Chronobiologie Leben wir in der falschen Zeitzone?
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03. April 2021, 08:00 Uhr
Sommerzeit, Winterzeit, UTC, MEZ, GMT – da blickt doch keiner durch. MDR WISSEN User Thomas fragt, warum wir eigentlich in der Zeitzone UTC+1 und nicht UTC+4 Leben. Wie wirkt sich das auf uns aus? Und was hat das mit den Sonnenstunden zu tun? MDR WISSEN Reporterin Mandy Weiß hat einen Zeitzonenforscher und einen Chronobiologen befragt.
Sommerzeit, Winterzeit – die Umstellung der Uhr ist eine lästige Angelegenheit zweimal im Jahr. Geht das nicht irgendwie anders? Beispielsweise, dass für alle die gleiche Zeit gilt, weltweit oder in größeren Zeitzonen, als wir sie jetzt haben. Jetlags wären Geschichte, Zeitumstellungen auch – doch was passiert dann mit unserer inneren Uhr?
Die Sonnenuhr ist für unsere inneren Uhren und für unsere gesamte Biologie die eigentliche Zeit, die die Biologie, nämlich uns, unseren Körper, unser Gehirn interessiert. Alle anderen Zeitkonstrukte interessieren unseren Körper nicht.
Prof. Till Roenneberg ist Choronobiologe in München, das heißt er beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Zeiteinflüssen auf den menschlichen Körper. Und um den optimal durch den Tag zu bringen, hat man einst die Zeitzonen festgelegt:
Die Zonen sind ja so angelegt worden, damals in Amerika, am Ende des 19. Jahrhunderts, dass man gesagt hat, man teilt jetzt die Welt in 24-Stunden-Zonen auf, und legt die örtliche Zonenzeit immer in die Mitte von dieser Zone. Das heißt, die Menschen müssen unter diesen Bedingungen nie länger oder weiter weg als 30 Minuten von der Sonnenzeit leben. Die im Osten sind eventuell 30 Minuten zu früh dran, und die im Westen sind 30 Minuten zu spät dran, aber keiner lebt weiter von der Sonnenzeit weg als 30 Minuten.
Die Sonnenzeit spielte da also eine wichtige Rolle, doch mittlerweile ist die Welt globalisiert, viele Zeitzonen sind da eher hinderlich – und in der Industrie gibt es längst eine Weltzeit, die UTC – die Koordinierte Weltzeit.
1884 wurde die Welt auf der "Internationalen Meridiankonferenz" in 24 Zeitzonen mit einer jeweiligen geografischen Länge von 15° aufgeteilt. Zum Nullmeridian wurde der Greenwich-Meridian erklärt. Die koordinierte Weltzeit UTC (Coordinated Universal Time) wurde 1972 eingeführt. Sie bezieht sich geografisch auf den Nullmeridian. UTC+1 ist die Zeitzone, die den Längenhalbkreis 15° Ost als Bezugsmeridian hat. Auf den Uhren in dieser Zone ist es eine Stunde später als die koordinierte Weltzeit. Übrigens ist UTC+1 ebenso die Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Die Mitteleuropäische Sommerzeit erhält man, wenn man zwei Stunden zur UTC addiert.
Für den menschlichen Alltag wäre das Modell aber keine Option, meint Konstantin Bikos, Zeitzonenforscher und Redakteur des Onlineportals Timeanddate:
Dann befände sich zwar zum Beispiel ganz Europa in einer Zeitzone und wir müssten bei einer Reise nach England oder Griechenland die Uhren nicht umstellen, das wäre natürlich praktisch. Aber für die Bewohner der Randbereiche einer solchen Mega-Zeitzone wär das eine echte Zumutung, da sich die gültige bürgerliche Uhrzeit zu weit vom Lauf der Sonne entfernen würde.
Eine einheitliche Weltzeit wäre laut Bikos zwar für den Computer und alles, was mit einem 24/7 Datentransfer zu tun hätte, relativ günstig. Doch für den Menschen wäre es Blödsinn, da diese einheitliche Weltzeit überhaupt nichts mit der tatsächlichen Sonnenzeit zu tun hat. Und die, so sagte es der Chronobiologe ja schon, ist die einzig gesunde für unseren Körper. Was wäre aber, wenn man Zeitzonen nur vergrößerte – China zum Beispiel macht das schon. Wäre das für Europa und den Westen Asiens nicht auch eine Option?
Also, sagen wir mal, die 4-Stunden-Zeitzone basiert auf der mittleren Sonnenzeit von Deutschland. Ganz im Westen von Europa ginge die Sonne dann zum Beispiel erst um zehn, elf Uhr morgens auf. Und die Menschen müssten sozusagen das ganze Jahr über nachts zur Arbeit und in die Schule gehen, also zumindest im Dunkeln. Und im Osten hätte man nicht viel vom Feierabend, denn um fünf wäre es schon wieder dunkel.
Und das, so sagt der Chronobiologe Till Roenneberg, macht uns krank, zumindest die Menschen am Rande einer solchen Megazeitzone:
Ein wichtiger, zentraler Schaltmechanismus sitzt im Gehirn, aber letztendlich hat jede Zelle in unserem Körper ein eigenes molekulares Uhrwerk und eine eigene innere Uhr, und die Leberzelle, die Herzzelle, die Muskelzelle, die richten sich aus nach ihrer rhythmischen Umwelt im Körper und diese rhythmische Umwelt im Körper wird wiederum gestellt durch die Zentrale im Gehirn, die über die Augen nach draußen guckt, ob da Licht ist oder nicht.
In Bezug auf die Zeitumstellung würde eine Zusammenfassung der Zeitzonen zwar die negativen Effekte der Zeitumstellung selbst beheben, also den Mini-Jetlag, den wir nach jeder Zeitumstellung verarbeiten müssen. Aber die Menschen, die in den Randbereichen einer solchen riesigen Zeitzone wohnen, hätten ganz andere Probleme, sagt Konstantin Bikos. Also ist auch das keine wirklich gute Idee. Und übrigens, da sind sich beide Wissenschaftler einig – die beste Zeitzone ist die, in der wir bis vor kurzem gelebt haben, und zwar die europäische Winterzeit:
Wir Deutschen leben in der normalen Zeit, die wir im Winter haben. Das ist unsere Zonenzeit. Die Zeitzone geht mit ihrer Mitte durch Berlin hindurch, das heißt, wir leben alle, bis auf das Saarland, relativ nah an der echten Mitternacht. Wenn wir auf die Uhren gucken und die Uhr sagt Mitternacht, dann ist es nicht überall in der Zeitzone Mitte der Nacht, also die Mitte zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Je weiter westlich sie kommen in Deutschland, desto früher ist es eigentlich vom Sonnenstand, wenn die Kirchturmuhr Mitternacht schlägt.
Und je weiter östlich, desto später nach Mitternacht. Also ist die europäische Winterzeit das einzig wahre für die Deutschen, darin stimmen zumindest Zeitzonenforscher und Chronobiologen überein. Sollten Zeitumstellungen irgendwann mal tatsächlich abgeschafft werden, sollten wir deswegen die Normalzeit, also die Winterzeit als ganzjährige Zeit wählen, da die Sommerzeit mit unserem Längengrad eigentlich nichts zu tun hat, so Konstantin Bikos.
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