Schüler einer 4. Klasse während der Lesestunde
Schüler einer 4. Klasse während der Lesestunde. Laut einer aktuellen Studie hängen die Bildungschancen stark vom Bruttovermögen ab. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Soziologie Brutto- wichtiger als Nettovermögen für Bildungschancen von Kindern

09. Oktober 2023, 10:20 Uhr

Die finanzielle Ausstattung der Eltern bestimmt die Bildungsmöglichkeiten ihrer Kinder mit. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass dabei jedoch bisher das Nettovermögen zu sehr in den Blick genommen wurde.

Vor Kurzem gingen bundesweit Tausende Menschen beim "Bildungsprotest 2023" auf die Straße, auch in Mitteldeutschland. Dabei ging es unter anderem um die zu geringe finanzielle Ausstattung von Kitas und Schulen. In Deutschland haben deshalb Privatschulen und -kindergärten regen Zulauf, was sich aber nur die oberen Schichten leisten können.

Dass die Bildungschancen von Kindern stark mit dem Vermögen der Eltern zusammenhängen, wurde schon in diversen Studien belegt. Eine neue Untersuchung des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften (GESIS) mit Sitz in Mannheim und Köln und der schottischen Universität Strathclyde hat nun gezeigt, dass dabei bisher zu sehr auf das Nettoeinkommen geachtet wurde. Dies könnte zu falschen Vorhersagen führen, welche Kinder eher gute und eher schlechte Bildungsaussichten haben.

Nettobetrag sollte bei Analysen aufgespalten werden

Die Experten schlagen stattdessen vor, den Nettobetrag in Bruttovermögen und Schulden aufzuspalten und ihre gemeinsame Wirkung zu betrachten. Zusätzlich sollten die Vermögenseffekte mit einem bestimmten statistischen Ansatz ("Generalized Additive Models") analysiert werden.

"In einer Simulationsstudie konnten wir zeigen, dass dieser Ansatz systematische Vermögensunterschiede genauer beschreibt und gleichzeitig vermeidet, Muster in den Daten zu finden, die nicht da sind", sagt Studienautorin Nora Müller.

Neuer Ansatz bereits in Studie zu Bildung in USA bewährt

Die Forschenden haben den neuen Ansatz bereits angewendet, um Vermögensunterschiede beim Bildungsniveau in den USA neu zu analysieren. Dabei zeigte sich, dass die Betrachtung des Nettovermögens tatsächlich zu einer falschen Vorhersage führen kann.

Denn in der Studie hatten nicht die Kinder mit hohem Nettovermögen, sondern die Kinder mit hohem Bruttovermögen, unabhängig von der Höhe der Verschuldung, die besten Bildungsaussichten. Kinder mit geringem Bruttovermögen und geringer Verschuldung haben wiederum die schlechtesten Bildungschancen.

Die Ergebnisse der Studie seien wichtig für die Analyse sozialer Ungleichheit und für die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung von Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen, resümieren die Studienautoren.

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