Embryologie Schwanger mit fünfzig? Neue Forschung zur Eizellen-Verjüngung
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11. September 2024, 11:48 Uhr
Wenn sich Kinderwunsch nicht gar so leicht erfüllt, kann das schnell an die Substanz gehen. Besonders bei potenziellen Eltern im "fortgeschrittenen" Alter. Die Reproduktionsmedizin ist hinterher, neue Verfahren zu entwickeln, damit es doch noch klappt. Neue Hoffnung – wenn auch ferne Hoffnung – kommt jetzt aus Singapur. Forschende zeigen, wie man älteren Eizellen wieder etwas Jugend einhauchen kann. Allerdings erstmal nur bei Mäusen.
Die flapsige Überschrift mag dazu verleiten, aber um gleich mal mit einem Missverständnis aufzuräumen: Es geht nicht darum, dass Menschen im mittleren oder gar hohen Alter ohne Weiteres Kinder in die Welt setzen können. Sondern es geht letztendlich um eine Ungerechtigkeit: "Es gibt Frauen, die schon mit 25 oder dreißig nicht in der Lage sind, sich ohne künstliche Hilfe natürlich fortzupflanzen. Und es gibt Frauen, die es bis Mitte fünfzig ohne künstliche Hilfe gut schaffen." Das sagt der Embryologe Michele Boiani vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. "Das hat mit dem Eierstock zu tun, mit der Zahl von Eizellen im Eierstock, aber auch mit der Qualität von den Eizellen."
Kinderwunsch: Eizellen altern unterschiedlich
Die biologische Uhr von Eizellen tickt also unterschiedlich. Und das schafft wiederum unterschiedliche Voraussetzungen, die aus dem Kinderwunsch eine Situation schaffen können, die an die Substanz geht. Findige Forschende aus Singapur haben jetzt einen neuen Ansatz verfolgt und die Eizelle einer alten Maus in den Follikel einer jungen Maus transplantiert. Der Follikel ist so etwas wie die Hülle, die die Eizelle umgibt. Die Eizellenreifung und die Lebendgeburtenrate der Mäuse wird so verbessert – zumindest in der Petrischale, also in vitro.
Im Fachblatt Nature Aging schreiben die Forschenden: "[Wir] konnten […] zeigen, dass junge Eizellen, die in gealterten Follikeln kultiviert wurden, […] ein vermindertes Entwicklungspotenzial aufwiesen, wohingegen gealterte Eizellen, die in jungen Follikeln kultiviert wurden, eine signifikant höhere […] Lebendgeburtenrate […] aufwiesen. In Zahlen: 8,7 Prozent der verjüngten Eizellen führten zur Lebendgeburt. Bei den alten Eizellen waren es nur zwei Prozent, bei jungen Eizellen 19 Prozent.
Ich wünschte, ich wäre selber auf die Idee gekommen.
Michele Boiani beschreibt das neue Verfahren so: "Man kann sich das vorstellen, als ob wir das Gehirn in einem Schädel tauschen würden. In einen jungen Schädel würden wir ein altes Gehirn reinstecken." Für ihn ist das ein äußerst spannender Ansatz. "Ich wünschte, ich wäre ich selber auf die Idee gekommen."
Bereits gängige Methoden mit Spendereizellen – in Deutschland verboten
Auch Dunja Baston-Büst von der Uniklinik Düsseldorf – und ehemalige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin – kann der Forschung aus Singapur viel abgewinnen. Zwar gebe es bereits jetzt außerhalb Deutschlands gängige Verfahren. Die funktionieren aber nur mit jüngeren Spender-Eizellen: "Zum einen können Mitochondrien, also quasi die Kraftwerke der Zelle, übertragen werden – von den jüngeren Eizellen auf die älteren Eizellen, die im Rahmen einer künstlichen Befruchtung behandelt werden." Oder eine Variante, die vor einiger Zeit durch die Medien ging: "Der Transfer von den Vorkernen – also dass die eigentliche Befruchtung an dem zu behandelnden Paar durchgeführt wurde und am nächsten Tag diese Vorkerne dann auf jüngere Eizellen übertragen wurden."
Das ist schon wirklich noch sehr visionär.
Das seien vielversprechende Methoden, setzen aber auch "von juristischer Seite und von ethischer Seite voraus, dass man Spendereizellen hat, was in Deutschland verboten ist". Schafft die neue Variante ohne Spendereizelle da jetzt Abhilfe? "Das ist schon wirklich noch sehr visionär, weil es unter anderem auch voraussetzt, dass die Reifung im Labor in Zellkultursystemen funktioniert und das ist gerade bei Menschen doch noch nicht so ganz erfolgreich."
Kinderwunsch durch Eizellen-Verjüngung: Der nächste Schritt
Bei Menschen würde die Zellkultur im Labor viel länger dauern als bei Mäusen und genau dabei können auch genetische Defekte entstehen, sagt der Embryologe Michele Boiani und verweist auf neue ethische Fragen: "Wir können uns aus ethischen Gründe nicht erlauben, diese Experimente zu machen." Erstrebenswert ist also ein Heranreifen der verjüngten Eizelle im Körper statt im Labor, also in vivo statt in vitro. Für Michelle Boiani wäre das ein Traum und die beste Lösung, wie er sagt – und zumindest der nächste Schritt, genau das im Tiermodell zu testen. Und damit auch der nächste Schritt gegen die Ungerechtigkeit.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. September 2024 | 00:00 Uhr
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