Der Donnerstag beim Science & Media Festival in Halle "Wir möchten das Ungesehene sichtbar machen": Das Silbersalz-Festival zeigt, wie alles miteinander verbunden ist
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27. Oktober 2023, 22:54 Uhr
Das Silbersalz-Festival in Halle will Wissenschaft greifbar machen – und bietet Talks, interaktive Ausstellungen und Workshops an, die für alle Interessierten frei zugänglich sind. Drei Highlights des Festivals am Donnerstag: Die Mixed-Reality-Ausstellungen im Kaufhaus am Markt, eine Gesprächsrunde über die zukünftige Welternährung und ein Kochkurs für unseren Darm.
Ich sehe was, was du nicht siehst – so das Motto des Festivals in diesem Jahr. "Wir möchten das Ungesehene sichtbar machen", erläutert Sophie Crockett, Producerin bei Crossover Labs. Das britische Unternehmen für immersive Medien hat die diesjährige Ausstellung kuratiert. Und ihr ein zeitgeistiges, sehr internationales Flair verliehen. Virtual- oder Mixed-Reality-Kunst aus Australien, Norwegen, Deutschland und Großbritannien ist versammelt – das meiste kann auf irgendeine Art anprobiert oder ausprobiert werden.
Mixed-Reality im Kaufhaus am Markt: Was passiert, wenn die Realität sich verändert?
Beispielsweise der interaktive Film "Consensus Gentium" von der Britin Karen Palmer: Der Film selbst wird am Smartphone angesehen, Augenbewegungen und Emotionen beeinflussen, wie er jeweils weitergeht. Dabei geht es um ein knallhartes Überwachungsszenario. Ein Spoiler: Wer beim Ansehen zu viel Empathie zeigt, kommt nicht weit.
Crockett sagt: "Technik, die schon jetzt in unseren Handys verbaut ist, kann theoretisch bereits mehr erfassen, als wir bislang nutzen oder möglicherweise nutzen möchten – beispielsweise, wo auf dem Handyscreen unsere Augen gerade sind oder welche Emotionen unser Gesicht vermittelt." Beim Kuratieren der Ausstellung sei es ihr und dem Team wichtig gewesen, auch zu vermitteln, was passieren kann, wenn Technologien ausufern und zügellos genutzt werden. Auf dem diesjährigen SXSW-Festival hat "Consensus Gentium" den Preis für das beste XR (Extended Reality)-Projekt gewonnen.
Andere Lebensrealitäten nachfühlen mit Mixed Reality
Eine zweite, ähnlich eindrückliche Erfahrung ist die Mixed-Reality-Experience "Jamais vu: Turbulence" von Ben Andrews und Emma Roberts. Das Duo aus Australien beschäftigt sich bereits seit 2016 mit Virtual Reality, das aktuelle Stück ist das erste Mal, das Andrews und Roberts ein persönliches Thema in einer Mixed-Reality-Installation verarbeiten. Emma Roberts erklärt "Es geht um eine Behinderung, die mein Kollege Ben hat, sie nennt sich vestibuläre Migräne." Damit einher gehe eine veränderte Wahrnehmung der Welt, von Gleichgewichtssinn und Bewegungen. "Für viele Menschen zeigt sich Migräne als eine Art Kopfweh, diese Migräne ist aber komplett anders."
Mit der VR-Brille können andere Menschen vestibuläre Migräne ein Stück weit "nacherleben". Eine Kamera vor dem Headset ermöglicht es, quasi durch die Brille hindurch zu sehen, aber die Außenwelt ist verändert. Kleine Aufgaben wie das Zubereiten eines Aspirin-Getränks werden kompliziert.
"Unser Ziel ist es, Menschen in unterschiedliche Situationen zu versetzen, damit sie neue Perspektiven wahrnehmen und sich die verschiedensten Dinge für sie enthüllen", betont Sophie Crockett aus dem Kuratoren-Team. Man wolle es Menschen ermöglichen, sich in die Dinge einzufühlen, die möglicherweise weit von ihrer eigenen Lebenserfahrung entfernt sind. "Aber es ist natürlich auch okay, wenn Leute einfach nur kommen und ein bisschen Spaß haben." Die Ausstellungen im Kaufhaus am Markt im Rahmen des Silbersalz Festivals sind noch bis Sonntagabend geöffnet.
