Meteorologie Weiße Weihnacht: Statistisch gesehen sind wir dran
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11. Dezember 2020, 12:49 Uhr
Wie schön wäre es in diesem Pandemie-Jahr doch, wenn es zu Weihnachten im ganz kleinen Familienkreis wenigstens Schnee geben würde! Viele Menschen fragen sich deshalb schon in der Adventszeit: Wird es weiße Weihnachten geben? Meteorologinnen und Meteorologen runzeln bei dieser Frage aber jedes Jahr die Stirn und sagen: Vielleicht, so ganz genau wissen wir das erst kurz vor dem Fest. Aber warum eigentlich?
Mit den Liebsten unterm Weihnachtsbaum Geschenke auspacken, dabei den Duft von Lebkuchen in der Nase. Am ersten Feiertag geht es dann nach Gänsebraten, Rotkohl und Klößen zum Spaziergang nach draußen durch eine tief verschneite Winterwunderwelt. So oder so ähnlich dürften sich viele das perfekte Weihnachtsfest vorstellen. Und auch Weihnachtslieder wie "Leise rieselt der Schnee" dürften ihren Anteil an der Vorstellung von weißen Weihnachten haben.
Doch für alle, die nicht in den Bergen leben, dürfte die Realität meistens ganz anders aussehen: Da geht es eher raus ins Grüne. Und trotzdem gibt es da jedes Jahr die Hoffnung, die Feiertage könnten so werden wie im Film: Draußen ist es weiß und knackig kalt, drinnen dagegen gemütlich und wohlig warm. Und so wird dem Meteorologen Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) schon Ende September zum ersten Mal die Frage gestellt: Wird es dieses Jahr Schnee geben zu Weihnachten? Er antwortet dann immer scherzhaft: "Ja auf jeden Fall – wenn Sie auf der Zugspitze leben."
Erste Einschätzungen ab Mitte Dezember
Ende September ist natürlich viel zu früh, um zu wissen, wie das Wetter Ende Dezember wird. Seriöse Aussagen ließen sich erst etwa ab dem 14. Dezember treffen, so Friedrich.
Doch da muss man auch beachten, dass die Vorhersage dann noch nicht sicher ist und auch nicht ganz genau sein kann. Dann müssen wir uns erstmal in Wahrscheinlichkeiten äußern. Und je näher wir dann an die Festtage kommen, umso genauer und detaillierter können wir dann voraussagen, ob und wo es dann vielleicht Schnee geben wird.
Tagesgenaue Wettervorhersagen für eine bestimmte Region können Meteorologinnen und Meteorologen nur etwa sieben Tage im Voraus machen, erläutert Friedrich. Einen etwas größeren Trend gebe es auch schon mal für zehn Tage. "Aber das ist dann auch schon das Ende der Fahnenstange", so der DWD-Experte.
Länger als zehn Tage gibt es keine wissenschaftliche Möglichkeit, solche Prognosen zu machen.
Und wenn man doch schon früher einen Ausblick wagen will, lassen sich nur die Statistiken heranziehen, um ein wenig zu spekulieren. Denn mehr bieten die dann leider auch nicht. "Wir haben natürlich in der Vergangenheit geschaut: Wie oft gab es denn weiße Weihnachten?", sagt Friedrich. Doch das sei in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt. Zwischen zwei Prozent Wahrscheinlichkeit auf Helgoland und 100 Prozent Wahrscheinlichkeit auf der Zugspitze.
Statistik: Alle zehn Jahre eine weiße Weihnacht
Und dann gibt es da noch eine recht spannende Statistik: Demnach gibt es in Deutschland etwa alle zehn Jahre flächendeckend Schnee zu Weihnachten. Und sollte das – zufällig – tatsächlich eintreffen, dann wäre es dieses Jahr soweit. Denn das letzte Mal hatten wir 2010 in ganz Deutschland weiße Weihnachten, sagt DWD-Experte Friedrich.
Da gab es viel Schnee, zum Teil sogar mehr als zehn Zentimeter bis in die Niederungen hinein. Seitdem ist es mehr oder weniger grün. Da hat sich der Schnee dann zurückgezogen in die hohen Lagen der Mittelgebirge und der Alpen. Aber das heißt jetzt nicht, dass es zehn Jahre her ist und das muss jetzt kommen.
Also nur, weil eine Statistik das sagt, gibt es jetzt keine schneesicheren Weihnachten. Das ist, wie wenn man würfelt, sagt Friedrich: "Sie wissen auch, die Wahrscheinlichkeit einen Sechser zu würfeln, liegt bei eins zu sechs, aber manchmal würfelt man länger, um einen Sechser zu bekommen."
