Süß statt salzig in der Eiszeit Der Arktische Ozean war einst mit Süßwasser gefüllt
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09. Februar 2021, 13:29 Uhr
Es gibt manche Dinge, die nehmen wir als völlig selbstverständlich hin: Die Sonne ist heiß, der Himmel blau und die Meere sind salzig. Ein Forschungsteam hat 2021 eine überraschende Erkenntnis geliefert. Ihre These: Der Arktische Ozean war zu mehreren Zeitpunkten der Erdgeschichte komplett mit Süßwasser gefüllt. Das stellt alle bisherigen Annahmen auf den Kopf.
Süß oder salzig? Dieser Unterschied ist für einen gesamten Ozean gewaltig und hat weitreichende Folgen. Bislang war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass die Weltmeere immer salzig waren. Nur Seen und Gletscher – also vor allem die Polkappen – dienen als Süßwasserspeicher. Dass es in den Eiszeiten aber mehrmals anders ausgesehen haben muss, das haben nun Forscher des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven und der Universität Bremen belegt.
Gletscherspuren unter Wasser
Grundlage der Untersuchungen sind Sedimentbohrungen, die über einen langen Zeitraum an verschiedenen Stellen gesammelt wurden. Auffälligerweise fehlte hier zu bestimmten Zeiten immer ein bestimmtes Isotop: Thorium. Das ist ein Anzeiger für salzhaltiges Meereswasser. Und etwa in den gleichen Zeiträumen, beobachteten sie auch noch andere Phänomene.
Diese Muster und die Zeiträume (...) decken sich sehr gut mit Beobachtungen, dass bis in tausend Meter Tiefe untermeerische Erhebungen oben durch Gletschereis abgekappt wurden.
Diese Erhebungen seien an ihren Spitzen wie abgesägt und man sehe Gletscherspuren, ergänzt Geibert. "Und diese Gletschervorstöße, die passen zu bestimmten Kaltzeiten mit niedrigem Meeresspiegel, in denen der Austausch mit dem Weltozean extrem eingeschränkt war."
Abgeschnitten von Pazifik und Atlantik
Das Salzwasser fehlte, die Gletscher waren besonders dick und der Meeresspiegel sehr niedrig.
Dieses Zusammenspiel kam nach Ansicht der Forschenden folgendermaßen zustande: Der Arktische Ozean war über zwei Verbindungen mit dem salzigen Weltozean verbunden. Zum Atlantik gab es eine Tiefenwasserverbindung, sagt Prof. Dr. Rüdiger Stein vom Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. Er war maßgeblich an den Expeditionen beteiligt, bei denen die Sedimentproben genommen wurden. Zum Pazifik dagegen war die Verbindung nur flach. Der Meeresspiegel in den entsprechenden Zeiträumen war aber extrem niedrig und die Verbindung zum Pazifik dadurch gekappt. Die Verbindung zum Atlantik sei auf andere Weise gekappt gewesen, erläutert Stein.
Da riegeln wir das damit ab, dass während dieser bestimmten Kaltzeiten der gesamte arktische Ozean vorübergehend mit einem dicken Eispanzer überdeckt war und abgeschlossen wurde, der bis in den Atlantik rausreichte.
Und dann konnte eben kein Salzwasser in die Arktis eindringen und das ganze wurde mit Süßwasser gefüllt, ergänzt Stein. "Süßwasser, das über Flüsse reinkommt oder durch das schmelzende Eis." Aus dem Polarmeer wurde also ein riesiger Süßwassersee.
Kipppunkt bei steigenden Temperaturen
Richtig spannend wurde es aber erst, als sich die Ozeane wieder vermischten. Süßwasser gefriert schneller als Salzwasser und wenn steigende Temperaturen die Eis-Blockade schmelzen lassen und plötzlich Salzwasser unter den Eispanzer fließt, geht alles ganz schnell, sagt Walter Geibert vom Alfred-Wegener-Institut. Ein so genannter Kipppunkt war erreicht. Das Eis taute rapide ab – wobei sich der Prozess selbst beschleunigte –, der Meeresspiegel stieg und der Salzgehalt im Ozean sank, was wiederum die Strömungen erheblich beeinträchtigte. Walter Geibert zieht den Vergleich zur heutigen Zeit:
Wir erwarten jetzt natürlich nicht, dass die Arktis wieder so kalt wird, aber wir haben in der Antarktis Gletscher, die empfindlich auf warmes Salzwasser von unten reagieren und wo wir denken, dass vielleicht jetzt so eine Kettenreaktion gerade in Gang kommt.
Und da sei natürlich spannend, was man in der Arktis sehe. Und Geibert ergänzt: "Außerdem können wir jetzt mit diesem neuen Verständnis besser bestimmte Warmzeiten eingrenzen, in denen der Meeresspiegel ein bisschen höher war als heute." Und damit könnten die Forschenden wiederum einen Blick in die vielleicht ganz nahe Zukunft werfen. Denn der jetzige Klimawandel würde ungebremst noch weitaus stärkere Erwärmungen zur Folge haben als damals, so Geibert.
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