Ozeanografie 3, 4 oder 5 – kennen Sie alle Ozeane?
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02. August 2021, 12:02 Uhr
Drei Ozeane kennen die meisten, vier zumindest einige. Je nachdem, wie gut man in der Schule eben aufgepasst hat. Die Familie der Weltmeere hat jetzt aber Zuwachs bekommen. Nur, ist überhaupt noch Platz für einen weiteren Ozean auf der Erde? Und wie wird man eigentlich zum Weltmeer?
- Es gibt verschiedene Ansichten, was ein Ozean ist und was nicht
- In der gängigen Zählweise sind es nun fünf statt bisher vier
- Ein Ozean muss sich klar von anderen Ozeanen unterschieden, um überhaupt einer sein zu dürfen – das letzte Wort haben aber Kartenwerke
Das ist jetzt quasi so ein Moment wie 2006, der nun wirklich jeden Menschen leicht betroffen machte, der sich auch nur ein kleines bisschen mit dem Wesen unseres Sonnensystems auseinandergesetzt hat: Die Internationale Astronomische Union hatte entschieden, dass Pluto kein Planet mehr sei, sondern nur noch ein Zwergplanet. Ein Merksprüchlein* verlor plötzlich seine Gültigkeit und unser näheres Weltraumumfeld einen treuen Gefährten, der ohnehin schon ein Underdog war – und vielleicht deshalb so beliebt.
Jetzt ist zwar wieder so ein Moment. Das Gute ist aber, dass die neue Situation das betroffene Objekt aufwertet. Aus gutem Grund. Denn während die meisten durch den Erdkundeunterricht oder wahlweise durchs Was-ist-Was-Büchlein verinnerlicht haben dürften, dass auf der Erde drei oder vier Ozeane existieren, sind es spätestens seit Juni dieses Jahres fünf.
Einmal durchzählen, bitte.
Drei oder vier? Sie sehen, da geht's schon los. Das Thema Ozeane – wir reden ja hier noch gar nicht von den historischen Weltmeeren – ist so eins, bei dem sich die Menschheit nicht festlegt, sondern lieber von unterschiedlichen Modellen ausgeht. Also drei kennt zumindest jeder.
Überlegen Sie mal kurz – und dann hier tippen/klicken
So sieht's aus, darauf sind Sie wahrscheinlich selbst schon gekommen:
- Atlantischer Ozean: Unser Hausweltmeer direkt an der europäischen Westküste und auch der afrikanischen. Auf der anderen Seite liegen Nord und Südamerika.
- Pazifischer Ozean (auch Stiller Ozean): Die mächtige Wassermasse zwischen Asien im Westen und den Amerikas im Osten. Mittendrin: Die Südsee.
- Indischer Ozean: Der Kleine (hüstel) mit den warmen Wassertemperaturen: Östlich von Afrika, westlichen von Indonesien und Australien – und vor allem südlich von Indien.
Schauen wir kurz auf die Erde, so sieht das nämlich aus:
Minimalisten reicht das im Grunde schon. Aber nur denen, deshalb stellt sich die Frage: Welcher ist Ozean Nummer vier?
Denken Sie scharf nach – Sie schaffen das!
Ganz im Norden der Erde findet der sich:
- Arktische Ozean: Wenn man die Erde "von oben" mit dem Nordpol im Zentrum betrachtet, wird dieses Weltmeer von Nordamerika, Nord-Asien, Nordeuropa und Grönland umschlossen.
Das Wasser dort war im übrigen mal süß. Cool, oder?
Nun soll natürlich nicht alles, was ein bisschen Wasser hat, gleich Ozean heißen dürfen. Aber in den letzten Jahren hat sich ein Kandidat herauskristallisiert, der nicht zuletzt im Diskurs um die Erderwärmung eine prominente Rolle spielt.
Kommen Sie drauf, welcher der fünfte Ozean ist?
Joa … wenn es einen ganz im Norden gibt, warum nicht auch im Süden?
- Südlicher Ozean (auch Antarktischer Ozean): Anders als die anderen Weltmeere, wird er nicht von Landmasse umschlossen, sondern von anderen Ozeanen – und umschließt dabei den Antarktischen Kontinent.
