Aufgezogene Spritze in einer Hand mit Gummihandschuh
Bildrechte: imago images / UPI Photo

Covid-19 Jena, Dresden, Tübingen - vielversprechende Ansätze für ein Corona-Medikament

07. Januar 2021, 17:12 Uhr

Zuletzt konzentrierte sich die Forschung eher auf einen Corona-Impfstoff, doch auch bei der Entwicklung von Medikamenten gegen Covid-19 gibt es Fortschritte zu verzeichnen. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft, die auch in Mitteldeutschland forscht.

Auch wenn die Impfkampagne gegen das neuartige Coronavirus nach Weihnachten auch in Deutschland angelaufen ist und etwa in Sachsen-Anhalt schon mehr als 10.000 Menschen geimpft wurden – gerade für schwere Verläufe von Covid-19 bleibt die Entwicklung von Corona-Medikamenten essenziell. Zwischendurch wurde diese nach Meinung von Experten auch aus finanziellen Gründen vernachlässigt, weshalb sich der Biotechnologie-Verband "BIO Deutschland" im September 2020 mit einem offenen Brief an die zuständigen Bundesministerien für Gesundheit, Forschung und Wirtschaft wandte. Doch inzwischen gibt es Fortschritte auch bei den Medikamenten, bei denen ähnlich wie bei den Impfstoffen verschiedene Ansätze verfolgt werden.

Die verschiedenen Ansätze für ein Corona-Medikament in der Übersicht
Bildrechte: MDR/Maik Schuntermann

Je nach Stadium brauche man verschiedene Medikamente, erklärt dazu der Bundesverband der forschenden Pharmenunternehmen (VFA) gegenüber MDR Wissen. Zum einen seien dies Mittel, die die Viren stoppen sollen. Dazu kommen die Medikamente für das Herz-Kreislauf-System, da Covid-19 auch das Herz angreift und für Thrombosen sorgen kann. Als drittes wird an Mitteln gearbeitet, die das Immunsystem dämpfen, wenn es in einem weiter fortgeschrittenen Stadium der Krankheit droht überzuschießen. Und schließlich sollen Medikamente der angegriffen Lunge helfen, sich zu regenerieren. Insgesamt wird aktuell an mehreren hundert Medikamenten geforscht - wir stellen einige der aussichtsreichsten Kandidaten vor.

Briten wollen Corona mit Antikörper-Kombination bekämpfen

Mit am weitesten ist das Medikament AZD7442, das zusammen vom Arzneimittelhersteller Astrazeneca und dem University College London Hospitals NHS Foundation Trust (UCLH) entwickelt wurde und sich bereits in der klinischen Phase 3 befindet – also in groß angelegten Studien getestet wird, bei denen es um Wirksamkeit und Sicherheit geht.

Das Mittel, das den martialischen Namen "Storm Chaser" (Sturmjäger) trägt, nutzt eine spezielle Antikörper-Kombination und könnte bei erfolgreichem Studienverlauf bereits im Frühjahr als Notfall-Medikament zugelassen werden. In einer weiteren Studie wird zudem untersucht, ob "Storm Chaser" auch für Patienten geeignet sein könnte, für die aufgrund von Krebs oder anderen immunschwächenden Krankheiten eine Impfung nicht infrage kommt. Die Firma Astrazeneca ist auch bei den Impfstoffen keine unbekannte, denn zusammen mit der Universität Oxford hat sie das Vakzin AZD1222 herausgebracht. Eine Zulassung dafür steht jedoch in der EU noch aus.

An der Uni Jena werden verschiedene Ansätze verfolgt

Bereits im Mai 2020 startete am Uniklinikum Jena eine deutschlandweite Studie, mit der untersucht werden soll, ob das Leukämie-Medikament Ruxolitinib auch bei Covid-19 eingesetzt werden kann. Damit soll die Sepsis (im Volksmund "Blutvergiftung") unterdrückt werden – eine überschießende Entzündung als Reaktion auf Sars-CoV-2, die schwere Lungen- und Organschäden verursacht. "Die Studie läuft noch, unsere Erfahrungen sind sehr gut", teilte der Leiter Prof. Andreas Hochhaus auf Anfrage von MDR Wissen mit. Die Untersuchung solle so lange dauern, wie die zweite Welle läuft. Mit 200 Patienten wurde geplant, aktuell sind 57 dabei. Eine Vorstudie am Schwarzwald-Baar-Klinikum in Villingen-Schwenningen mit 14 Patienten wurde bereits im Juni abgeschlossen und im Fachmagazin "Leukemia" veröffentlicht. Demnach konnten bei zwölf Patienten nach der Behandlung mit Ruxolitinib signifikante Rückgänge bei den Entzündungen verzeichnet werden.

Man muss die entzündungshemmende Therapie zum richtigen Zeitpunkt einsetzen: Nicht zu früh, weil man damit das Immunsystem hemmt und die Virusvermehrung aktivieren kann - sondern erst dann, wenn der Körper wirklich unter der schweren generalisierten Entzünung leidet.

Prof. Andreas Hochhaus, Krebsforscher am Uniklinikum Jena


Ebenfalls in Jena forscht Prof. Niels Riedemann an einem Ansatz, bei dem das Molekül C5a im Mittelpunkt steht. Es koordiniert die Reaktion des Immunsystems auf ein Bakterium oder Virus und kann einen sogenannten Zytokinsturm auslösen, eine inmunologische Überreaktion, die bei Covid-19 für schwere Verläufe sorgen kann. Das Team um Riedemann hat daher einen Antikörper gegen C5a entwickelt, der indirekt auch gegen das Coronavirus helfen soll. Die Studien dazu befinden sich aktuell in Phase 3, "wir sind nicht sehr weit davon entfernt, zu wissen, ob das wirklich ausreichend gut funktioniert", sagte Riedemann gegenüber MDR Aktuell.

