Sexualforschung Konserviert in Bernstein: Das älteste Sperma der Welt
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23. September 2020, 10:44 Uhr
Bernstein ist ja an sich schon ein schönes Schmuckstück, aber manchmal ist das, was drinsteckt, der wahre Schatz. So zumindest in dieser Geschichte: Ein chinesischer Sammler entdeckt in einem seiner Bernsteinstücke, dass da was drinsteckt, was eigentlich nicht reingehört, und bringt den Stein zu einem Paläontologen. Der findet zusammen mit einer deutschen Wissenschaftlerin heraus: In dem Stein steckt das älteste Sperma, das je gefunden wurde. Und es ist sehr groß.
Vor 100 Millionen Jahren muss ungefähr folgendes passiert sein: Muschelkrebsmann und Muschelkrebsfrau hatten Sex. Das Sperma des Männchens ist gerade in den Körper des Weibchens eingedrungen. Und just in diesem Moment fällt ein Tropfen Baumharz auf das Krebsweibchen und schließt es ein. Ein jähes Ende für den Krebs, ein bedeutsamer Anfang für die Wissenschaft, sagt die Biogeologin Renate Matzke-Karasz.
Wenn eine besondere Erhaltung, wie zum Beispiel im Bernstein vorliegt, dann können wir davon ausgehen, dass da vielleicht doch mehr drin ist: nämlich Reste von dem Weichkörper, innere Organe. Und das war das Aufregende an dem Fund.
Sehr dünne und extrem lange Spermien
Zusammen mit ihrem chinesischen Kollegen macht sich Renate Matzke-Karasz an der LMU München daran, den Bernstein zu untersuchen. Und tatsächlich: Anhand von Bildern rekonstruieren die Wissenschaftler Organe von insgesamt 39 Muschelkrebsen. Der frisch besamte Krebs ist auch darunter.
In einem Weibchen haben wir ein Organpaar gefunden. Dieses Organpaar ist eigentlich nur ein Paar von zwei Säckchen, die mitten im Körper liegen. Die sind dafür da, dass Spermien aufbewahrt werden. Es ist also ein Spermienspeicherorgan für das weibliche Tier. Und in diesem paarigen Speicherorgan haben wir ein Knäuel von Filamenten gefunden. Diese Filamente sind sogenannte Riesenspermien.
Wie? Was? Riesenspermien? Was ist das denn? "Die muss man sich so vorstellen, dass sie einfach extrem lang, aber sehr dünn sind", erklärt Matze-Karasz. Zum Teil seien sie mehrfach so lang wie die Körperlänge der Tiere selber.
Sperma hat 100 Millionen Jahre gehalten
Was jetzt ziemlich irritierend klingt, ist für die Biogeologin nicht überraschend. Renate Matzke-Karasz ist Expertin für Muschelkrebse. Die millimetergroßen Tiere gibt es schon seit rund 500 Millionen Jahren und sie existieren noch heute. Und sie pflanzen sich immer noch mit Riesensperma fort:
Bis sie beweglich sind, liegen sie dann schön zusammengefaltet im Spermienspeicherorgan. Und da liegen sie in dem Fall des in Bernstein eingeschlossenen Weibchens noch heute - 100 Millionen Jahre später. Deutlich wird daran: So befremdlich und außergewöhnlich diese Art der Fortpflanzung auch sein mag: Wenn sie sich so lange gehalten hat, scheint sie sehr erfolgreich zu sein in der Erdgeschichte, resümieren die Wissenschaftler.
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