Chaotisches System macht Vorhersagen schwer
Aber warum ist es so schwierig für die Meteorologinnen und Meteorologen, das Wetter über einen Zehn-Tages-Trend hinaus zu prognostizieren? Die Erklärung dafür liefert die sogenannte Chaostheorie.
Man muss dazu wissen, dass die Atmosphäre ein chaotisches System ist. Das heißt, im Prinzip kann ein Schmetterlingsschlag in Australien das Wetter auch bei uns fünf Tage später hier in Deutschland total beeinflussen.
Das Problem dabei sei, dass sich das nicht exakt berechnen lasse. Es gebe einfach keine Gleichungen wie beispielsweise in der Astronomie. Astronomen könnten etwa ganz genau vorhersagen, wann und wo eine Sonnenfinsternis zu sehen sei, so Friedrich. Das lasse sich genau ausrechnen, weil die Kräfte bekannt sind. "In der Atmosphäre haut das nicht hin", ergänzt der Meteorologe. Dabei hat jahrelange Forschung die Wettervorhersage schon besser gemacht. "Die Qualität einer Vorhersage, die wir heute für eine Woche in die Zukunft machen, die war vor 30 Jahren nur für drei Tage so gut", sagt Friedrich. "Also da haben wir auch schon Fortschritte gemacht."
Aber welches Wetter bräuchte es denn eigentlich, damit wir in Mitteldeutschland eine weiße Weihnacht bekommen? Eine Wetterlage, die uns kalte Luft beschert, antwortet Friedrich auf diese Frage. "Am besten so aus Nordeuropa oder so Nordrussland, denn da ist es kalt." Genau da ist er gerade, der knackig-kalte Winter. Im Norden von Russland liegen die Temperaturen aktuell bei minus 10 bis minus 20 Grad. Im Norden Skandinaviens sehe es ganz ähnlich aus. "Dort liegt auch schon zum Teil 30 Zentimeter Schnee", ergänzt Friedrich. Und genau von dort müsste die Luft zu uns nach Mitteleuropa strömen.
Dann bräuchten wir noch Feuchtigkeit. Das heißt, man braucht auch noch ein Tiefdruckgebiet, das westlich oder südlich von Deutschland liegt und warme und feuchte Luft in höheren Luftschichten über diese kalte Luft schiebt.
Das wäre dann das typische Wetter, bei dem wir es hier zu Weihnachten weiß hätten und bei dem dann Schnee fällt. Und der würde auch liegenbleiben, denn auch die Temperaturen in den Niederungen würden dann tagsüber nicht über null Grad ansteigen. Genau diese Wetterlage hat es auch in den Jahren mit weißer Weihnacht 2010 oder 1981 gegeben, erläutert der DWD-Experte. Und dann wird Schnee natürlich noch mit jedem Meter in die Höhe wahrscheinlicher. Am Fichtelberg im Erzgebirge liege zu Weihnachten in 80 Prozent der Fälle Schnee. "Das heißt, dort hat man in acht von zehn Jahren Schnee." Aber ob es dieses Jahr auch so kommt? Diese Frage kann vor Mitte Dezember eben niemand beantworten.
Woher kommt die Idee von der "weißen Weihnacht"?
In Europa sind weiße Weihnachten also seit Jahrzehnten eher die Ausnahme statt der Regel, wenn man nicht hoch oben in den Bergen wohnt. Wie kommen wir also auf die Idee, dass das das alte Idealbild der Feiertage wäre? Denn betrachtet man die Weihnachtsgeschichte, dürfte diese auch reichlich wenig mit Schnee zu tun gehabt haben: Bei der Geburt von Jesus von Nazareth in Bethlehem – also im Gebiet des heutigen Westjordanlandes in Israel – wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch kein Schnee gelegen haben.
Historikerinnen und Historiker führen die Idee von der kalten, weißen Weihnachtszeit auf das 17. und 18. Jahrhundert zurück, also die Zeit des Barock. Damals herrschte eine sogenannte Zwischenkaltphase – auch "Kleine Eiszeit" genannt – aufgrund derer weiße Weihnachten womöglich die Regel waren. Doch zu dieser Zeit waren Schnee und Kälte für die Menschen noch kein Grund zur Freude: Heizungen, wie wir sie heute kennen, gab es natürlich noch nicht. Das Idealbild der weißen Weihnacht dürfte also erst später nach Ende der kleinen Eiszeit Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sein. So jedenfalls lautet die Hypothese der Schweizer Klimaforscherin Martine Rebetez.
Link zur Untersuchung
Die Untersuchungen von Martine Rebetez zu den Erwartungen der Menschen an weiße Weihnachten können sie hier als pdf downloaden.
(kie)
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