Uni Tübingen versucht es über Enzyme

An der Universität Tübingen wird derweil an einem bioinformatischen Ansatz geforscht. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) hat Dr. Andreas Dräger mit einem Computermodell untersucht, wie sich das Enzym Guanylatkinase 1 ausschalten ließe und damit die Virusvermehrung gestoppt werden könnte, ohne die Wirtszelle zu beschädigen. In diesem Fall waren die Zellen sogenannte Alveolarmakrophagen, die in den Lungenbläschen für die Abwehr von Fremdkörpern zuständig sind. Wenn die Zellen vom Virus befallen sind, werden sie umprogrammiert und dazu gezwungen, neue Virenbestandteile zu produzieren.

"Wir haben zunächst die Zusammensetzung des Virus analysiert und daraus berechnet, welches Material benötigt wird, um ein Viruspartikel herzustellen", erklärt Dräger. Bereits zugelassene Hemmstoffe sollen nun auf ihre Wirksamkeit gegen das neue Coronavirus getestet werden.

Neutralisierende Antikörper als vielversprechende Alternative

Das DZIF ist auch an einer Untersuchung beteiligt, bei der neutralisierende Antikörper gegen Sars-CoV-2 eingesetzt werden sollen. Zusammen mit der Uniklinik Köln, der Uni Marburg und dem Unternehmen Boehringer Ingelheim wurde der Antikörper BI 767551 entwickelt, der sich seit Mitte Dezember in der Phase-1/2a der Prüfung befindet. Dabei wird das Mittel entweder über eine einmalige Infusion oder über eine einmalige Inhalation verabreicht. Wenn es eine gute Verträglichkeit zeigt, soll es in weiter fortgeschrittenen Studienphasen untersucht werden.

Untersucht wird bei den Studien auch der Einsatz zur sogenannten Postexpositionsprophylaxe. Hier wird der Antikörper Personen verabreicht, die mit dem Virus in Kontakt gekommen, aber noch nicht erkrankt sind. "Menschliche monoklonale Antikörper sind eine vielversprechende Komponente in der Bekämpfung von neuen Viren, wie Sars-CoV-2", sagt Prof. Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie an der Uni Marburg. "Wenn diese Antikörper sich als effektiv gegen Covid-19 herausstellen sollten, könnte diese Erkenntnis in der jetzigen sowie bei zukünftigen Epidemien und Pandemien hilfreich sein."

Körpereigener und geschlechtsspezifischer Ansatz in Franken

An der Uni Erlangen-Nürnberg forscht Prof. Armin Ensser derzeit zu der Rolle von sogenannten TRIM-Proteinen und anderen Wirtszellfaktoren bei der Eindämmung von Sars-CoV-2. Bereits bekannt ist, dass die Tripartite Motif-(TRIM)-Eiweiße, von denen es mehr als 70 gibt, die Vermehrung von RNA- und DNA-Viren beeinflussen. Darin dürften auch körpereigene und geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Virusanfälligkeit begründet sein.

"TRIM-Proteine können die virale Replikation hemmen. Beispielsweise sorgen sie für den Abbau von viralen Komponenten oder sie verstärken die angeborene Immunantwort", erläutert Prof. Ensser. Er geht davon aus, dass auch bei Covid-19 bisher nicht identifizierte TRIM-Eiweiße Einfluss auf die Anfälligkeit von Wirtszellen und auf die Vermehrung der Viren haben. Bestätigt sich dies, gäbe es einen neuen Behandlungsansatz für die Krankheit. In einem nächsten Schritt müssen nun die für Sars-CoV-2 relevanten TRIM-Proteine identifiziert werden.

Stammzell-Mittel könnte Durchbruch bei schweren Fällen bedeuten

An der Uni Miami wird an einer völlig neuen Therapie für Covid-19-Patienten geforscht: Mit Stammzellen aus der Nabelschnur soll sich von Corona zerstörtes Gewebe regenerieren können. Erste Tests sind vielversprechend.

Rekonvaleszentenplasma-Therapie mit Dresdner Beteiligung

Bereits länger bekannt ist die Möglichkeit, gegen Infektionskrankheiten wie Masern, Mumps aber auch Sars- und Mers-Coronaviren sogenanntes Rekonvaleszentenplasma einzusetzen. Dabei handelt es sich um Blutplasma von Personen, die eine Infektionskrankheit erfolgreich überstanden haben und eine Immunität gegen den entsprechenden Erreger entwickelt haben – dieses Plasma enthält Antikörper, die den Erreger gezielt bekämpfen können.

Bei Covid-19 besteht allerdings das Problem, das die Menge der Antikörper im Serum der genesenen Patienten stark variiert. Daher sind zuverlässige, schnelle und einfache Testsysteme wichtig. Forscherinnen um Prof. Barbara Schnierle vom Paul-Ehrlich-Institut, haben in einer Kooperation mit der Berliner Charité, der Uniklinik Dresden und dem Blutspendedienst Dresden drei dieser Systeme verglichen. Am besten schnitt bei der Studie der sogenannte sVNT-Test (Surrogatvirus-Neutralisierungstest) ab. Er kann auch in Laboren mit niedriger Sicherheitsstufe, wie sie in vielen Krankenhäusern zu finden sind, genutzt werden.

cdi

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/0d00147c-0993-40ff-94c1-45a54f91c364 was not found on this server.