Verhaltensbiologie Hunde und die Angst vor Silvester
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17. November 2024, 05:10 Uhr
Was tun, wenn Hunde Angst vor Knallern haben? Wie kann man einen Hund zu Silvester beruhigen? Wirken Beruhigungsmittel, wenn ja, welche? Oder kann man Hunden die Angst vor Böllern abtrainieren?
Alle Jahre wieder graut es vielen Hundehaltern vor den letzten Tagen und der letzten Nacht des Jahres: Feuerwerkslärm stresst ihre tierischen Mitbewohner. Verhaltensbiologin Dr. Melanie Striemer von der Uni Bern hat das in einer Online-Befragung mit 1.225 Hundehaushalten untersucht. Hundehalter konnten bewerten, welche Methoden im Umgang mit dem Feuerwerk geeignet sind und wie sie das jeweilige Wohlbefinden und Stressreaktionen ihrer Hunde während des Feuerwerkslärms über die Jahre beobachtet hatten. Außerdem erfragte die Wissenschaftlerin, ob und wie Hundehalter ihre Tiere auf Feuerwerkslärm vorbereiteten.
Die Ergebnisse ließen sich grob in vier Kategorien einteilen:
- Umgebungsmodifikationen: also Verstecke anbieten, Räume durch Rollos oder Vorhänge verdunkeln, Musik abspielen
- Füttern und Spielen: Also dem Hund Kau-Objekte und Futter anbieten und mit ihm spielen, während es draußen knallt
- Alternative: Beruhigende Nahrungsergänzungsmittel, Pheromone, pflanzliche Produkte, homöopathische Produkte, Bachblüten und ätherische Öle
- Interaktion: Körperkontakt, streicheln und mit dem Hund sprechen bei lauten Knallgeräuschen
Wie wirkte nun was? Die Besitzer sollten auch die Wirksamkeit der verschiedenen Behandlungsstrategien bewerten. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten stellten 69 Prozent von 202 Haushalten Verbesserungen fest. Für sämtliche Mittel aus der Kategorie "Alternative Produkte" lagen die gemeldeten Erfolgsquoten zwischen 27 und 35 Prozent. Druckwesten wurden von 44 Prozent der Befragten als wirksam beurteilt.
Die Beobachtungen der Hundehalter in dieser Befragung beziehen sich auf verschiedenste Hunderassen und Kreuzungen; 588 Hündinnen und 637 Rüden. Für mehr als die Hälfte der Hunde schätzten die Besitzer an, dass sich ihre Tiere vor Feuerwerkslärm ängstigten.
Wirkt Training gegen die Angst vor dem Böller-Lärm?
Kann man Hunden den Schrecken nehmen, die Angst vor Feuerwerkslärm abtrainieren? Aus Sicht der Hundebesitzer der Online-Befragung war die Methode der Gegenkonditionierung, bei der Hunde nach Knallgeräuschen mit Leckerli belohnt wurden, geeignet. Immerhin 70 Prozent von 694 Hundebesitzern bestätigten danach verändertes Verhalten bei plötzlichen Knallgeräuschen; ähnliche viele wie beim Entspannungstraining (69 Prozent von 433 Haushalten). Abhärtung durch Geräusch-CDs waren von 55 Prozent aus 377 Haushalten als wirksam bewertet worden.
Ein ängstlicher Hund ist ein ängstlicher Hund ist ein ängstlicher Hund ...
Fazit dieser Untersuchung: Gegenkonditionierung, Entspannungstraining und angst-und spannungslösende Medikamente sind offenbar am wirksamsten, wenn es darum geht, Hunden mit Feuerwerksangst durch die lauten Tage und Nächte am Jahresende zu helfen. Allerdings gibt Dr. Juliane Bräuer, Verhaltensforscherin und Forschungsgruppenleiterin Hundestudien an der Universität Jena zu bedenken: "Persönlichkeitsmerkmale von Hunden lassen sich ebenso wie die von Menschen nicht grundsätzlich ändern. Das heißt, wenn Sie einen ängstlichen Hund haben, dann können Sie ihn nicht zu einem sehr gelassenen Hund machen."
Welche Faktoren bestimmen, ob eine Desensibilisierung vor Knallgeräuschen gelingt?
