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Drei Software-Entwickler aus Dessau wollten eigentlich nur einfach gärtnern. Daraus entsprang die Idee für eine Online-Datenbank für Pflanzen, die nebenbei auch die Natur erhalten will und die Artenvielfalt schützt.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 02.08.2024 09:03Uhr 04:08 min

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Pflanzen-App Pflanzendatenbank aus Dessau hilft beim naturnahen Gärtnern

15. Oktober 2024, 12:43 Uhr

Besitzen Sie einen Blumentopf oder gar ein Fleckchen Erde und fragen sich: Welche Pflanze soll da nun hinein? Schön soll sie sein und am besten noch Futter liefern für Bienen, Schmetterlinge und Co.? Aber der Dschungel des nachhaltigen Gärtnerns ist dicht und unübersichtlich. Drei Software-Entwickler aus Dessau haben daher eine Art Kompass erstellt: Eine Online-Datenbank für Pflanzen für Hobbygärtner, Profis und Laien.

Wenn es um die Rettung bedrohter Arten geht, seien es Pflanzen oder Tiere wird viel Hoffnung in Gärten gesteckt. Hier kann auf kleinem Raum angepflanzt und angelockt werden, was da draußen in der Natur keinen Platz mehr zu haben scheint. Seien es heimische Wildpflanzen, von denen mittlerweile fast ein Drittel gefährdet sind, laut der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Algen. Oder die Insekten, die auf diese Arten angewiesen sind.

Nur, was und wen eigentlich genau? Welche Pflanzen fliegen Biene, Schmetterling und Co. wirklich an? Muss es immer heimisch sein? Und wo startet eigentlich heimisch, an den Alpen oder an der Stadtgrenze? Ist Unkraut automatisch gut für Insekten? Der Dschungel des nachhaltigen Gärtnerns ist dicht und als Laie kann man sich schnell verirren.

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Welche Pflanze passt zu welcher?

Das haben vor rund vier Jahren auch die die Software-Entwickler Markus Wichert, Sebastian Hadj Ahmed und Thomas Puhlmann aus Dessau festgestellt. Genervt vom pflegeintensiven und dennoch gelben Rasen machten die drei sich auf die Suche nach Alternativen und kamen schnell auf heimische Wildstauden. Die sind schließlich an die Gegebenheiten vor Ort angepasst und kommen häufig auch mit Trockenheit besser zurecht. Nur welche Pflanzen sind eigentlich in Dessau heimisch? Wie wachsen sie? Wie sehen sie aus? Und welche bringen dann auch wirklich Punkte, wenn man damit Insekten anlocken möchte?

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An solche Informationen zu kommen, war nicht einfach, erinnert sich Thomas Puhlmann: "Es gab unzählige Onlinequellen, aber es war meistens immer nur Stückwerk." Jedes Thema, jede Beet-Situation war anders, die Frage welche Pflanze passt zu welcher auch nach der x-ten Webseite nie leicht zu beantworten. "Teilweise gab es auch Bücher, aber das war ein sehr aufwändiger Prozess." Aber er brachte die drei zu der richtigen Schlussfolgerung. Und die lautete, so Puhlmann: "Das geht noch einfacher."

Mit Tabellen fing es an

Es entstanden erst Excel-Tabellen und dann die Idee, diese auch anderen zur Verfügung zu stellen, in Form einer Webseite: Naturadb.de. Das DB steht für Datenbank und in dieser finden sich Blumen, Gehölze, Bäume, Gräser, alles was im Garten oder im Blumentopf wachsen kann. Zu jeder Pflanze gibt es ein Profil. Das verrät nicht nur die beliebten Gartenfakten, wie Blütenfarbe und Bodenansprüche, sondern auch den ökologischen Wert der Pflanze, etwa wie viele Wildbienen die Blüte aufsuchen oder welche Käfer sich von ihnen ernähren, ob es sich um ein Vogelschutzgehölz handelt, ob die Pflanze gefährdet ist und wo genau sie in Deutschland tatsächlich heimisch vorkommt. Kleine Hinweisschilder markieren "Super Insektenpflanzen". Rote Markierungen dagegen warnen vor invasiven Arten. Links zeigen an, bei welchen Gärtnereien die Pflanze online gekauft werden kann.

Und so liefert die Seite einen Kompass durch den Wirrwarr der als Insektenfreundlich angepriesenen Baumarktpflanzen, des wildwachsenden Unkrauts und der Blumen, die man eben schon immer so in Gärten gepflanzt hat. Die drei Entwickler sehen sie auchWerkzeug zum Vergleichen, Experimentieren und Abwägen. Nicht jede heimische Pflanze ist automatisch eine super Insektennahrungsquelle. Und manche Stauden und Sträucher sind vielleicht nicht von hier, bieten aber dennoch einen gewissen ökologischen Wert.

Was wächst heimisch vor meiner Haustür?

Nur weil eine Pflanze in Deutschland heimisch ist, bedeutet das nicht, dass sie auch vor der eigenen Haustür wächst. Wer es also genau nehmen will, sollte keine Pflanzen aus der Alpenregion in einen Küstengarten pflanzen, sagt Naturadb-ler Thomas Puhlmann. Insekten, die auf solche Pflanzen spezialisiert sind, werden den Weg nicht auf sich nehmen.

