Organtransplantation Wie das Organ zum Empfänger kommt
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23. März 2018, 20:50 Uhr
Etwa 80 Koordinatoren unterstützen die Krankenhäuser bundesweit im Organspendeprozess. Im akuten Fall unterstützen sie die Mitarbeiter vor Ort in allen organisatorischen Abläufen. Für das Projekt "Studenten schreiben" hat sich Daniela Schulze mit den beiden Koordinatoren Florian Brode und Stephan Dammköhler aus Halle getroffen. Sie erzählen aus ihrem Alltag bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO).
Am Anfang eines neuen Lebens steht der Tod. Zumindest für Florian Brode und Stephan Dammköhler. Die beiden Hallenser arbeiten als Koordinatoren der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in der Organisationszentrale der DSO-Region Ost in Leipzig. Deutschlandweit sind etwa 80 Koordinatoren im Einsatz und begleiten Weg des Organs vom Spender zum Empfänger.
Am Anfang steht der Tod
Wenn bei einem Patienten eine irreversible Hirnschädigung festgestellt wird, benachrichtigt das Krankenhaus die DSO. So ist es gesetzlich geregelt. Daraufhin fährt ein Koordinator ins Krankenhaus. Vor Ort informiert er sich über den Zustand des Spenders sowie die Möglichkeiten einer Transplantation. Dabei arbeiten sie eng mit den Krankenhausmitarbeitern zusammen, beraten und helfen. Für eine Transplantation bedarf es außerdem der Zustimmung zur Organentnahme, zum Beispiel über einen Organspendeausweis.
Wenn der Spender seinen Willen zur Organspende nicht dokumentiert hat, müssen die Angehörigen entscheiden. Eine schwere Entscheidung, bei der auch die Koordinatoren den Angehörigen beistehen. Das erfordert viel Fingerspitzengefühl. Dammköhler, der vor seiner Zeit bei der DSO Pfleger auf der Intensivstation war, erklärt: "Jeder Angehörige trauert anders. Manche werden wütend, manche brechen zusammen, manche sitzen da und man hat das Gefühl, es ist nichts passiert und wie an jedem anderen Tag. Manche möchten nur zwei Minuten und danach nie wieder etwas etwas zum Thema Organspende hören, manche brauchen viel Kontakt."
Die Daten müssen in die Niederlande
Liegt eine Einwilligung zur Organentnahme vor, leiten die Koordinatoren zusammen mit der Klinik die notwendigen medizinischen Untersuchungen des Verstorbenen ein. Die Organe müssen auf ihre Funktionsfähigkeit getestet werden. Außerdem sind Blutgruppe und Gewebemerkmale wichtige Informationen für die Suche nach einem passenden Empfänger.
Die gesammelten Daten übermittelt der Koordinator an die Vermittlungsstelle Eurotransplant in den Niederlanden. Ein Computerprogramm gleicht hier die Daten der Spenderorgane aus acht Ländern inklusive Deutschland mit den Empfängern auf der Warteliste ab. Dabei geht es um Dringlichkeit und Erfolgsaussicht.
Auf Multitasking kommt es an
Für den Koordinator heißt es in der Zeit erstmal warten. Vier bis sechs Stunden kann es dauern, bis ein passender Empfänger gefunden ist. Sobald feststeht, wohin die Organe sollen, muss es schnell gehen. In Absprache mit dem Krankenhaus und den entsprechenden Transplantationszentren organisiert der Koordinator die Organentnahme. Sein Telefon steht selten still, er ist die Schnittstelle für alle Beteiligten. "Wir sind im Rahmen unserer Tätigkeit auch Seelsorger, Experten für Intensivmedizin, Fortbilder, Logistiker, Manager und Zuhörer", fasst es Brode, der bereits seit 18 Jahren als Koordinator arbeitet, zusammen.
Jede Minute zählt
Sorgfältig verpackt gehen die Organe auf Reise. Herzen können bis zu vier, Nieren bis zu 24 Stunden auf Eis liegen, bevor sie beim Empfänger eingesetzt werden. Vom Auto bis zum Flugzeug kümmert sich der Koordinator um die Organisation des Transports. Dabei sei man sehr angespannt und hoffe, dass mit dem Organ nichts passiert, so Dammköhler. Wenn das Organ im Transplantationszentrum ankommt, ist alles schon vorbereitet. Geht alles gut, bekommt der Empfänger ein zweites Leben.
Wer die Organe erhalten hat, erfahren die Angehörigen des Spenders nicht. Wie es ihm geht, können sie aber dennoch über den Koordinator erfahren. Diese stehen den Angehörigen auch nach der Spende zur Seite, wenn sie es wünschen. "Manche Empfänger verfassen einen Dankesbrief an die Angehörigen ihres Organspenders," sagt Brode. Die Weiterleitung eines anonymisierten Briefes an die Spenderfamilie sei derzeit zwar leider nicht möglich. Die DSO biete aber an, solche Dankesbriefe über verschiedene Wege vielen Angehörigen von Organspendern zugänglich zu machen – zum Beispiel durch Vorlesen auf Treffen von Angehörigen, in Publikationen wie dem "Danke"-Buch für Spenderfamilien oder durch Veröffentlichung auf der Internetseite www.dankesbriefe-organspende.de.
Begleitet von viel Papier
Der Organspendeprozess insgesamt bedeutet für den Koordinator auch viel Papier: "Wir müssen die Vorgänge genau dokumentieren und evaluieren", erklärt Brode. Befunde, Protokolle, Checklisten – bis zu 30 Dokumente und mehr können es je nach Patient und Situation werden. Handy, Laptop und einen mobilen Drucker haben die Koordinatoren immer dabei. Neben dem Einsatz im akuten Spendefall gehören auch regelmäßige Vorträge und Schulungen von Ärzten und Pflegekräften zu den Aufgaben der Koordinatoren. Da eine Organspende sehr selten ist, ist es wichtig, das Krankenhauspersonal immer wieder zu sensibilisieren.
Am Ende das Leben
Die beiden Hallenser arbeiten im Rufdienst. Acht Dienste pro Monat haben sie: "Wenn eine Organspende ansteht, dann arbeitet man da auch mal durch", erklärt Dammköhler. Die Belastung sei hoch. Ein seelischer und körperlicher Ausnahmezustand. Dennoch lohnt sich das Engagement: "Nach so einem langen Tag, geht man nach Hause und denkt daran, dass mindestens ein anderer Mensch heute ein rettendes Organ bekommen hat. Man war ein kleiner Teil von einem größeren Ganzen, das jemandem ein neues Leben schenkt. Das ist eine schöne Sache, die keiner alleine machen kann, da stehen viele dahinter."
Deutsche Stiftung Organtransplantation
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit Hauptsitz in Frankfurt am Main ist die nach dem Transplantationsgesetz beauftragte Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende in Deutschland. Die DSO-Region Ost umfasst die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Organisationszentrale und der Sitz der Geschäftsführenden Ärztin sind in Leipzig.
Über die Autorin: Daniela Schulze schloss ihren Bachelor in Kommunikationswissenschaft und Management 2016 in Erfurt ab. Seit Oktober 2017 studiert sie Multimedia und Autorschaft in Halle. An ihrem Studium gefallen ihr die vielen Freiheiten, um kreativ zu sein und sich in Text, Bild und Film auszuprobieren. Interviews machen ihr besonders Spaß, weil sich dabei oft interessante Gespräche entwickeln.
Quelle: MDR/mh,cw