An den "ex vivo"-Kreislauf angeschlossene Spenderlunge
Bildrechte: University Health Network (UHN), Kanada

Transplantation Blutgruppe von Spenderorganen kann umgewandelt werden

20. Februar 2022, 05:00 Uhr

In einer sogenannten Proof-of-Concept-Studie ist es gelungen, ein Spenderorgan so mit Enzymen zu behandeln, dass es für alle Blutgruppen verwendbar ist, ohne abgestoßen zu werden.

Es ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Schaffung "universell", also für alle Blutgruppen einsetzbarer Organe. Eine Spenderlunge wurde in Kanada außerhalb des menschlichen Körpers ("ex vivo") so behandelt, dass sie später keine Abstoßungsreaktion zeigte, obwohl sie es nach ihrer ursprünglichen Blutgruppe hätte tun müssen.

Universell einsetzbare Organe zu haben, bedeute, "dass wir die Barriere der Blutübereinstimmung beseitigen und Patienten nach medizinischer Dringlichkeit priorisieren könnten, wodurch mehr Leben gerettet und weniger Organe verschwendet würden", sagt Dr. Marcelo Cypel, seines Zeichens Chirurg, Professor und Mitautor der neuen Studie.

Diese Studie hat das Attribut "Proof of Concept", das bedeutet, dass sie erstmals die prinzipielle Machbarkeit des Vorhabens zeigt. In der Wirtschaft würde man sagen, man habe einen ersten funktionierenden Prototyp geschaffen. In diesem Fall ist der Prototyp aber eben eine menschliche Lunge, deren Blutgruppe verändert wurde.

Blutgruppen

Die Blutgruppe eines Menschen wird durch das Vorhandensein von Antigenen auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen bestimmt – Blutgruppe A hat das A-Antigen, B hat das B-Antigen, AB-Blut hat beide Antigene und 0 hat keines. Antigene können eine Immunreaktion auslösen, wenn sie für den Körper fremd sind. Deshalb kann man bei Bluttransfusionen nur Blut von Spendern erhalten, die dieselbe Blutgruppe haben – oder die universelle Blutgruppe 0.

Neben den Antigenen gibt es aber auch noch je nach Blutgruppe unterschiedliche Antikörper. A hat Antikörper gegen B, B gegen A, AB-Blut hat keine Antikörper, aber Blutgruppe 0 hat Antikörper gegen A und B. Wenn deshalb jemand mit Blutgruppe 0 (d. h. mit Antikörpern gegen A und B) ein Organ von einem Spender mit Blutgruppe A erhalten würde, dann würde das Organ höchstwahrscheinlich abgestoßen werden.

Dr. Aizhou Wang
Dr. Aizhou Wang Bildrechte: Dr. Aizhou Wang

Patienten mit Blutgruppe 0 warten im Durchschnitt doppelt so lange auf eine Lungentransplantation wie Patienten mit Blutgruppe A, sagt Dr. Aizhou Wang, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Dr. Cypel und Hauptautorin der Studie. "Dies wirkt sich auf die Sterblichkeit aus. Patienten mit Blutgruppe 0, die eine Lungentransplantation benötigen, haben ein um 20 Prozent höheres Sterberisiko, während sie auf ein passendes Organ warten", so Dr. Wang weiter. Auch stehe ein Patient mit Blutgruppe 0 oder B, der eine Nierentransplantation benötigt, durchschnittlich vier bis fünf Jahre auf der Warteliste, während es bei den Blutgruppen A oder AB nur zwei bis drei Jahre seien.

Wenn man alle Organe auf den universellen Typ 0 umstellt, kann man diese Barriere vollständig beseitigen.

Dr. Aizhou Wang, Hauptautorin der Studie

Das Experiment

Bei dem Experiment wurde das in Toronto entwickelte "Ex Vivo Lung Perfusion"-System als Plattform für die Behandlung verwendet. Dieses System pumpt flüssige Nährstoffe durch das Organ, so dass dieses auf Körpertemperatur erwärmt werden kann, um es vor der Transplantation zu reparieren und zu verbessern.

Aufbau des "ex vivo".Kreislaufs mit der Spenderlunge in dem durchsichtigen Gefäß in der Mitte
Aufbau des "ex vivo"-Kreislaufs mit einer Spenderlunge in der Mitte Bildrechte: University Health Network (UHN), Kanada

Für das Experiment wurden menschliche Spenderlungen benutzt, die aus medizinischen Gründen nicht für eine Transplantation geeignet waren. Ein Lungenflügel wurde mit Enzymen behandelt, um die Antigene von der Oberfläche des Organs zu entfernen, während der andere Lungenflügel desselben Spenders unbehandelt blieb.

Dr. Aizhou Wang, Hauptautorin der Studie, fügt dem "ex vivo"-Kreislauf Enzyme hinzu.
Dr. Aizhou Wang, Hauptautorin der Studie, fügt dem "ex vivo"-Kreislauf Enzyme hinzu. Bildrechte: University Health Network (UHN), Kanada

Anschließend fügte das Team dem Kreislauf Blut der Blutgruppe 0 mit hohen Konzentrationen von Anti-A-Antikörpern hinzu, um eine AB0-inkompatible Transplantation zu simulieren. Die Ergebnisse zeigten, dass die mit den Enzymen behandelten Lungenflügel gut mit diesem Blut zurechtkamen, während die unbehandelten Lungenflügel Anzeichen einer Abstoßung zeigten.

Enzyme aus dem Darm

Zwei aus dem menschlichen Darm stammende Enzyme in der Hand von Dr. Aizhou Wang, Hauptautorin der Studie
Die beiden verwendeten Enzyme in der Hand von Dr. Aizhou Wang Bildrechte: University Health Network (UHN), Kanada

Die verwendeten Enzyme stammen aus dem menschlichen Darm. Ihre Eigenschaften wurden schon 2018 von Biochemiker Dr. Stephen Withers und seinem Team entdeckt. "Diese Gruppe von Enzymen, die wir im menschlichen Darm gefunden haben, kann Zucker von den A- und B-Antigenen auf roten Blutkörperchen abschneiden und sie in universelle Zellen vom Typ 0 umwandeln", erklärt Dr. Withers.

Das Forscherteam will nach diesem ersten Erfolg nun an einem Vorschlag für eine klinische Studie arbeiten, die möglichst schon in einem bis anderthalb Jahren beginnen soll.

Link zur Studie

Die Studie wurde unter dem Titel "Ex vivo enzymatic treatment converts blood type A donor lungs into universal blood type lungs" in "Science Translational Medicine" veröffentlicht.

(rr)