Klimawandel Warum wir den Mooren das Wasser wiedergeben sollen
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14. Mai 2023, 05:00 Uhr
Über entwässerte Moore freut sich der Landwirt, denn ihr Boden ist besonders fruchtbar. Viele Tiere und Pflanzen sitzen dann aber auf dem Trockenen und CO2 steigt in großen Mengen aus dem Boden. Kann man den Mooren das Wasser einfach zurückgeben? Und was braucht man dazu? Ein Projekt in Salzwedel zeigt, wie es geht.
Wo Moore sind, lauert die Gefahr. Wer sich dorthin verirrt, droht einsam zu versinken, zumindest in Gruselgeschichten und Krimis. Solche Sümpfe gibt es hierzulande nur noch selten. Weil wir Menschen den Spieß herumgedreht und den scheinbar bedrohlichen Mooren den Garaus gemacht haben: Wir haben sie trockengelegt, für den Pflanzenbau in Monokultur genutzt und Flora und Fauna so um kostbaren Lebensraum gebracht.
Lässt sich die Zeit zurückdrehen?
Sicher nicht. Aber die trockengelegten Flächen lassen sich bewässern und dadurch wieder in Moore verwandeln. Dieter Leupold, Projektleiter bei der BUND Stiftung für das Grüne Band in Sachsen-Anhalt war dabei, als das Cheiner Torfmoor und die Brietzer Teiche in Sachsen-Anhalt vor 20 Jahren wieder vernässt wurden. Inzwischen bieten die einzigartigen Biotope wieder selten gewordenen Gästen Platz: dem Breitblättrigen Knabenkraut, einer seltenen heimischen Orchideenart, dem Moorfrosch und dem Torfwiesen-Schneckenfalter, der in Deutschland vom Aussterben bedroht ist, und zwar akut, betont der Naturschützer. Er erklärt auch, warum ein intakter Lebensraum für diesen orange gefleckten Schmetterling so wichtig ist: "Er kann zwar fliegen, ist aber wenig mobil. Er gaukelt immer so knapp über den Gräsern und kann keine kilometerweiten Distanzen überbrücken. Wenn sein Lebensraum an nur einer Stelle zerstört wird, dann war es das im Regelfall auch."
Deshalb hat der Torfwiesen-Scheckenfalter wahrscheinlich im Cheiner Moor sein deutschlandweit bedeutendstes Fluggebiet.
So viele Treibhausgase wie bei Heizöl und Erdgas
Aber der besondere Boden kann noch mehr: Er kann CO2 binden, jedoch nur, solange er nass ist. "Auf ganz stark entwässerten Moorböden, im Extremfall beim Maisanbau, da haben wir Freisetzungsraten von Kohlendioxyd von teilweise über 30 Tonnen pro Hektar", zieht Leupold Bilanz. Denn sobald das Wasser weg ist, kommt Sauerstoff an den Torfboden und die darin enthaltenen Pflanzen oder Pflanzenteile. Sie werden zersetzt und geben den Kohlenstoff, den sie zuvor gebunden haben, wieder frei. In ganz Sachsen Anhalt sind das 2,3 Millionen Tonnen an Treibhausgasen insgesamt, hat das Thünen-Institut berechnet. Das entspricht in etwa den Emissionen durch den gesamten Heizöl- und Erdgasverbrauch privater Haushalte in dem Bundesland.
Das Cheinar-Moor und die Brietzer Teiche liegen direkt nebeneinander, gehören streng genommen zu einem Moor, zur Landgraben-Dumme-Niederung. In der Niederung liegt das Land tiefer. So kann sich Wasser sammeln, erklärt Dieter Leupold vom BUND: "Das ist ein Niedermoor, das nach der Eiszeit entstanden ist. Das war eine Abflussrinne für das Schmelzwasser der Gletscher Richtung Elbe. Und danach, also vor gut 10.000 Jahren hat hier die Moorbildung eingesetzt und wir haben hier Moor-Mächtigkeiten bis an die vier Meter."
Mehr Fläche fürs Moor
Der moorige Torfboden reicht also vier Meter in den Boden hinein, ist jedoch zwischen Cheiner Torfmoor und Brietzer Teichen trockengelegt. Der BUND will beide Moore miteinander verbinden, um einen größeren zusammenhängenden Lebensraum zu schaffen. Aber dafür müssen weitere Flächen von ihren bisherigen Eigentümern erworben werden, um sie bewässern zu können. Bislang ist das ein mühsames Unterfangen.
Ein Hoffnungsschimmer könnte das Aktionsprogramm des BUND sein: Vier Milliarden Euro für natürlichen Klimaschutz, also auch für die Moore. Auch das Ministerium für Wissenschaft, Energie und Umwelt in Magdeburg hat jetzt nach den Richtlinien einer Bund-Länder-Vereinbarung drei Pilotprojekte ausgesucht, die unterstützt werden: Das Cheiner Torfmoor in der Altmark, die Nedlitzer Niederung im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und Magdeburgerforth im Jerichower Land. In ganz Sachsen-Anhalt gibt es rund 91-tausend Hektar Moorböden.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Spezial | 11. Mai 2023 | 18:00 Uhr