Corona-Pandemie Wie hoch ist das Risiko einer zweiten Corona-Infektion?

20. Januar 2021, 11:54 Uhr

Schon zu Beginn der Corona-Pandemie wurde über vereinzelte Fälle wiederholter Infektionen berichtet. Kann man sich ein zweites Mal mit dem Virus anstecken? Voneinander unabhängige Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

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Wie unser Immunsystem funktioniert ist weitgehend bekannt. Aber wir wissen noch lange nicht alles. Wie zum Beispiel schaffen es Immunzellen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein?

MDR AKTUELL Mo 06.01.2020 09:56Uhr 02:52 min

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Nach einer überstandenen Corona-Infektion ist die Gefahr, sich erneut mit dem Virus anzustecken, sehr gering – wenn es sich dabei nicht um eine Mutation handelt. Zu diesem Ergebnis kommen zwei unabhängige Analysen. Eine Studie aus Qatar untersuchte 133.266 Probanden mit einem positiven PCR-Test-Ergebnis auf Reinfektion. Sie beschreibt 54 Fälle, die bereits zuvor infiziert waren und erneut symptomatisch an Covid-19 erkrankten. Basierend auf ihren Daten schätzten die Autorinnen und Autoren das Risiko, sich nach einer ersten Infektion erneut anzustecken, auf 0,02 Prozent.

Britische Studie: Weniger als ein Prozent Zweitinfektionen

Die SIREN-Studie aus Großbritannien berechnete mit weniger als einem Prozent ebenfalls eine niedrige Anzahl an Reinfektionen. Von 6.600 Personen infizierten sich 44 Probanden ein zweites Mal. Laut der Forschenden reduziere sich damit das Risiko für eine erneute Ansteckung nach einer überstandenen Corona-Infektion für mindestens fünf Monate um 83 Prozent. Allerdings: "Unter den Reinfizierten fanden sich eine größere Anzahl asymptomatischer Infektionen", hieß es. Würden nur die symptomatischen Reinfektionen betrachtet, reduziere sich das Risiko für eine erneute Infektion sogar um 95 Prozent.

Siren-Studie An der britischen Siren-Studie (Sars-CoV-2 Immunity and Reinfection Evaluation) nehmen mehr als 20.000 Mitarbeiter des britischen Gesundheitssystems teil. Sie wurden seit Juni regelmäßig sowohl auf eine Corona-Infektion als auch auf Antikörper getestet. Die Studie der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) sei die größte Analyse zu Reinfektionen, die systematisch nach asymptomatischen Infektionen sucht, erklärte die medizinische Beraterin Susan Hopkins. Alle zwei bis vier Wochen unterziehen sich die Teilnehmer Bluttests auf Corona-Antikörper sowie PCR-Tests zum Nachweis des Virus selbst.

Virologe Weber aus Gießen: "Vorstellbar, dass die Impfung besser schützt als Infektion"

Zu den Ergebnissen erklärte Friedemann Weber, Direktor des Instituts für Virologie der Uni Gießen: "Die Immunität nach Infektion ist heterogen und korreliert grob mit der Stärke der Krankheit. Milde Verläufe erhöhen also die Wahrscheinlichkeit einer Reinfektion", sagt Weber. Eine Studie zum Impfstoff habe gezeigt, dass der Pegel an Antikörpern in der Impfung drei Mal so hoch ist, wie nach einer natürlichen Infektion. "Es ist deshalb gut vorstellbar, dass die Impfung besser schützt als eine durchschnittliche Infektion.“

Virologe Timm aus Düsseldorf sieht Vergleich zwischen Krankheit und Impfung skeptisch

Den Vergleich zwischen Krankheit und Impfung sieht Jörg Timm, Leiter des Instituts für Virologie, am Uniklinikum Düsseldorf skeptisch. "Ein direkter Vergleich der Schutzwirkung nach ausgeheilter Infektion und Impfung ist nicht möglich, da sich das Studiendesign unterscheidet", erklärte Timm. Für die Zulassung der Impfstoffe sei in der Regel bei Symptomen auf Corona getestet, asymptomatische Infektionen seien daher möglicherweise deutlich untererfasst. In der SIREN-Studie würden die Studienteilnehmer prospektiv serologisch untersucht, um Aussagen über die zukünftige Antikörper-Entwicklung treffen zu können. Nicht vergleichbar sei zudem die Zusammensetzung der Probanden zwischen den Impfstudien und der SIREN-Studie.

