Medizinerin trägt etwas in Impfausweis eines Patienten ein. Beide mit Schutzmaske. 1 min
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MDR FERNSEHEN Mi 13.12.2023 15:32Uhr 01:06 min

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Covid-19 Corona-Auffrischimpfung: Impfwilligen fehlt es an Angebot

20. Dezember 2023, 13:01 Uhr

Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und der Hausärzteverband über fehlende Nachfrage klagen, finden manche Impfwillige nur mit Mühe die Möglichkeit zur Corona-Auffrischimpfung. Wo hakt es?

Ein paar Monate, viele Telefonate und Nerven habe es gekostet, bis sie die Corona-Auffrischimpfung bekam. Agnieszka Ottawa wollte sich wegen ihrer Schwerbehinderung und vieler Kontakte erneut gegen Covid-19 impfen lassen. Sie ist 32 Jahre alt. Zu jung für eine vierte Impfung, meinte ihre Hausärztin. Die Sprechstundenhilfe riet, sie solle es beim Gesundheitsamt versuchen. Dort erhielt Agnieszka Ottawa den angepassten Impfstoff vor gut drei Wochen.

Geschichten wie ihre kursieren in den sogenannten sozialen Medien: Von Menschen, die sich impfen lassen wollen, aber nicht können. Von Bewohnerinnen im Pflegeheim, die nicht mehr als insgesamt drei Impfungen erhalten. Von Über-80-Jährigen, die seit Impfung Nummer 4 weggeschickt werden. Von Unter-60-Jährigen mit Vorerkrankungen und vier Impfungen, die der Hausarzt damit für "massiv überversorgt" hält.

Die Corona-Impfung auffrischen

Menschen, die der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wahrscheinlich bei seinen Appellen im Sinn hat, sich erneut impfen zu lassen. Weil die Wirkung der verabreichten Impfungen mit der Zeit nachlasse, sollten gerade Ältere sowie Menschen mit Vorerkrankungen oder Immunschwäche sich durch eine Auffrischung schützen. Sie sind für einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion besonders gefährdet und eine weitere Impfung kann sie davor bewahren. Die aber in einigen Fällen Schwierigkeiten haben, ein Impfangebot zu finden.

Das Bundesgesundheitsministerium hat laut Anfrage von MDR Wissen keinen Überblick, wie viele Praxen in Deutschland gegen Covid-19 impfen.

Die meisten Praxen sollen impfen

Von Seiten des Hausärzteverbandes heißt es: Der allergrößte Anteil der hausärztlichen Praxen biete die Auffrischimpfung generell an. Die Nachfrage sei bedauerlicherweise in Summe verhalten.

Bislang haben sich (Stand 12.12.23) nur 62,70 Prozent die für alle Erwachsenen empfohlene dritte Impfung geholt. Die gerade für Risikogruppen wichtigen weiteren Auffrischimpfungen, für die es seit vergangenem Jahr an aktuellere Coronaversionen angepasste Impfstoffe gibt, sind noch weniger gefragt: Nur 41 Prozent der Menschen über 60 Jahren haben mindestens eine vierte Impfung erhalten.

Erste Anlaufstelle für eine Auffrischungsimpfung ist die hausärztliche Praxis, aber auch Betriebsärztinnen und Fachärzte oder Apotheken machen Angebote.

Corona-Impfung für Risikogruppen

Trotzdem gibt es offenbar etliche Menschen der Risikogruppen, denen die Auffrischimpfung verweigert wird. "Wir erfahren, dass viele Mühe haben, Termine für eine Impfung zu vereinbaren oder dass ihre Hausärzte grundsätzlich nicht gegen Covid-19 impfen", sagt Norbert Missel, Allgemeinmediziner aus Dresden. "Ich bin sehr pro-impfen." Fast 10.000 Menschen seien inzwischen in seiner Praxis gegen Covid-19 geimpft worden. "Von mir bekommen Impfwillige nach einem Aufklärungsgespräch über die Vor- und Nachteile der Impfung ein 'Ja, gerne'." Es sei denn, Vorerkrankungen sprächen dagegen. Mehr als die Hälfte der Termine über das Online-Buchungssystem der Praxis gingen an Interessierte, die nicht zum Patientenstamm gehören. "Wir sind offen für alle", sagt Missel. Wöchentlich würden in seiner Praxis 30 bis 40 Personen gegen Covid-19 geimpft. Bei Bedarf schalte er weitere Termine frei.

Seit dem 18. September 2023 ist der erste an die neuen Varianten von Covid-19 angepasste Impfstoff in Deutschland verfügbar. Welche Bevölkerungsgruppen davon Gebrauch machen sollten, zählt die Ständige Impfkommission (Stiko) vom Robert Koch-Institut auf. Die Experten des unabhängigen Gremiums arbeiten ehrenamtlich und entwickeln anhand von Forschungserkenntnissen Impfempfehlungen – gegen Covid-19, aber auch gegen Grippe, Tetanus, Masern.