Wer nicht in virtuelle Realitäten eintauchen will, sondern etwas fester im Boden verwurzelt bleiben möchte, kann sich vielleicht für die Gesprächsreihe "Komm, setz dich" begeistern.
Forschende aller Disziplinen stellen ihre Projekte vor und stehen in kleiner Runde Rede und Antwort. Beispielsweise zur größten Herausforderung, die die Menschheit im 21. Jahrhundert bewältigen muss: Ernährungssicherheit. Die Forscherin Marwa Shumo findet, eine (Teil)lösung für dieses Problem werden Insekten sein. Spezieller: Die schwarze Soldatenfliege. "Ich nenne sie die Mutter aller Insekten, weil sie quasi alles organische Material zersetzen kann."
Marwa Shumo: Können wir Sojabohnen durch Fliegen ersetzen?
Shumo hat bereits diverse Projekte initiiert, mit denen sich die Fliege für die Erzeugung von Nahrungsmitteln nutzen lässt.
Das funktioniert folgendermaßen: Die Fliegen werden gesammelt und mit allen möglichen organischen Resten gefüttert. Nach zwei Wochen Wachstumsphase werden sie in heißem Wasser getötet und können anschließend als proteinreiches Tierfutter verwendet werden – beispielsweise als Alternative zu Sojabohnen. Das klingt vielleicht erst einmal kontrovers, aus Marwa Shumos Perspektive ist es aber eine Möglichkeit, die Abholzung der Wälder in Regionen wie Sumatra und Malaysia aufzuhalten. In diesen Regionen werden große Waldflächen für den Anbau von Sojabohnen gerodet. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Hausfliege übertrage die schwarze Soldatenfliege keinerlei Krankheiten, betont die Forscherin. Das mache sie zum idealen Proteinersatz für die Nutztierhaltung.
Ein aktuelles Projekt von Shumo mit dem Titel "The Ladies and the Flies" zielt darauf ab, Frauen mit der Zucht und dem Verkauf von Fliegen als Tierfutter einen neuen Wirtschaftszweig zu erschließen. Mehr Informationen sowie ein ausfürlicheres Interview mit der Forscherin gibt es hier.
Kochworkshop: Welches Essen braucht unser Darm?
Aus der Perspektive unseres Darms sollten wir auf tierische Nahrung aber ohnehin eher verzichten, wie der Kochworkshop von Theda Bartolomaeus verdeutlicht. Die Lebensmittelchemikerin forscht zu Ernährung und (Darm-)Mikrobiom. Aus der Verstoffwechslung tierischer Produkte im Darm entsteht unter Anderem Trimethylaminoxid, kurz TMAO. Ein Aminoxid, das kardiovaskuläre Erkrankungen fördert und für mehr Plaque in unseren Arterien sorgt. Zu gesundheitlich vorteilhaften Stoffen verarbeiten unsere Darmbakterien dagegen Ballaststoffe. Aus diesen entstehen kurzkettige Fettsäuren, auch short chain fatty acids oder SCFA genannt.
Bartolomaeus hat außerdem dazu geforscht, wie sich Fasten auf unsere Darmbakterien auswirkt. Ihr Ergebnis: Eine Fastenkur (in diesem Fall "Buchinger-Fasten") kann das Mikrobiom verändern. Wie lange der Effekt genau anhält, untersucht die Forscherin aktuell noch. Nach dem Fasten empfehle sich aus ihrer Sicht eine mediterrane Diät, sagt Bartolomaeus.
Ein Teil dieser Diät wird mit rund 30 Teilnehmenden direkt umgesetzt, während des Kochkurses "Kochen fürs Mikrobiom". Koch Mathias Herbarth zeigt, wie sich einige Erkenntnisse aus der Forschung mit einem Menü aus Spätzle, Tomatensugo, mediterranem Gemüse und Pilzen direkt umsetzen lassen. Aus Sicht der Forscherin ist das übrigens der nachhaltigste Weg, etwas für die eigene Darmflora zu tun: die richtige Ernährung. Probiotika, beispielsweise aus der Drogerie, brauche man aus ihrer Sicht dann nicht mehr. "Der Effekt ist ohnehin nicht nachhaltig: Wenn man aufhört, die Bakterien einzunehmen, werden sie wieder ausgewaschen."
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