Teilimmunität für eine gewisse Zeit

Die Daten der SIREN-Studie belegen, dass sich bei den meisten Patienten zumindest für einige Monate eine Teilimmunität ausbildet – dies ist für den einzelnen Patienten beruhigend und kann helfen, dass Infektionsgeschehen zu bremsen.

Julian Schulze zur Wiesch, Leitender Oberarzt Sektion Infektiologie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Doch zweite Infektionen von Menschen, die schon einmal mit dem Corona-Virus infiziert waren, seien denkbar, erklärte Schulze zur Wiesch. Dies müsse "gut kommuniziert werden". Zudem gelte es, die neuen Virusvarianten genau zu beobachten.

US-Studie: Immunität nach Corona-Infektion kann mindestens sechs Monate andauern

Wie lange Menschen nach einer überstandenen Corona-Infektion immun sind, untersuchten auch Forscher aus den USA. Sie fanden heraus: Menschen können nach einer Corona-Infektion mindestens sechs Monate immun bleiben. Das ist das Ergebnis einer US-Studie, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht worden ist. Die Forscher zeigten: Die Aktivität der Antikörper nimmt zwar mit der Zeit ab, die Zahl der Gedächtniszellen, die sich an den Erreger "erinnern", bleibt jedoch konstant.

Von Gedächtniszellen produzierte Antikörper stärker als erste Varianten

Hinzu kommt: Die von den Gedächtniszellen produzierten Antikörper sind den Wissenschaftlern zufolge potenter als die ursprünglichen Antikörper. Möglicherweise sind sie sogar resistenter gegen Mutationen im Spike-Protein des Virus, hieß es. Das Spike-Protein ermöglicht den Eintritt des Virus in eine überlebenswichtige Wirtszelle. Für die Studie untersuchten Michel Nussenzweig und Kollegen 87 Personen mit einer bestätigten Corona-Diagnose nach einem Monat sowie einem halben Jahr nach der Infektion. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen, die bereits mit den Coronavirus infiziert waren, bei einer erneuten Infektion möglicherweise eine schnelle und wirksame Reaktion auf das Virus aufbauen können", schrieben die Autoren.

Weitere US-Studie: Immunität nach Corona-Infektion hält acht Monate

Eine monatelange Immunität gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus bestätigt auch eine weitere US-Studie der University of California in San Diego. Demnach können die meisten Menschen nach einer durchgestandenen Corona-Erkrankung für mindestens acht Monate immun sein. Wie die Forschenden herausfanden, lagen alle Typen von Immunzellen auch acht Monate nach der Infektion noch bei den meisten Probanden in nennenswerter Menge vor. Die Forschenden untersuchten Blutproben von mehr als 180 Corona-Erkrankten. Die meisten von ihnen erlebten nur milde Symptome, etwa sieben Prozent mussten im Krankenhaus behandelt werden. 43 Proben wurden zu einem Zeitpunkt abgegeben, an dem die Infektion bereits zwischen sechs und acht Monate zurücklag.

Immungedächtnis funktioniert auch lange nach der Infektion

Den Angaben zufolge nahmen Antikörper, welche der Körper zur Abwehr gegen das Virus bildet, am deutlichsten ab. T-Zellen, die infizierte Zellen töten, zeigten jedoch nur einen leichten Rückgang. Die Gedächtnis-B-Zellen, die als immunologisches Gedächtnis fungieren und neue Antikörper bilden können, nahmen hingegen bei den meisten Probanden zu.

Hygieneregeln weiter wichtig

Diese Studienergebnisse zeigten ganz klar, "dass man sich natürlicherweise auch nach einer ausgeheilten Covid-19-Erkrankung und mit positivem Antikörper-Test weiter an die Hygieneregeln halten muss", erklärte Schulze zur Wiesch,
vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf.

Eine Reinfektion scheint möglich und ebenso gibt es die theoretische Möglichkeit, erneut andere anzustecken.

Julian Schulze zur Wiesch, Uniklinikum Hamburg-Eppendorf

Auswirkungen der Mutationen unklar

Inwieweit sich die seit Dezember entdeckten Virus-Mutationen auf die natürliche Immunität und auch die Immunität nach dem Impfen auswirken können, ist bislang unklar. Forschende schätzen jedoch, dass die Immunantwort durch die Mutation am Oberflächenprotein (Spike) des Virus teilweise ausgehebelt werden könnte. Sei dies der Fall, müssten die Impfungen angepasst werden. Wichtig sei deswegen die genaue Beobachtung der weltweiten Mutationen.

Quelle: MDR/SMC/kt

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