Wissen-News Alkohol, Drogen, psychische Erkrankungen: Genetische Vorbelastung färbt auf Freunde ab
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07. August 2024, 15:38 Uhr
Wenn meine Freunde genetische Vorbelastungen haben, was Alkohol- und Drogensucht oder psychische Erkrankungen betrifft, dann erhöht sich auch für mich selbst das Risiko, davon betroffen zu sein. Zu diesem erstaunlichen Schluss, der ein sogenannter soziogenetischer Effekt ist, kommt eine große Studie, in die Daten von Hunderttausenden jungen Menschen aus Schweden eingeflossen sind.
"Wähle deine Freunde mit Bedacht." Wenn es um Alkohol, Drogen und psychische Probleme wie Depressionen und Angstzustände geht, hat dieser typische Eltern-Spruch offenbar seine Berechtigung, sagt eine neue umfangreiche Studie. Und dabei geht es noch nicht einmal darum, ob diese Freundinnen oder Freunde selbst (schon) betroffen sind, sondern nur um deren genetische beziehungsweise familiäre Veranlagung.
"Die genetische Veranlagung von Gleichaltrigen für psychiatrische Störungen und Substanzkonsum steht in Zusammenhang mit dem eigenen Risiko, im jungen Erwachsenenalter dieselben Störungen zu entwickeln", formuliert Jessica Salvatore, Professorin für Psychiatrie und Hauptautorin der Studie, das wichtigste Ergebnis. "Unsere Daten zeigen, wie weitreichend die sozialgenetischen Effekte sind", so Salvatore weiter. Soziogenomik – der Einfluss des Genotyps einer Person auf die beobachtbaren Merkmale einer anderen – sei ein aufstrebendes Gebiet der Genomik.
Um den Zusammenhang herauszufinden, nutzten Salvatore und ihre Kollegen schwedische Daten aus einer anonymisierten Datenbank mit mehr als 1,5 Millionen Personen, die zwischen 1980 und 1998 geboren wurden. Ort und Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung ihrer Jugend wurden erfasst, ebenso Daten aus medizinischen, pharmazeutischen und juristischen Akten, die den Substanzkonsum und psychische Erkrankungen derselben Personen im Erwachsenenalter dokumentierten. All das wurde mit genetischen beziehungsweise familiären Risiko-Bewertungen von Gleichaltrigen in Verbindung gesetzt.
Selbst bei Kontrolle von Faktoren wie den eigenen genetischen Prädispositionen der Zielpersonen und den sozioökonomischen Faktoren der Familie fanden die Forscher einen klaren Zusammenhang zwischen den genetischen Prädispositionen der Gleichaltrigen und der Wahrscheinlichkeit der Zielpersonen, eine Substanzkonsum- oder psychiatrische Störung zu entwickeln, wobei Alkohol- und Drogensucht noch stärker "abfärbten" als psychische Störungen. Den stärksten Zusammenhang mit späteren eigenen Problemen im Erwachsenenalter gab es laut Studie, wenn man im Alter von 16 bis 19 Jahren eine "vorbelastete" Umgebung hat.
Studienleiterin Jessica Salvatore sagt aber, dass mehr Forschung nötig ist, um zu verstehen, warum diese Zusammenhänge bestehen. Eine naheliegende Erklärung sei zwar, dass die familiäre "Vorbelastung" von Gleichaltrigen im Freundeskreis auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass diese das "vererbte" Verhalten selbst übernehmen, bevor es auf die anderen in der Gruppe abfärbt. "In unserer Analyse fanden wir jedoch heraus, dass die genetischen Prädispositionen von Gleichaltrigen mit der Wahrscheinlichkeit einer Störung bei den Zielpersonen verbunden waren, selbst nachdem wir statistisch kontrolliert hatten, ob die Gleichaltrigen betroffen oder nicht betroffen waren."
Links/Studien
Die Studie "Peer Social Genetic Effects and the Etiology of Substance Use Disorders, Major Depression, and Anxiety Disorder in a Swedish National Sample" ist im Fachjournal "The American Journal of Psychiatry" erschienen.
(rr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 05. Juli 2023 | 16:03 Uhr
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