flugbewegungen ins Spiel. Wenn man die beachtet, fallen die Unterschiede nicht mehr ganz so massiv ins Gewicht, zwischen den Regionalflughäfen und den Großen. Die lagen vergangenes Jahr in Dresden bei 20.000 (900.000 Fluggäste) in Leipzig bei 80.000 (2,1 Millionen Fluggäste) und, zum Vergleich, in Hamburg bei 120.000 (13,6 Millionen Fluggäste).
Die Finanzspritzen sind also auch Zuschüsse in die mehr oder weniger notwendige Infrastruktur. "Über die Höhe lässt sie natürlich trefflich streiten", sagt der Luftfahrtforscher Hartmut Fricke von der TU Dresden, der auch das Amt des sächsischen Luft- und Raumfahrtkoordinators bekleidet. "Aber dass grundsätzlich Verkehrsinfrastrukturen, die auch der Daseinsfürsorge dienen, Unterstützung brauchen, ist sicher unvermeidbar in dem Finanzierungsmodell, das wir in Deutschland fahren." Mit Frankfurt und München gibt es tatsächlich nur zwei Flughäfen, die es eigenwirtschaftlich schaffen, was bedeutet, dass auch große Airports wie Berlin-Brandenburg und Düsseldorf auf Subventionen angewiesen sind. Zuschüsse sind dabei nicht gleich Zuschüsse: Neben Beihilfen für Investitionen und Reparaturen (Stichwort: Infrastruktur) gibt es auch Betriebskostenzuschüsse. Kritische Stimmen sehen hier eine Wettbewerbsverzerrung, weil die Airports im freien Markt nicht wirtschaftlich wären.
Regionalflughafen: "Must have" oder "nice to have"?
Das bundesdeutsche Verkehrsministerium hat in seiner Luftfahrtstrategie sein Interesse an zwölf Flughäfen bekundet – nach Gesichtspunkten wie Konnektivität, Forschung, 24-Stunden-Betrieb und Ausweichmöglichkeiten. "Das kann man also als so eine Art Basisangebot für die große Luftfahrt verstehen", so Sven Maertens vom DLR. Denn tatsächlich sind es gut dreimal so viele. Oft gehörtes Argument: wirtschaftliche Vorteile für die Region. Die Grundangebotsliste wäre unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten also wahrscheinlich länger.
Dass das Argument nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigt eine Untersuchung von 200 Unternehmen im Raum Dresden, an der Hartmut Fricke beteiligt war: Von denen war zu vernehmen, dass der Flughafen vor der Haustür ein "must have" ist – so zumindest die Auffassung vor der Corona-Pandemie. Von Fluganbietern wurde allerdings zurückgegeben, dass die Nachfrage für einen wirtschaftlichen Betrieb gleichzeitig zu gering sein. Beim Regionalflughafen geht es also eher um das Vorhandenwissen der Möglichkeit als um den wirklichen Nutzen.
An den CO2-Emissionen in der EU würde sich nichts ändern
Wie sinnvoll ein Regionalflughafen ist, lässt sich aus Sicht des Verkehrswissenschaftlers Georg Hirte nicht pauschal sagen. Hirte forscht an der TU Dresden auf den Gebieten Verkehrspolitik und Raumwirtschaft und betont, dass dazu auch Daten erhoben werden müssten, wer da eigentlich ins Flugzeug steigt und nicht wie viele es sind. Für den Personenverkehr sieht der die Bedeutung von Regionalflughäfen hinsichtlich der Schienen- und Straßenanbindung eher als "nice to have". So zum Beispiel in Erfurt, ein Flughafen mit unter 6000 Flugbewegungen im vergangenen Jahr, am Rande einer Stadt mit einer exzellenten Schienenanbindung an die Großflughäfen in München und Frankfurt.
Für den Flughafen gab es deshalb die Rote Karte, in einer Studie des Forums Ökologisch-soziale Marktwirtschaft aus dem Jahr 2020, das ihm wie vielen anderer deutschen Airports den Empfang "unverantwortlicher Subventionen" attestierte. Die Untersuchung zeigt aber auch: Die Bahnfahrt zum nächstgrößeren Flughafen ist vielerorts zumutbar. Gerade Airlines wie Lufthansa hegen aber ein Interesse am eigentlich wenig lukrativen Zubringerverkehr zu den Hubs, zum Beispiel nach Frankfurt. Die Betreiber wollen die Fluggäste schlichtweg so früh wie möglich in der Kiste haben, was durch eine individuelle Anreise nicht gegeben ist, sagt Hartmut Fricke. Das ermögliche gerade bei den wertvollen Langstreckenflügen einen frühzeitigen Überblick, wer wirklich mitfliegt. Zumindest zum Teil gibt es hier schon Kooperationen mit der Deutschen Bahn.
Wie verzichtbar ein Flughafen ist, ist also auch immer eine Frage der Alternativen. So kritisiert Greenpeace zum Monatsbeginn, dass europäische Orte viel besser mit dem Flugzeug als der Schiene verbunden seien. Von tausend untersuchten Strecken könnten nur zwölf Prozent mit Direktzügen zurückgelegt werden. Auch mit der bestehenden Infrastruktur sei da deutlich mehr drin.
Regionalflughäfen dicht machen – rettet das das Klima?
Dass ein geschlossener Regionalflughafen einen großen Beitrag zum Klimaschutz leistet, ist ohnehin mehr Wunsch als Gegenwart. Obwohl deutsche Regionalflughäfen 2019 immerhin mit einer Klimawirkung von über vier Millionen Tonnen CO2 zu Buche schlugen (ohne Leipzig). Die Emissionen der Luftfahrt im Europäischen Wirtschaftsraum, also oftmalige Ziele an kleinen Airports, unterliegen – anders als interkontinental – dem europäischen Emissionshandel, betont Georg Hirte. "Das heißt, wenn die nicht mehr fliegen würden, die Flugzeuge auf diesem Flughafen, dann würde sich an CO2-Emissionen innerhalb der EU überhaupt nichts ändern." Emissionen würden sich nur verlagern. Ein Fakt, den auch Sven Maertens vom DLR betont und auf die Langstrecke als Emissionsschleuder verweist: "Die Langstrecken ab 3000 Kilometern, die machen neun Prozent der Abflüge aus, aber 54 Prozent der CO2-Emission."
Die Schließung eines Regionalflughafens wäre also hinsichtlich Klimaschutz vor allem ein symbolischer Akt. Eine Art Gedankenstütze, die nächste Flugreise noch einmal zu überdenken, weil der bequeme Ferienflieger eben nicht mehr vor der Haustüre steht. Und ein Wegweiser, der Mobilitätsgewohnheiten infrage stellt und wohin Steuergelder fließen sollen. Bei der Sanierung im Schienenverkehr fehlt es grad an allerhand Scheinchen, hört man es munkeln. Ab 2027 könnten davon einige frei werden. Eine EU-Verordnung sieht vor, dass zumindest die Betriebskostenbeihilfen für Regionalflughäfen künftig tabu sind. Was die Regelung für die deutsche Flughafenlandschaft bedeutet? In Verbindung mit den bereits jetzt stattfindenden Umlagen von Umweltkosten auf die Fluggäste und dem enger werdenden Korsett im Emissionshandel heißt es vielleicht: Fliegen wie damals, in den Fünfzigern – exklusiv und teuer.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 05. Juli 2024 | 13:48 Uhr
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