Transplantation Schweineherz rettet 57-jährigen – eine Einordnung der OP von deutschen Ärzten
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03. April 2024, 09:07 Uhr
In den USA wurde einem Mann ein ganzes Schweineherz transplantiert. Er ist wohlauf. Dieser Eingriff gilt als medizinische Sensation. Aber wäre eine solche Operation auch in Deutschland möglich gewesen? Und was muss man dabei beachten?
David Bennet hatte die Wahl: Sterben oder ein Schweineherz transplantiert bekommen. Menschliche Spenderherzen standen nicht zur Verfügung, denn Organe sind auch in den USA knapp. Derzeit warten 100.000 Menschen auf ein Spenderorgan, teilt der wissenschaftliche Direktor eines Transplantationsprogramms, Muhammed Mohi’uddin, in einem Statement der Universität von Maryland mit. Außerdem war Bennet für eine Organspende zu krank und wäre gar nicht auf die Liste gekommen.
Diese Organtransplantation zeigt erstmals, dass ein genetisch verändertes Tierherz wie ein menschliches Herz funktionieren kann, ohne dass es der Körper sofort abstößt.
Für den 57-jährigen Bennet ging die siebenstündige Operation gut aus, teilten die Mediziner und Medizinerinnen nach drei Tagen mit. Zu diesem Zeitpunkt wurde er nämlich von der Beatmungsmaschine genommen, bisher kam es zu keinen Komplikationen. Auch, wenn noch nicht sicher ist, ob Bennets Körper das genetisch modifizierte Schweineherz komplett annimmt.
"Die Überlebenschancen für den Empfänger sind schwer einzuschätzen. Es ist bereits beachtlich, dass der Patient die ersten Tage nach dem Eingriff offensichtlich gut überstanden hat", erklärt die Leiterin der experimentellen Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Jena, Dr. Uta Dahmen. "Es bleibt abzuwarten, ob dieser Erfolg von Dauer ist und ob sich andere Abstoßungsformen wie die akute und chronische Abstoßung im weiteren Verlauf entwickeln und ob diese dann behandelbar sind."
Xenotransplantationen nennt man das Verfahren, bei dem Organe, Zellen oder Gewebe von einer auf eine andere Spezies verpflanzt werden.
Xenotransplantationen auch bin Deutschland?
Hätte man in Deutschland denselben Eingriff ebenfalls durchgeführt? Nein, weil es dafür noch kein Gesetz gibt. Dennoch ist man sich hierzulande der Chancen dieses medizinischen Eingriffs bewusst. "Es handelt sich um einen Riesenfortschritt in der Transplantationsmedizin, vergleichbar mit der ersten Allotransplantation", erklärt Dr. Joachim Denner in einem Statement der Freien Universität Berlin. Unter einer Allotransplantation versteht man die Transplantation von Gewebe eines genetisch nicht identischen Spenders, der aber zur selben Spezies gehört.
Geforscht wird auch in Deutschland, allerdings an nicht-humanen Primaten. "Diese Studien haben gezeigt, dass ein Schweineorgan längere Zeit im Pavian funktionieren kann", so Denner. Bis zu 195 Tage habe das Organ funktioniert. Während dieser Zeit konnten die Forschenden wichtige Informationen sammeln, die für die genetischen Modifikationen notwendig sind. Beispielsweise müssen bestimmte Immunsuppressiva verabreicht werden. Immunsuppressiva sind Arzneistoffe, die die Funktionen des Immunsystems unterdrücken. Außerdem hat sich gezeigt, dass das zu transplantierende Organ frei von bestimmten Herpesviren sein muss. Ansonsten würde der Körper das Organ abstoßen.
Organe von Schweinen und Menschen passen zusammen
Im Oktober 2021 gab es ebenfalls in den USA einen ähnlichen Transplantations-Fall, jedoch war es hier die Niere eines Schweins. Damals hatte man die Schweineniere an den Blutkreislauf einer hirntoten Frau über die Beinvene angeschlossen – natürlich außerhalb des Körpers. Die genetisch veränderte Niere begann sofort Urin auszuscheiden und Blut zu reinigen und das für 54 Stunden.
Schweine lassen sich sehr schnell züchten und ihre Organe eignen sich unter anderem wegen ihrer Größe besonders gut für Transplantationen – solange sie genetisch modifiziert sind, wie bei dem amerikanischen Patienten Bennet.
"Die Genschere Crispr wurde eingesetzt, um dort verschiedenste Modifikationen, Veränderungen letztendlich an den Oberflächen der Gefäße, also der Kontaktstelle des Empfängerblutes mit dem Transplantat, vorzunehmen", erklärt Nephrologe Dr. Andreas Linkermann von der Uniklinik Dresden gegenüber MDR AKTUELL.
Die Ärzte wissen "dass dort verschiedene Zuckerketten angeheftet sind, die diese Abstoßung auslösen: Gerade die Abstoßung zwischen zwei verschiedenen Spezies". Und genau diese Zuckerketten machen den Unterschied zwischen den Spezies aus – beim Menschen fehlen sie nämlich komplett. Die Zuckerketten aktivieren dann das menschliche Immunsystem, was wiederum zu Abstoßungsreaktionen führt und zur Zerstörung der Organgefäße. Aus diesem Grund mussten sie entfernt werden. Bei einer Organtransplantation von Mensch zu Mensch gäbe es zumindest keine störenden Zuckerketten (fachsprachlich: Galaktosyl-alpha-1-3-Galaktosyl-Protein, kurz GGTA1).
Organspender fehlen
Warum Forscher große Hoffnungen in Xenotransplantationen setzen, wird klar, wenn man auf die Zahlen schaut. Ähnlich wie in den USA gibt es auch in Deutschland zu wenig Spenderorgane. Laut dem Bundesministerium für Gesundheit warten derzeit um die 9.400 Personen auf ein Spender-Organ (unabhängig von der Art des Organs).
Alltag ist das Verfahren in den USA keineswegs. Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hatte im Fall Bennet eine Sondergenehmigung erteilt.