Wissen-News Menschen im Koma nehmen sehr viel mehr wahr als bislang angenommen
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21. August 2024, 12:59 Uhr
Bei Menschen mit schweren Hirnschäden wissen auch die Fachleute oft nicht, was wirklich im Gehirn vor sich geht. Eine Studie gibt Hinweise darauf, dass viele Kranke im Koma mehr wahrnehmen als bislang angenommen.
Nach einer schweren Hirnverletzung eines Menschen, der dann oft im Koma auf der Intensivstation liegt, stellen sich Angehörige und medizinisches Personal irgendwann die Frage: Hat der Patient oder die Patientin das Bewusstsein wieder erlangt? Um das zu ergründen, wird die verletzte Person zum Beispiel gebeten, eine Hand zu bewegen. Erfolgt keine Reaktion, gehen viele davon aus, dass sie sich noch in einem so tiefen Koma befindet, dass sie nichts mitbekommt. Doch Studien weisen darauf hin, dass dieser Schluss nicht stimmen muss. Denn es gibt Menschen, die äußerlich nicht auf eine Ansprache reagieren, deren Gehirne aber trotzdem kognitiv arbeiten. Frühere Studien an einzelnen Forschungszentren fanden eine solche Aktivität bei ungefähr 15 bis 20 Prozent der Untersuchten. Eine neue Studie kommt nun auf einen höheren Wert von etwa 25 Prozent.
Bisher umfassendste Studie dieser Art
In der Studie untersuchten die Fachleute Patientinnen und Patienten mit schweren Hirnverletzungen aus den USA und Europa. Sie hatten – oft schon vor Monaten – etwa einen Verkehrsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma, einen Schlaganfall oder eine Wiederbelebung nach Herz-Kreislauf-Stillstand. Während in Tests ihre Gehirne gescannt wurden, erhielten sie Anweisungen, zum Beispiel: "Stellen Sie sich vor, sie öffnen und schließen Ihre Hand". Oder sie sollten sich vorstellen, eine Sportart auszuführen. 241 Teilnehmende zeigten, normalerweise im Bett liegend, zwar keine äußerlich sichtbare Reaktion – aber in den Tests befolgten 60 von ihnen die Anweisungen trotzdem minutenlang innerlich. Diese Menschen seien also aufmerksam, verstünden Sprache und hätten ein Kurzzeitgedächtnis, schreiben die Autoren.
Die über viele Jahre durchgeführte internationale Studie sei sehr bedeutend, meint Julian Bösel, Sprecher der Kommission Neurologische Intensivmedizin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Denn sie umfasse die bisher größte Patientengruppe, sei an sechs medizinischen Zentren durchgeführt worden und habe das Phänomen systematischer als sonst erfasst, sagt der Neurologe, der unter anderem an der Uniklinik Heidelberg tätig ist und nicht an der Studie beteiligt war. Die Untersuchung adressiere unter anderem eine zentrale ethische Frage bei solchen Menschen: "Ob man die Therapie fortführen sollte oder nicht."
Links/Studien
Die Studie "Cognitive Motor Dissociation in Disorders of Consciousness" ist im Fachjournal "New England Journal of Medicine" erschienen.
dpa
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 20. April 2020 | 19:39 Uhr
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