Dazu noch mal ein Blick auf die Weltkugel:
Obwohl der Name Südlicher Ozean schon im Jahr 2000 festgelegt wurde, kommt die Anerkennung erst jetzt so richtig in Gange. Moment, wer hat hier was festgelegt?
Die Internationale Hydrografische Organisation war das. Das ist eine Einrichtung mit derzeit 74 Mitgliedsstaaten, die vor allem weltweite Standards im Bereich Seekarten und Ozeanografie schafft.
Karten haben halt eine ziemliche Macht.
Warum Karten so mächtig sind? Schauen Sie mal hier!
Eine Kugel flach darzustellen ist nicht so leicht. Durch die gängige Mercator-Projektion werden proportionale Verzerrungen verursacht, die Afrika und Südamerika ziemlich klein erscheinen lassen.
Und was in Karten steht, das stimmt irgendwie einfach. Eine, die sich mit Karten ganz gut auskennt, ist die US-amerikanische National Geographic Society. (Das sind die, die das Magazin mit dem gelben Rand herausgeben und gleich passenderweise auch ein Logo haben, das aus einem gelbem Rand besteht.) Die Gesellschaft veröffentlicht seit Anfang des 20. Jahrhunderts international beachtete Kartenwerke und hat am 8. Juni dieses Jahres, dem Welttag der Ozeane, verkündet: Der Südliche Ozean ist ab sofort den anderen vier gleichgestellt. In der Kartografie bedeutet das: gleiche Schriftart, gleiche Schriftgröße und gleiche Farbe. (In Mitteldeutschland hatten wir so einen Fall zuletzt 2019, als die B6 zur Nordharzautobahn A36 wurde. Die Straße blieb die selbe, nur die Schrift ist jetzt eine andere.)
Okay, National Geographic hat das für sich entschieden. Nun sind wir ja auf der Erde ziemlich liberal aufgestellt, was Kartenwerke betrifft – zum Glück –, darum steht die Frage im Raum: Wie handhaben es die anderen? Also vor allem die mächtigen Onlinekartendienste?
Apple Maps/Google Maps
Die beide großen Player scheinen sich weitestgehend abgesprochen zu haben: Beide Anbieter teilen die großen Ozeane Pazifik und Atlantik noch einmal in einen nördlichen und südlichen Teil, auch ein gängiges Modell. Beide verzeichnen auch einen Arktischen Ozean. Aber: Während Google den Südlichen Ozean bereits in sein Kartenmaterial aufgenommen hat, fehlt bei Apple davon bisher jede Spur. Beide Karten werden allerdings kontinuierlich überholt, schnelle Änderungen sind möglich.
OpenStreetMap
OSM wird gern als das Wikipedia unter den Kartendiensten verstanden und steht für: freie Karten von allen für alle. Eine gute Idee. OSM ist allerdings auch nur eine Datengrundlage. Wie die Karten aussehen, bestimmen die Angebote, die die Daten nutzen. Unter sechs Stichproben** waren nur zwei, die den Namen der Ozeane direkt anzeigen – auch den Südlichen. In einer Kartensuche auf OSM-Basis auffindbar ist der aber immer.
Schulbildung: Diercke Weltatlas
Das Kartenwerk aus dem Verlagshaus Westermann hat in Deutschland keinen ganz unerheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Welt und ist in der Schulbildung seit dem 19. Jahrhundert verankert. Auf der Website verkündet man freudig die Geburt des fünften Ozeans. Während der Verlag im Text teilweise noch von drei Weltmeeren spricht, sollte trotzdem besiegelt sein, dass in den kommenden Auflagen und Erdkundestunden es derlei fünf sein werden.
Ab wann ist ein Meer ein Ozean?
