Neuer Podcast "Die Medizin von morgen" Pandemien von Morgen: "Viren sind Vielflieger"
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16. August 2022, 09:09 Uhr
Im Podcast "Die Medizin von morgen" widmen sich Eckart von Hirschhausen und Katharina Adick der Frage, wie die Medizin der Zukunft aussieht. In der aktuellen Folge geht es um die Pandemien der Zukunft.
Ab dem 9. April 2024 geht die ARD-Erfolgsserie "Charité" in die vierte Staffel. Die Geschichte über das renommierte Berliner Krankenhaus wird weitererzählt – nun über die Medizin der Zukunft im Jahr 2049. Wie der Titel schon verrät, beschäftigt sich auch der neue Podcast, in dem der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen und die Journalistin Katharina Adick gemeinsam in die Zukunft blicken, mit der "Medizin von morgen".
Was können wir bei der nächsten Pandemie besser machen?
Katharina Adick: Das wäre für mich auf jeden Fall eine bessere Kommunikation. Und eine Sache haben wir noch gelernt: Masken helfen tatsächlich.
Was sind die "Zutaten" für eine Pandemie?
Katharina Adick: Man nehme Umweltzerstörungen, die die Artenvielfalt verändern und damit Systemen die Widerstandskräfte rauben. Lebewesen geraten dadurch so unter Stress, dass ihr Immunsystem nicht mehr so leistungsfähig ist. Nun nehme man Orte, an denen sich Lebewesen begegnen, die sich sonst nie begegnet wären, beispielsweise die sogenannten Wet-Markets in Asien, also Märkte, auf denen lebende Tiere verkauft werden und wo Keime von einer Art zur anderen überspringen. Im schlimmsten Fall natürlich auch auf uns Menschen. Und wenn unser Immunsystem den Erreger nicht kennt, wird er potenziell gefährlich. Und da wir mit dem Flugzeug in ein paar Stunden an jedem Punkt der Erde sein können, sind wir auch die idealen Verbreiter.
Hier kann man schon heraushören: Es geht auch um ein Zusammenspiel von Mensch und Tier.
Eckart von Hirschhausen: Ich erinnere mich noch an eine Konferenz, auf der ich moderiert habe. Die fand 2019 in Berlin auf Einladung des Auswärtigen Amtes statt. Die allererste One-Health-Konferenz. One Health steht für die Idee, dass die Gesundheit von uns Menschen nicht isoliert betrachtet werden kann von der Gesundheit der Tiere und auch dem Zustand des Planeten. Teilgenommen haben internationale Expertinnen und Experten und ein bis dato komplett unbekannter Virologe namens Christian Drosten, der gesagt hat: Leute, macht euch bereit, es wird früher oder später zu einer Pandemie kommen, und keiner wollte das ernst nehmen.
Und dann kam wenige Monate später das Coronavirus. Wie ist diese Pandemie eigentlich entstanden?
Eckart von Hirschhausen: Fachleute haben schon sehr früh Wildtiermärkte ins Spiel gebracht. Sogenannte Wet-Markets, die feuchten Märkte, weil dort ganz viele Flüssigkeiten übereinander kommen, die eigentlich nicht zusammengehören.
Katharina Adick: Es gibt darüber hinaus auch immer wieder die Laborhytpothese. Dass also das Virus aus einem Labor "entkommen" ist. Dafür gibt es aber noch keinen Beleg. Viel wahrscheinlicher ist nach wie vor die Annahme, dass es von einem solchen Wildtiermarkt ausgegangen ist. Und dabei war immer wieder die Rede von Fledermäusen, Marderhunden, Schuppentieren etc. Ich habe dazu mit Professor Fabian Leendertz gesprochen, vom Helmholtz-Institut für One Health. Er hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, was genau diese Wildtiermärkte mit der Virusherkunft zu tun haben. Seine Antwort war:
Auf diesen Märkten werden ja verschiedene Wildtiere auf engem Raum gehalten und gezüchtet und stehen auch nicht abgeschirmt den Fledermäusen gegenüber. Und man fragt sich immer, wie kommen denn diese Spezies überhaupt in Kontakt? Aber gerade um eine solche Farm herum haben Sie eine gute Insektendichte, weil dort natürlich auch Kot produziert wird. Da gibt es vielleicht auch Kadaver oder tierische Abfälle. Und das heißt, Sie haben da viele Insekten. Und diese Insekten wiederum sind super spannend für Fledermäuse, die sich vermehrt um diese Käfige herum aufhalten. Wir wissen auch, dass Coronaviren am besten im Kot von Fledermäusen nachzuweisen sind.
Liegt das Geheimnis also in der Fledermaus? Was macht dieses Tier so besonders?
