Silbersalz-Festival 2023 Mythos Jungfernhäutchen – Doku auf dem Silbersalz-Festival
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28. Oktober 2023, 13:40 Uhr
Das Jungfernhäutchen gibt es gar nicht und trotzdem bestimmt es das Leben unendlich vieler Frauen. Wie das? Wenn es gar kein Jungfernhäutchen gibt, was gibt es dann? Wem dient der ewige Mythos und wer hat sich das vermeintliche Jungfernhäutchen eigentlich ausgedacht? Diesen Fragen geht der Film von Lena Kupatz in ihrer Doku "Mythos Jungfernhäutchen" nach.
Die Journalistin Ninve Ermagan stammt aus einer syrisch-christlichen, orthodoxen Familie und fällt mit ihrem Beruf weit aus dem gesellschaftlichen Rahmen, den ihr ihre Community zugesteht. In der Doku von Filmemacherin Lena Kupatz trifft sie Menschen, die den Mythos des vermeintlichen Jungfernhäutchens widerlegen und bekämpfen.
Blut beim ersten Mal Sex? Das Jungfernhäutchen war 's noch nie!
Eine der Personen, die in der Doku zu Wort kommen, ist Professorin Mandy Mangler, Chefärztin einer Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe in Berlin Neukölln. Sie bemängelt, dass selbst in der medizinischen Ausbildung noch nicht vom Hymen gesprochen wird, der korrekten Bezeichnung für den Hautkranz an der Stelle, an der Vulva und Vagina aufeinandertreffen. In Schweden spricht man Mangler zufolge in der Medizin längst von der "Corona Vaginalis", der vaginalen Krone, und beschreibt damit auch sprachlich die Form des Hymen: keine dünne Haut, sondern ein rundliches Gebilde.
Mangler sagt in der Doku ganz deutlich: "Dieser Schleimhautkranz hat keine relevanten Blutgefäße, das heißt, es kann gar nicht richtig bluten". Wenn beim ersten Geschlechtsverkehr Blutungen auftreten, ist das der Wissenschaftlerin zufolge ein seltenes Phänomen und das Blut stammt dann aus der Umgebung dieses Schleimhautkranzes, also Verletzungen der Vagina oder Vulva. Für die Wissenschaftlerin eine Stelle im Körper, die eigentlich so unspektakulär ist, dass man nicht mal einen Namen dafür bräuchte, weil man an dieser Hautfalte nichts ablesen kann, wie auch Mark Benecke, der Popstar unter den Foresikern, der ebenfalls in der Doku zu Wort kommt, schildert.
Im Namen der sexuellen "Unschuld" – Tierblut in der Hochzeitsnacht und künstliche Unschuldsbeweise
An der Stelle wäre dann eigentlich alles gesagt, wäre das nicht-vorhandene Häutchen in seiner Bedeutung nicht so aufgeblasen und das Unwissen darüber so weit verbreitet und wenn sich nicht Geld damit verdienen ließe. Die Doku erzählt von Firmen, die zum Nachweis der Jungfräulichkeit Blutplättchen aus Tierblut anbieten, die vaginal in der Hochzeitsnacht eingeführt werden, für den blutigen Beweis der "sexuellen Unschuld" der Braut.
Und von Hymen-"Rekonstruktionen", die auch deutsche Praxen anbieten: Operationen, bei denen das vermeintliche Symbol der Jungfräulichkeit "wieder" hergestellt wird. Dabei wird vaginale Haut zusammengenäht, die beim Geschlechtsverkehr aufreißt, et voilà, die Frau blutet. Eine künstlich erzeugte Wunde und Schmerzen, die verursacht werden, um die Existenz eines imaginären Gebildes zu beweisen?! Das klingt eher nach einem richtig schlechten Film, und man kneift beim Lesen unwillkürlich die Oberschenkel zusammen. Solche Operationen sind aber brutale Realität für viele Frauen, auch in Deutschland. Auch die damit verbundenen Aspekte spart der Film nicht aus, wie über diesen Mythos Macht über Frauen ausgeübt wurde und wird.
Warum der Film über ein nicht-existentes Häutchen alle angeht
Der Film befasst sich mit einem wichtigen gesellschaftlichen Thema, sagt MDR-Fernsehredakteurin Saskia Barthel, die die Produktion der Filmfirma UFA Documentary betreut hat, eine Koproduktion von MDR, RBB und unter der Federführung des Bayerischen Rundfunks: "Die Recherchen für den Film haben gezeigt, dass wir hier nicht nur von Gruppen und Communities mit Migrationshintergrund reden. Wir sprechen von deutschen Schulen, wo in den Lehrbüchern falsche anatomische Abbildungen sind. Von Universitäten, an denen die falsche Anatomie der Frau gelehrt wird." An wen richtet sich der Film? Saskia Barthel: "Auch wenn es ein Film von einer jungen Filmemacherin für ein junges Publikum ist. Wir wünschen uns auch, dass Ältere das angucken, weil wir als Mütter und Väter dafür verantwortlich sind, was die Kinder von uns lernen und welche Bildung unsere Kinder bekommen."
28. Oktober, 18:00 Uhr, Kaufhaus Pop-up Cinema 2. OG, Marktplatz 20 in Halle/Saale.
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