Stiko-Empfehlungen zur Covid-19-Impfung

  • Über-60-Jährigen,
  • Vorerkrankten, die zum Beispiel aufgrund von Asthma, Bluthochdruck oder Diabetes besonders gefährdet sind, schwer an Covid-19 zu erkranken,
  • Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen,
  • Personal in medizinischen Einrichtungen oder auch
  • Angehörigen von Personen, die stark gefährdet sind.

Eine "einigermaßen weit gefasste" Empfehlung, zu der viele Menschen gehören, meint Robin John. Der Allgemeinmediziner aus Schönebeck/Elbe impft deshalb täglich gegen Covid-19. "Wir sprechen alle unsere Patienten an. Aber wir haben nicht jedes Mal die Zeit, Überzeugungsarbeit zu leisten", sagt er. Denn einige Patientinnen und Patienten seien sehr skeptisch gegenüber der Impfung. Offenbar glaubten viele weiterhin, eine Impfung schütze auch vor einer Infektion und seien dann enttäuscht, wenn sie sich dennoch ansteckten.

Hoher organisatorischer Aufwand für Praxen

Auf der Internetseite einer Fachärztin in Arnstadt steht: "Aufgrund der momentan gesunkenen Nachfrage und der dafür gestiegenen Komplexität der Beschaffung der mittlerweile unzähligen Varianten von Covid-Impfstoffen und deren unterschiedlichen Dosierungs-, Vorbereitungs- und Impfschemata, können wir Ihnen leider im Moment keine Impftermine in unserer Praxis anbieten."

Ein Hausarzt aus Erfurt erzählt, einige Kolleginnen und Kollegen scheuten den organisatorischen Aufwand. Denn der angepasste Impfstoff sei nicht in Einzeldosen erhältlich und so müsse man immer eine Gruppe von Menschen zusammenrufen, um nichts zu verschwenden.

Der Hausärzteverband bestätigt gegenüber MDR Wissen, der Aufwand bei der Corona-Auffrischimpfung sei unter anderem auch wegen der Dokumentationspflichten extrem hoch.

Impfung schützt vor schwerem Verlauf, nicht vor Infektion allgemein

Eine weitere Herausforderung für Impfwillige und Ärzte scheint die Zwölf-Monatsfrist zu sein. Denn die Stiko empfiehlt einen Abstand von mindestens zwölf Monaten zwischen einzelnen Corona-Impfungen, beziehungsweise zur letzten bekannten Infektion. Häufigere Auffrischungen seien nicht notwendig, weil der Schutz vor schweren Erkrankungen durch diese Regelung ausreichend sei.

Betroffene sagen, sie seien in hausärztlichen Praxen abgewiesen worden, weil der letzte Viruskontakt erst zehn Monate zurückliege.

12-Monatsfrist: Wie lange schützen Corona-Impfung oder Infektion?

Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung heißt es: Wie lange der Schutz tatsächlich anhält und wie zuverlässig er ist, könne im Einzelfall nicht vorhergesagt werden und es variiere stark von Person zu Person.  

Für andere Bevölkerungsgruppen besteht derzeit laut Stiko keine Notwendigkeit zur Auffrischimpfung. Der Großteil der Bevölkerung ist bereits mehrfach geimpft und hat aufgrund zusätzlich durchgemachter Covid-Infektionen eine gute Basisimmunität erworben. Trotzdem gibt es Menschen, die sich durch einen aufgefrischten Impfschutz schützen wollen – zum Beispiel vor Long Covid. Aber in vielen Praxen oder Impfstellen ginge das nur nach den aktuell gültigen Richtlinien der Stiko, heißt es ernüchtert in den sozialen Netzwerken. Da brauche man es also gar nicht erst zu versuchen. 

Stiko-Empfehlung als Leitplanke

Die Stiko-Empfehlungen sind zwar nicht verpflichtend, gelten aber für viele Ärztinnen und Ärzte als Leitplanke. Die Behandelnden würden immer die Empfehlung, den möglichen Nutzen und die Nebenwirkungen einer Impfung in ihre Beratung mit einbeziehen, sagt Berit Lange. Sie leitet die Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Dieses Vorgehen sei nicht ungewöhnlich und gelte bei jeder Impfung. "Hausärztinnen und -ärzte kennen ihre Patienten am besten. Sie prüfen, ob etwas gegen eine Impfung spricht. Zum Beispiel bei Allergien oder wenn jemand stark auf eine schon verabreichte Impfung reagiert hat", sagt Lange gegenüber MDR Wissen. Dennoch können die Behandelnden je nach Patientin oder Patient vom Stiko-Rat abweichende Entscheidungen treffen. "Wenn es keine Kontraindikation gibt, sollten Menschen die Impfung bekommen können."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 06. Dezember 2023 | 06:05 Uhr