Katharina Adick: Ja, das ist eine gute Frage, vor allem, weil sich ja bei fast jeder Virusfamilie, die uns irgendwie zu schaffen macht, Hinweise darauf finden, dass es möglicherweise was mit Flughunden oder Fledermäusen zu tun haben könnte. Ein anderes Beispiel ist das Nipah-Virus. Und da hat man zum Beispiel beobachtet, dass es Schweine befallen hat, die von einem Mangobaum gefressen haben, auf dem auch Flughunde lebten, die wiederum dort aber auch erst seit kurzem zuhause waren, weil sie aus ihrem bisherigen Lebensraum verdrängt worden sind.
Mal weg von den Fledermäusen: Wie realistisch ist es, dass durch den Klimawandel und schmelzende Gletscher Paleo-Bakterien freigelegt werden?
Katharina Adick: Das ist gar nicht mal so abwegig. Das zeigen ein paar Forschungsberichte, insbesondere über Viren, die Tausende Jahre eingefroren im Eis lagen, dass die zum Beispiel noch Amöben infizieren konnten. Und natürlich insbesondere dadurch, dass die Erwärmung an den Polen noch einmal sehr viel schneller voranschreitet als auf anderen Teilen der Erde und dadurch, dass der Permafrost schmilzt. Es ist theoretisch durchaus möglich, dass solche Erreger freigesetzt werden und auch noch infektiös sind.
Eckart von Hirschhausen: Der Kampf gegen die Klimakrise ist also auch der Kampf gegen die nächste Pandemie. Also wenn wir keine weiteren Viren freisetzen wollen, dann sollten wir aufhören, diese Erde derartig schnell zu überhitzen.
Katharina Adick: Ich war auch überrascht davon, dass man sogar schon so weit ist, dass es in der Arktis bestimmte Überwachungszentren gibt, die also genau für solche Fälle da sind, um früh Alarm zu schlagen, um möglicherweise auch Quarantäne einzurichten, um die Leute davon abzuhalten, dann die Region wieder zu verlassen, um das Virus oder das Bakterium dann nicht weiterzutransportieren. Und wenn man so was schon macht, dann zeigt das doch: Da gibt es eine ganze Menge Leute, die das Risiko sehr ernst nehmen.
Wie kann man sich auf die nächste Pandemie vorbereiten?
Eckart von Hirschhausen: Man spricht von "Pandemic preparedness". Die Vorbereitung auf solche Ausbrüche beginnt damit, dass man erst mal viel genauer hinschaut. Wo könnten neue Übertragungen passieren? Und je früher man sie entdeckt, je früher man sie dann eindämmt, umso höher ist die Chance, dass es eben gar nicht zu einer weltweiten Ausbreitung, sprich einer Pandemie, kommt.
Eckhart von Hirschhausen...
...wurde 1967 in Frankfurt (Main) geboren. Der promovierte Arzt und Journalist bringt seit Jahren gesundheitliche Themen einem breiten Publikum auf allgemein verständlich und auch amüsante Art bei.
Katharina Adick arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin für verschiedene Formate wie "Quarks" im WDR oder "TerraX" im ZDF.
Das heißt, und Sie haben es schon angesprochen, dazu gehört vor allem auch, die Klimakrise im Auge zu behalten?
Eckart von Hirschhausen: Wir sind in einer Klimakrise, wir sind in einer Biodiversitätskrise. Und diese beiden Krisen sind ein unheimlicher Treiber für die nächste Pandemie. Das beschleunigt diesen Prozess. Das steigert die Wahrscheinlichkeit aus so vielen Gründen. Es gibt in Berlin seit einiger Zeit ein neues Insekt: die Asiatische Tigermücke. Die überträgt das West-Nil-Virus, das gibt es jetzt auch in Berlin. Also das heißt Herr West-Nil, nicht Spreewald-Gurken-Virus, da weiß jeder, das gehört eigentlich nicht an die Spree. Drei Krisen zum Preis von zwei: Also die Pandemie, das Artensterben und die Klimakrise sind eigentlich verschiedene Facetten von einer einzigen Krise. Und wir haben als Menschen in der Corona-Pandemie auf Social Distancing Wert gelegt, also Abstand halten. Und jedes Wildtier würde normalerweise Abstand zu uns halten. Und das war mir so nicht klar, dass dadurch, dass wir die natürlichen Rückzugsorte von Wildtieren derartig kaputtmachen, dass sie sich irgendwann gar nicht mehr zurückziehen können. Und was zum Beispiel auch ein unterschätzter Faktor ist, ist Armut. Wenn Menschen so wenig zu essen haben, dass die einzige Proteinquelle für sie darin besteht, Tiere zu jagen, zu töten und zu essen und sogar auch sichtbar kranke Tiere noch zu essen. Und auch das ist ein Faktor: Wenn wir die nächste Pandemie verhindern wollen, dann müssen wir sehr darauf achten, dass Gesundheitssysteme weltweit gestärkt werden, dass mehr Geld auch aus den reichen Ländern in Länder des globalen Südens transferiert wird. Und zwar nicht nur aus Mitleid oder aus Barmherzigkeit, sondern auch, weil es dann allen Menschen besser geht. Auch uns.
nvm
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