MDR WISSEN erklärt Warum hoffen wir auf weiße Weihnachten?
Hauptinhalt
05. Dezember 2024, 15:14 Uhr
Viele schmücken schon im Dezember weihnachtlich, die Krippe wird für den 24. hervorgekramt und geschaut ob alles, da ist: Ochs, Esel, Jesuskind und Watte für das Dach als Schnee. Eigentlich ein bisschen absurd, denn im Heiligen Land, also im Nahen Osten, wird zur Geburt Christi ganz sicher kein Schnee gelegen haben. Aber auch in unseren Breiten sind weiße Weihnachten eher unwahrscheinlich. War das schon immer so – und warum hoffen wir trotzdem auf Schnee? MDR WISSEN hat nach Antworten gesucht.
Klicken Sie auf den Link und erkunden Sie unsere interaktive Geschichte!
In den meisten Fällen sehnt man sich vor allem nach dem, was man einfach nicht haben kann. Oder eben nur äußerst selten haben kann. Bei Weihnachten ist das ganz besonders erstaunlich: Schnee ist zwar ein unverrückbares Festtagssymbol, aber das Hoffen auf die weiße Pracht meistens vergebens. Oder anders gesagt: Kinder, die in Mitteldeutschland seit 2010 auf die Welt gekommen sind, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit noch keine Schneedecke zur Bescherung erlebt.
Die Chancen sind so gering wie nie, zeigt eine Analyse von MDR WISSEN. Datenredakteur Robert Rönsch hat 174 Wetterstationen unter die Lupe genommen und ist zum Ergebnis gekommen, dass ausgerechnet der 24. der einzige Tage im Dezember ist, an dem an vielen Orten in Mitteldeutschland nach 2010 kein Schnee lag. Bis 2010 war das anders, obwohl weiße Weihnachten da auch nicht die Regel waren. Aber seit Ende des 19. Jahrhunderts hatte man im mitteldeutschen Flachland über die Jahrzehnte hinweg Chancen auf weiße Weihnachten von durchschnittlich dreißig Prozent. Spitzenreiter waren die 1960er mit sechzig Prozent - das wirkt mittlerweile unvorstellbar.
Weniger Schnee in Weihnachtsliedern als man denkt
Die Hoffnung auf ein weißes Fest ist dabei noch gar nicht so lange in Mode: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Schnee weder romantisch noch ein Weihnachtssymbol. Das zeigt eine Analyse alter Postkarten, die die Schweizer Klimaforscherin Martine Rebetez schon vor einiger Zeit durchgeführt hat. Noch in den 1850er Jahren war Schnee auf Weihnachtskarten die Ausnahme, ab den 1860ern aber die Regel.
Auch im weihnachtlichen Liedgut kommt Schnee viel seltener vor als sich vermuten lässt. "Oh Tannenbaum" zum Beispiel war ursprünglich gar kein Weihnachtslied, es wird lediglich ganz allgemein erwähnt, dass es im Winter schneit. Bei "Kling, Glöckchen, klingelingeling" findet Schnee hingegen gar keine Erwähnung, nur eben "Ist so kalter Winter". Und bei "Leise rieselt der Schnee" kommt der Text "Weihnachtliche glänzet der Wald" vor. Da das Christkind im Lied nicht sofort, sondern erst bald kommt, kann sich das Lied auch einfach auf die Vorweihnachtszeit beziehen, in der Schnee deutlich sicherer ist als zum Fest selbst.
Genau das bekam Mitteldeutschland ganz deutlich im Jahr 2009 zu spüren, erinnert sich Redakteur Robert Rönsch:
Erst hat sich Mitte des Monats die sibirische Kälte in Mitteleuropa breit gemacht, die dafür sorgte, dass am 19. Dezember die Temperaturen überall im zweistelligen Minusbereich waren. Nur drei Tage später kletterten die Temperaturen wieder in den positiven Bereich, weil sich Warmluft vom Atlantik ausgebreitet hatte. Und bis spätestens zu den Feiertagen war alles, was kurz zuvor noch weiß war, weggetaut.
Klimawandel und Tauwetter als Gegner der weißen Weihnachten
Dass das Weihnachtsfest dann auf einmal grün wurde, war keine Ausnahme. "Es gibt bei unserem Wetter in Deutschland sogenannte Singularitäten, immer wiederkehrende Phänomene", erklärt Datenredakteur Rönsch. Bei der Schafskälte im Juni habe die Kurve immer einen deutlichen Knick nach unten gemacht, während es beim Weihnachtstauwetter immer einen Knick nach oben gegeben habe.
Das Weihnachtstauwetter gibt es schon seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, durchschnittlich in zwei Drittel aller Fälle. Dass die mitteldeutschen Winter in den vergangenen Jahrzehnten deutlich schneeärmer waren als noch vor fünfzig Jahren hat einen zweiten Grund: Der Klimawandel spielt laut Rönsch eine Rolle, die Dezember seien einfach wärmer geworden. Die Durchschnittstemperatur für den ganzen Monat habe ungefähr in jedem dritten Jahr unter null Grad gelegen, seit 2010 sie jedoch immer deutlich über null, im Mittel bei drei Grad. "Man könnte also sagen: Klimawandel plus Weihnachtstauwetter ist gleich wenig Chance auf weiße Weihnacht", rechnet Robert Rönsch vor.
Man will immer das haben, was man nicht bekommen kann
Warum aber gegen Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts der Schnee zur Feiertagssymbolik wurde, kann heute nur noch gemutmaßt werden. Zum einen setzte zu dieser Zeit der festtägliche Alpentourismus ein und in den Bergen war es natürlich schneesicher. Zum anderen könnten Postkartenmotive und die Eindrücke aus dem schneereichen Nordamerika dazu beigetragen haben, die von Ausgewanderten an die Verwandtschaft in Europa geschickt wurden.
Die amerikanische weiße Weihnacht, so wie sie in "White Christmas" besungen wird, bleibt im Übrigen auch nur ein Traum. Weil es eben kein Weihnachtslied aus Neuengland, sondern aus dem sonnigen Kalifornien ist – und Bing Crosby eben einfach das wollte, was er nicht haben kann.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Guten Morgen Sachsen | 02. November 2024 | 09:40 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/97b7e090-1d17-4574-98c9-34b2fa49c517 was not found on this server.