Ähnlich sieht das auch Volker Brandt, Hundetrainer beim Hundesportverein Alach in Thüringen. Ob eine Desensibilisierung vor Knallgeräuschen gelingt, hängt für ihn von verschiedenen Faktoren ab: Zum einen ist da der Hundehalter und dessen Persönlichkeit, sowie der Hund und dessen Persönlichkeit. "Zum anderen Bindung und Emotion zwischen Hund und Halter, die sind das A und O", sagt Volker Brandt.
Welche Rolle spielt das Menschenverhalten?
Grundsätzlich könne man den Hund aufs Silvestergeknalle vorbereiten, sagt Volker Brandt: "Aber das ist ein aufwendiger Prozess. Wenn ein Hund auf Knallgeräusche reagiert, braucht es eine längere Zeit." Am besten macht das die Bezugsperson des Hundes, der der Hund vertraut und zu der eine Beziehung besteht, erklärt Brandt und führt aus: "Eine starke Persönlichkeit mit Fachverstand schafft das schneller, als wenn ich selber ängstlich bin.
Das Schlimmste, was man machen könne, so Brandt: "Bei jedem Knall selbst zusammenzucken, extrem am Hund herumstreicheln, dann übertrage ich die Angst vor dem Knall auf den Hund. Sieht mein Hund aber, aha, mein Lenker hat auch keine Angst: Dann reagiert er auch nicht. Hunde richten sich nach ihrem Leader im Rudel, der bestimmt, wo es langgeht. Hunde wollen dessen Verhalten adaptieren und dessen Wohlfühlmodus."
Wie Knallgeräusche Alltag für den Hund werden
Wie funktioniert die Desensibilisierung? "Man muss das vorbereiten, in bestimmtem Abstand zum Hund macht eine zweite Person laute Knallgeräusche, zum Beispiel 50 Meter weit weg, und jedes Mal, wenn es knallt, gibt es ein Leckerli." So beschreibt Volker Brandt das Prozedere und rät: "Dann, nach einer Woche, wird der Abstand um ein Viertel verringert."
Wichtig dabei: "Es darf noch nicht das Super-Leckerli sein! Wenn der Hund stark reagiert, nehme ich anderes Motivationsleckerli, damit das eine Bedeutung bekommt. So verwandelt sich das Knallgeräusch zum Alltagsgeräusch." Damit das Erlebnis mit dem Knall eine besondere Freude wird, sollte es kein Alltagsfutter, sondern etwas Besonderes sein, sagt der Experte.
Und wie lange vorher sollte man anfangen, den Hund auf Silvester vorzubereiten?
Desensibilisierung braucht Zeit. Volker Brandt sagt: "Mindestens in Vierteljahr vorher sollte man schon anfangen." Wer nun also im November startet, ist mit der Methode also recht spät. Wie schnell so ein Training schlussendlich greift, hängt aber auch von den Führungsqualitäten der Hundehalter ab.
Ist Wegfahren eine Option?
Kann man dem Hund trotzdem Silvester noch irgendwie den Schrecken nehmen, zum Beispiel Wegfahren in knallfreie Quartiere? Brandt lacht: "Das habe ich mal gemacht. In der Ferienanlage wurde wirklich nicht geböllert. Aber halt draußen herum..." Und auch der Hundetyp spiele eine Rolle, sagt Brandt: "Was für ein Typ ist der Hund – Pessimist oder Optimist? Der optimistische Hundetyp, der gern mit Umweltreizen umgeht, der neugierig ist, gern lernt, der ist leichter zu sensibilisieren. Hunde, die in die Vermeidung gehen, also zu den pessimistischen zählen, brauchen eher länger."
Wie lange hält so eine Desensibilisierung?
Und wie lange hält die Desensibilisierung vor? "Wenn man das einmal ordentlich gemacht hat, kann das ganze Leben wirken", sagt Volker Brandt. Und wenn man es gar nicht hinkriegt, dann vielleicht doch professionelle Hilfe holen.
Links/Studien
Hier lesen Sie die Studie Effectiveness of treatments for firework fears in dogs
lfw
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Brisant | 04. November 2024 | 18:00 Uhr
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