Eine schwangere Frau schaut auf ihr Handy
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Umfassende Metastudie Diabetes in der Schwangerschaft und neurologische Entwicklungsstörungen – warum der Kontext zählt

13. April 2025, 11:00 Uhr

Diabetes bei schwangeren Frauen steht mit einem um 28 Prozent erhöhten Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei den Kindern in Zusammenhang. Das hat eine breit angelegte Metastudie ermittelt. Das klingt zunächst dramatisch und die Studie könnte Frauen, die Diabetes haben und überlegen, Kinder zu bekommen, abschrecken. Noch fehlt es aber an kausalen Belegen für die Zusammenhänge. Zudem sind die absoluten Zahlen nicht so hoch, wie es die relative Steigerung in Prozent vermuten lässt.

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
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Es gibt drei Formen von Diabetes, an denen eine Frau vor oder während der Schwangerschaft erkranken kann: Typ 1-Diabetes, Typ 2-Diabetes und Schwangerschaftsdiabetes. Letzterer tritt ausschließlich während der Schwangerschaft auf und kann etwa durch hormonelle Veränderungen, genetische Veranlagung sowie höheres Alter ausgelöst werden. Typ 1-Diabetes dagegen tritt häufig schon bei Kindern und Jugendlichen auf und ist – im Gegensatz zu den anderen Diabetesarten – irreversibel, weil es durch eine Fehlreaktion des Immunsystems zur Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse kommt.

Diabetes Typ 2 entsteht häufig schleichend und ist in vielen Fällen durch einen ungesunden Lebensstil verursacht – also ein hoher Zuckerkonsum, gepaart mit wenig Bewegung. Allerdings gelten auch Stress und eine genetische Disposition als Risikofaktoren für die Entwicklung von Typ 2-Diabetes. In den vergangenen Jahrzehnten hat die Häufigkeit von Diabetes in Deutschland stark zugenommen. Das gilt vor allem für Typ 2, aber auch bei Typ-1 Diabetes, der nicht durch Lebensstil-Faktoren bedingt wird, steigen die Inzidenzen.

Diabetes bei Schwangeren mit Risiken assoziiert

Dass es mehr Menschen mit Diabetes gibt, bedeutet, dass es auch mehr Frauen mit Diabetes gibt, die möglicherweise Kinder bekommen möchten. Die aktuelle Metastudie im Journal The Lancet legt nahe, dass das für die Kinder mit neurologischen Entwicklungsstörungen einhergehen kann. Dabei geht es beispielsweise um ADHS oder Autismus, aber auch um ein rund 30 Prozent erhöhtes Risiko für eine geistige Behinderung des Kindes, bei Müttern, die Diabetes haben. Das Risiko für eine motorische Störung ist laut der Studie ebenfalls um 17 Prozent erhöht.

Diese Zahlen könnten nun vielen Frauen Sorge bereiten, immerhin handelt es sich bei der aktuellen Studie um eine der umfassendsten Erhebungen zu diesem Thema. Sie ist eine Metastudie, fasst also mehrere bereits existierende Studien zusammen und umfasst 56 Millionen Mutter-Kind-Paare. Allerdings ist es wichtig, die Ergebnisse im Kontext zu sehen. Die Studie zeichnet sich zwar dadurch aus, dass sie extrem umfassend ist – allerdings wurde dementsprechend auch stark verallgemeinert.

Keine direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge

Auch die Autoren selbst schreiben, dass sie zwar Zusammenhänge zwischen dem Diabetes der Schwangeren und der Gehirnentwicklung des Fötus feststellen, aber eindeutige Aussagen darüber, ob der Diabetes wirklich Ursache für die schlechtere Entwicklung war, noch nicht getroffen werden können. Jardena Puder ist Leiterin der Sprechstunde für Diabetes und Schwangerschaft am Universitätshospital in Lausanne. Sie sagt, viele wichtige Faktoren wurden in der Studie nicht berücksichtigt.

Beispielsweise die Blutzuckerkontrolle. Wer Diabetes hat, kann die Krankheit in der Regel günstig beeinflussen – und zwar durch ein gutes Management. Dabei geht es meist darum, die Blutzuckerwerte durch Insulin (meist bei Typ 1) oder kohlehydratarme Ernährung und Bewegung in einem gesunden Bereich zu halten. Bislang ging man davon aus, dass eine günstige Blutzuckerkontrolle während der Schwangerschaft, beispielsweise im Sinne eines niedrigen Langzeitblutzucker-Wertes (HbA1c genannt), die Gesundheit des Kindes maßgeblich beeinflusst. Dieser wichtige Faktor wird in der aktuellen Metastudie nicht berücksichtigt.

Puder sagt, zusätzlich seien etwa auch die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft sowie der Zugang zur Gesundheitsversorgung wichtige Faktoren, die in der aktuellen Studie nicht berücksichtig werden.

Das absolute Risiko für gesundheitliche Folgen ist gering

Dass das Risiko für neurologische Entwicklungsstörungen bei den Kindern von Diabetikerinnen in der Metastudie um 28 Prozent erhöht war, muss man außerdem in Kontext setzen. Diese Störungen sind in der Bevölkerung nicht so häufig, sodass selbst eine Steigerung um zehn bis 30 Prozent keinesfalls bedeutet, dass das eigene Kind zwangsweise erkranken würde.

Christoph Bührer, Direktor der Klinik für Neonatologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin sagt: "Da das absolute Risiko dieser Störungen klein ist, sind die allermeisten Kinder nicht betroffen." Aus seiner Sicht rechtfertige die Zunahme auch nicht, Kinder von Müttern mit Diabetes speziell auf neurologische Entwicklungsstörungen wie ADHS zu testen. "Die kleine Zunahme des absoluten Risikos bei Kindern diabetischer Mütter rechtfertigt keine Sonderbehandlung und berge eher die Gefahr einer Stigmatisierung", betont Bührer.

Zusammenhang Diabetes-Management und Entwicklungsstörungen besser untersuchen

Was es nun braucht, um Müttern mit Diabetes eine Orientierung zu bieten: Weitere Forschung, die mehr Einblicke über die Ursachen der neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern von Diabetikerinnen gibt. Zum Beispiel, ob ein gutes Diabetes-Management mit niedrigen Langzeitblutzucker-Werten die Fälle verringern kann. Christoph Bührer ist wichtig zu betonen, dass die Ergebnisse der Metastudie im Kontext gesehen werden müssen. Würden nun Mütter durch die Hinweise auf mögliche Langzeitfolgen für die Kinder beunruhigt, könnte das wiederum mehr Schaden als Nutzen anrichten.

Mit Expertenaussagen des SMC

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR Thüringen Journal | 14. November 2024 | 19:00 Uhr

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