Während beim Pazifik nie jemand auch im entferntesten anzweifeln würde, dass es sich um einen Ozean handelt – pardon, dass es sich um DEN Ozean handelt – ist das beim Südlichen Ozean eine etwas andere Geschichte. Denn dieser augenscheinliche Faktor, dass es sich um eine zwischen Landmassen eingequetschte sehr große Wassermasse handelt, zieht nicht. Am Südpol sieht die Sache so aus: Hier liegt der Kontinent Antarktika, der von einem kalten Meer mit allerlei Packeis eingeschlossen wird.
Und auch wenn Ozean und Süden nach allerlei Wonne klingt – das sind jetzt eher so die Breiten, in denen es unbehaglich wird: Der Südliche Ozean bezeichnet die Wassermassen, die südlich des 60. Breitengrades liegen, also das Meer innerhalb der Antarktis. (Nur, damit's keine Verwirrung gibt: Antarktis ist die Region, Antarktika der Kontinent.) Nördlich davon – und auch das macht den Südlichen Ozean einzigartig – grenzen gleich drei Ozeane an. Sie wissen ja welche.
Kleine Vokabelkunde Das Wort Ozean stammt aus dem Altgriechischen: Okeanos. Dass es keine sehr neue Vokabel ist, zeigt sich auch in der Übersetzung: "der die Erdscheibe umfließender Weltstrom".
Dem vorausgegangen ist allerlei geografisches Nerdtum, so formuliert man das zumindest bei National Geographic. Bei Erdkundlerinnen und Erdkundlern stand die Frage im Raum, ob die Gewässer ganz im Süden des Planeten genug eigenständige Charakteristik haben oder einfach nur die kalten Verlängerungen der drei großen Ozeane sind.
Nun ist es so, dass aber nicht nur eine gedachte Linie, der 60. Breitengrad, den Südlichen Ozean von den drei angrenzenden trennt. Eine Meeresströmung sorgt sogar für eine physische Grenze. Das ist der Antarktische Zirkumpolarstrom und nein, dieses Wort müssen Sie sich nicht merken, ACC-Strömung reicht. Dabei handelt es sich um die mächtigste Meeresströmung der Welt, die dabei hilft, die Antarktis kalt zu halten. Das führt auch dazu, dass viele Wassertierarten nur dort leben.
Die Strömung hat außerdem einen großen Einfluss auf das Klima der Erde. Und der Klimawandel möglicherweise auf den Strom, was regional und global sehr ungünstig wäre. Damit sind wir bei einem weiteren Punkt, warum der Südliche Ozean jetzt auch ein richtiger Ozean ist, zumindest von Seiten der National Geographic: Reklame.
Und zwar für den Erhalt dieses fragilen Ökosystems im Süden der Erde, das eben nicht nur eine Eiswüste mit kaltem Wasser ist. Ein eigener großer Ozean kann helfen, diese nahezu von Menschen unbewohnte Region mehr ins Bewusstsein zu rücken.
Damit ein Ozean zum Ozean wird, braucht es also vor allem drei Dinge:
- Wassermassen, die sich irgendwie von anderen Wassermassen abgrenzen lassen: Durch umgebende Landmassen und/oder in ihrer Zusammensetzung
- kartenpolitischen Willen und Ansporn
- Geduld
Geduld? Nun ja. Die Internationale Hydrografische Organisation hat den Südlichen Ozean schon in den 1930ern aktenkundig gemacht, allerdings nur bis in die 1950er-Jahre hinein. Für die Bewohnerinnen und Bewohner dieser frösteligen Gewässer hat sich das Warten jetzt endlich gelohnt – also, hoffentlich, vielleicht.
STOP! Sind's nicht sieben Weltmeere? Ja, zumindest in der Geschichte des Seehandels. Neben den bekannten Ozeanen (außer dem Südlichen), kommen noch drei Mittelmeere hinzu: Unser europäisches, das amerikanische mit dem Karibischen Meer und dem Golf von Mexiko und das australasiatische. So zumindest eine der Sichtweisen.
*Falls Sie sich nicht mehr erinnern: Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten – Merkur, Erde, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto. Na, brauchen Sie sich jetzt auch nicht mehr zu merken.
**Browser-basiert: openstreetmap.org, openstreetmap.de; Apps: Pocket Earth, Mapy.cz, Organic Maps, Bike Citizens
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