Bücher-Skorpion (Chelifer cancroides) 3 min
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Eine Arbeitsgruppe des Uniklinikums in Gießen erforscht, inwiefern Tiergifte in Krankenhäusern hilfreich sein können. Jetzt gibt es Ergebnisse zum Gift des Bücherskorpions.

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Biochemie Kampf gegen Krankenhauskeime: Ist das Gift des Bücherskorpions ein Gegenmittel?

11. August 2024, 10:00 Uhr

Der Bücherskorpion ist ein winziges Tier, das im Laub, im Stroh oder in Rinden lebt. Sein Gift könnte jetzt in der Medizin nützlich sein: Deutsche Forscher testen es im Einsatz gegen multiresistente Keime in Kliniken.

In deutschen Krankenhäusern kommt es laut Robert Koch-Institut jedes Jahr zu geschätzten 400.000 bis 600.000 Infektionen durch multiresistente Keime. Diese legen den gesamten menschlichen Organismus lahm. Etwa 10.000 bis 20.000 Patienten sterben daran. Von 100 Patienten erwischt es statistisch gesehen fast jeden Dritten mit so einer Infektion. Helfen könnte da jetzt ein etwa fünf Millimeter kleines Tier, sagt der Biochemiker Tim Lüddecke von der Universität Gießen. Es ist der Bücherskorpion.

Bücherskorpion: Kein Stachel aber Gift in den Scheren

Bücherskorpion (Chelifer cancroides)
Er ist nur ein "Pseudoskorpion", der Bücherskorpion (Chelifer cancroides). Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

"Der Bücherskorpion ist ein kleiner Vertreter der Pseudoskorpione, also kein richtiger Skorpion. Es sind nahe Verwandte der richtigen Skorpione und der Spinnen, gehören also auch zu den Spinnentieren", erklärt er. Die sehr kleinen Tiere leben vorwiegend in Laubstreu oder in der Rinde von Bäumen, oft auch auf Heuböden. "Und in diesem kleinen Mikro-Ökosystem sind das kleine Raubtiere, die Insekten und andere Gliedertiere jagen und dazu häufig Gift benutzen, das vorn in den kleinen Scheren drin ist."

Der Bücherskorpion jagt auch in Büchern

Der nur wenige Millimeter große Bücherskorpion (Chelifer cancroides) gilt in Mitteleuropa als das bekannteste Mitglied der Pseudoskorpione, einer Ordnung der Spinnentiere. In Wohnräumen jagt er Hausstaubmilben sowie Staub- und Bücherläuse. Auch in Bienenstöcken erlegt er Schädlinge. Pseudoskorpione sind – anders als Skorpione – wenig bekannt und auch als Gifttiere kaum erforscht. Ihren großen Verwandten sehen sie mit den im Vergleich zum Körper langen Scheren zwar ähnlich, auch wenn ihr Hinterleib nicht geteilt ist oder über einen Giftstachel verfügt. Doch aufgrund ihrer geringen Größe von nur einem bis sieben Millimetern lässt sich ihr Gift, das sie ihrer Beute über Giftdrüsen an den Scheren injizieren, nur schwer analysieren. Für Menschen ist der Bücherskorpion nicht gefährlich – mit seinen Scheren kann er menschliche Haut nicht durchdringen.

Auf genau diesem Gift ruhen die Hoffnungen der Forscher, denn: Sie haben herausgefunden, dass kleinste Bestandteile des Giftes antibiotisch gegen die gefährlichen Krankenhauskeime wirken. Lüddeckes Arbeitsgruppe erforscht bereits seit Jahren Gifte von Spinnentieren und Skorpionen, um neue Wirkstoffe für die Medizin zu entwickeln. "Und wir haben in meiner Arbeitsgruppe diese Toxine im Labormaßstab hergestellt und festgestellt, dass sie tatsächlich eine breite Wirkstärke haben gegen viele verschiedene mikrobielle Krankheitserreger, vor allem gegen Bakterien, darunter auch Krankenhauskeime, aber auch Pilzerreger wie Kandidas. Einige Vertreter waren auch wirksam gegen Krebszellen."

Gift des Bücherskorpions gegen Krankenhauskeime: Klinische Entwicklung steht noch aus

Bücherskorpion (Chelifer cancroides)
Wie Zecken gehört auch der Bücherskorpion zur Gattung der Spinnentiere und ist deshalb kein Insekt. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Dem Team ist es inzwischen gelungen, das Gift des Bücherskorpions künstlich herzustellen; ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung eines Medikaments. Nun fehlen allerdings noch zahlreiche Daten dazu, ob die Wirkstoffe für Menschen verträglich sind oder wie sie überhaupt verabreicht werden können. "Wir wissen auch noch nicht viel darüber, inwieweit sie stabil sind, ob man sie überhaupt in Tablettenform einnehmen kann. All diese Dinge müssen noch geklärt werden", sagt der Biochemiker.

Bis zur Markteinführung eines Medikaments könnten noch etwa zehn Jahre vergehen, schätzt Lüddecke. Der Wirkstoff muss immer wieder erprobt werden, zunächst in Tiermodellen und später dann in klinischen Studien an menschlichen Patienten. Erst dann könne man sich verlässlich auf die Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsarbeit stützen, so der Forscher.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 09. August 2024 | 06:10 Uhr

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