Was wächst also in meiner Stadt oder in meiner Region? Dafür haben sich die Dessauer einen Trick einfallen lassen: Unter dem Reiter "Naturgarten" kann als Suchfilter die eigene Postleitzahl eingegeben werden. Die Seite spuckt dann Pflanzensorten aus, die dort natürlicherweise vorkommen.

Bestandsaufnahme: Kann das weg oder darf das bleiben?

Vielleicht lohnt sich aber schon ein Blick in den eigenen Garten. Welche Pflanzen kommen da vor, ohne dass man sie gepflanzt hat? Auch hier kann die App eingesetzt werden. Sie funktioniert dann wie eine herkömmliche Pflanzenerkennungs-App und liefert gleich die Informationen aus den Datenbank-Profilen. Denn Obacht! Nur weil etwas wild wächst, ist es nicht automatisch eine heimische Wildstaude. Es könnte auch ein invasiver Neophyt sein.

Jetzt kann man mit der Datenbank auch ein bisschen spielen. Dafür empfiehlt Thomas Puhlmann die Listen-Funktion von Naturadb. Die kann als Merkliste dienen für Pflanzen, die man interessant findet. Man kann damit aber auch den kompletten Bestand des eigenen Gartens aufnehmen. "Das ist zwar ein bisschen aufwändig", sagt Puhlmann, hat aber einen großen Vorteil. "Wenn man all seine Pflanzen des Gartens erfasst, dann bekommt man eine Art ökologischen Indikator dafür, wie wertvoll der eigene Garten ist."

Die Übersicht zeigt dann an, wie viele Insektenarten der eigene Balkon oder der Garten in der Theorie ernährt. Solche Garten-Übersichten sorgen in manchen Gartenforen sogar für ein regelrechtes Wettpflanzen, erzählt Puhlmann: "Die machen dann einen Screenshot von ihren Endresultaten und dann battlen die sich richtig und sagen: Wer kann meinen Garten übertrumpfen? Das ist ein spielerischer Ansatz, der letztlich dem Naturschutz zu Gute kommt."

Ziel: Natur erhalten

Geld verdienen die drei Dessauer mit ihrer Pflanzendatenbank nicht. Es sei mehr Idealismus, sagt Thomas Puhlmann. Es gehe ihnen darum Natur zu erhalten für ihre Kinder und später vielleicht Mal Enkelkinder. Gerichtet ist sie daher explizit an jeden und jede, sagt Thomas Puhlmann: "Das kann ein Topf sein, das kann ein Balkongärtner sein. Das kann der normale Hausgärtner sein, Schrebergärtner oder auch der Mitarbeiter in der kommunalen Grünpflege."

Dass die drei damit einen Nerv getroffen haben, zeigen die Reaktionen. Der Newsletter hat bereits 24.000 Abonnenten, freut sich Puhlmann. "Also mittlerweile wird Naturadb gerade auf facebook und instagram als Quelle verwendet. Viele schreiben Naturadb ist ihre persönliche Bibel, was uns natürlich schmeichelt."

Woher stammen die Daten?

Damit die Daten auch Hand und Fuß haben, gleichen die Dessauer ihre Recherchen regelmäßig ab, so Puhlmann. Dazu sind die drei im regen Austausch mit Experten zu dem Thema, und damit sind nicht nur Pflanzenexperten gemeint, sondern auch Entomologen, also Insektenforscher. "Und die Informationen als solche sind auch viel von öffentlichen Quellen, wie vom Bundesamt für Naturschutz, beispielsweise." Das Amt betreibt mit Floraweb eine eigene Plattform, zu "Verbreitung, Areal, Gefährdung, Schutz, Taxonomie und Nomenklatur sowie Biologie und Ökologie der wildwachsenden Farn- und Blütenpflanzenarten (Phanerogamen) Deutschlands", heißt es auf der Webseite.

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Pflanzen – ein riesiges Potential

Naturadb steht noch am Anfang. Aber immerhin haben aktuell schon mehr als 10.000 Nutzer die App allein auf ihre Android-Geräte heruntergeladen. Wie groß das Potential von Pflanzen ist, zeigt Flora Incognita. Die Pflanzenerkennungs-App aus Ilmenau und Jena ist (Stand August 2024, Android) bereits auf mehr als fünf Millionen Geräten installiert. Sie generiert dabei so viele Daten, dass diese mittlerweile sogar wissenschaftlich ausgewertet werden können.

Alle Links auf einen Blick

NaturaDB gibt es als App für Android und iOS
Hier kommen Sie zum Floraweb.
Neben Flora Incognita (Android, iOS) gibt es inzwischen zahlreiche Apps, die Pflanzen maschinell erkennen können, wie zum Beispiel das französische PlantNet – ebenfalls Teil eines Citizen Science-Projekts – oder das kommerzielle PictureThis. Teilweise ist eine einfache Erkennung auch bereits im Betriebssystem des Smartphones integriert.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. August 2024 | 15:45 Uhr

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