Anomalie im Gehirn Plötzlicher Kindstod kann eine biologische Ursache haben
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29. Januar 2024, 15:28 Uhr
Der plötzliche Kindstod – auch als Sudden Infant Death Syndrome, kurz SIDS bezeichnet – ist ein unerwarteter Tod, der bei gesunden Babys vor dem ersten Lebensjahr auftritt, meist ohne erkennbare Ursachen und im Schlaf. Für viele Eltern ist das ein bedrohliches Szenario. Die Forschung versucht seit Jahren, die Ursache zu finden – und hat jetzt eine Anomalie im Gehirn entdeckt.
Im vergangenen Jahr sorgte eine Meldung aus Australien für Aufsehen: Ein Forschungsteam um die Biochemikerin Dr. Carmel Harrington hatte herausgefunden, dass die Aktivität des Enzyms Butyrylcholinesterase (BChE) bei Babys, die am Plötzlichen Kindstod starben, signifikant niedriger war als bei lebenden Säuglingen oder Babys, die aus anderen Gründen verstorben waren. Das Enzym ist wichtig für die Kommunikation im Gehirn und könnte den Erregungsweg zwischen Atmung und Schlaf beeinflussen, so die Forschenden damals.
Plötzlicher Kindstod: Stecken dahinter Anomalien im Gehirn?
Eine aktuelle Studie findet nun eine mögliche weitere biologische Ursache für den Plötzlichen Kindstod: Mithilfe von Gewebeproben aus dem San Diego Medical Examiner’s Office untersuchte das Team um Robin Haynes die Hirnstämme von 70 Säuglingen, die zwischen 2004 und 2011 gestorben waren. Wie auch das Team aus Australien im letzten Jahr vermuten die Forschenden, dass die Ursache für den Plötzlichen Kindstod im Gehirn zu finden ist. Allerdings an anderer Stelle: Der Serotonin-2A/C-Rezeptor war bei allen betroffenen Säuglingen verändert. Aus Studien mit Nagetieren lässt sich ableiten, dass der Rezeptor eine entscheidende Rolle bei der Atmung im Schlaf spielt und auch für die sogenannte Autoresuszitation, also das Einsetzen eines körpereigenen, automatischen Wiederbelebungsmechanismus, verantwortlich ist. So schützt der Serotonin-2A/C-Rezeptor im Schlaf den Sauerstoffstatus des Gehirns.
SIDS: Wie hängen die Hirn-Anormalien mit dem Tod zusammen?
Der Zusammenhang zwischen diesen Anomalien in den Gehirnen der verstorbenen Säuglinge und der Todesursache bleibe aber bislang unbekannt, betont der Hauptautor der aktuellen Studie, Robin Haynes. Ein möglicher nächster Schritt sein nun, die Folgen der Anomalien im Serotonin-2A/C-Rezeptor im Kontext eines größeren Netzwerkes an Serotonin- und Nicht-Serotonin-Rezeptoren zu bestimmen. Diese Rezeptoren schützen lebenswichtige Funktionen bei der Herz- und Atemkontrolle.
Plötzlicher Kindstod: Wie können Eltern vorbeugen?
Bislang gibt es aber keine Möglichkeit, bei lebenden Säuglingen festzustellen, ob die entsprechenden Anomalien beim Serotonin-2A/C-Rezeptor vorliegen, deshalb raten Forschende weiterhin dazu, einige Richtlinien für einen sicheren Schlaf von Kinder unter einem Jahr zu beachten. Eltern sollten ihre Kinder möglichst in einem eigenen Bett auf den Rücken legen, es im Kinderbett nicht zu warm werden lassen sowie keine Spielsachen und Decken während des Schlafens im Kinderbett lagern. Besser ist womöglich ein Schlafsack für Säuglinge.
Wie häufig kommt Plötzlicher Kindstod in Deutschland vor?
Auch in Deutschland gibt es noch immer zahlreiche Todesfälle durch Plötzlichen Kindstod bei Säuglingen unter einem Jahr. Im Jahr 2020 sind dem Universitätsklinikum Bonn zufolge 84 Babys verstorben. Doch die Zahl geht deutlich zurück, Ende der 1980er-Jahre waren es noch mehr als 1.000 Kinder pro Jahr – Eine Ursache für den Rückgang ist vermutlich das Einhalten sicherer Schlafpraktiken.
Links/Studien
Die Studie Altered 5-HT2A/C receptor binding in the medulla oblongata in the sudden infant death syndrome (SIDS): Part I. Tissue-based evidence for serotonin receptor signaling abnormalities in cardiorespiratory- and arousal-related circuits ist hier zu finden.
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Dieses Thema im Programm: MDR JUMP am Wochenende | 22. Mai 2022 | 14:30 Uhr