Montage riesiger Rohre der Erdgasleitung - Druschba Trasse - bei Iwano Frankowsk durch den VEB Industriemontage, 1976
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Krieg in der Ukraine Bestandsaufnahme: Brauchen wir russisches Gas?

21. März 2024, 10:48 Uhr

Egal ob wir in Euro, Dollar oder Rubel bezahlen – die Daten sprechen eine klare Sprache: Deutschland ist derzeit extrem abhängig vom russischen Gas. Bohrungen in der Nordsee, wie jetzt diskutiert, können höchstens ein ganz kleiner Teil der Lösung sein.
In diesem Artikel wollen wir Daten liefern, die bei Überlegungen helfen können, ob Deutschland auf russisches Gas verzichten könnte oder nicht. Alle Daten sind so neu wie möglich. Manche beziehen sich auf 2021, andere auf 2020.

Erdgas ist derzeit der zweitwichtigste Primärenergieträger in Deutschland. Das Gas machte 2021 mehr als ein Viertel des Energieverbrauchs hierzulande aus. Nur Erdöl hat noch einen etwas höheren Anteil.

Jährlich werden in Deutschland etwa 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht. Die Einheit "Milliarden Kubikmeter" wird uns in diesem Artikel und seinen Diagrammen noch häufig begegnen. Man merke sich also: Deutschland (ver-)braucht relativ konstant etwa 80 davon im Jahr.

Die eigenen Erdgasfördermengen in Deutschland sinken aber von Jahr zu Jahr recht kontinuierlich. Mittlerweile sind es weniger als fünf Milliarden Kubikmeter pro Jahr.

Gibt es da vielleicht noch Reserven? Ja, aber nicht sonderlich viele. Die bekannten Reserven (unterteilt in sicher förderbare und wahrscheinlich förderbare) machen insgesamt nur etwa einen halben Jahresverbrauch aus.

Deutschland muss deshalb viel Erdgas importieren. Zuletzt teilte sich das fast ausschließlich auf drei Export-Länder auf: Russland, Norwegen und die Niederlande, wobei Russland für mehr als die Hälfte aller deutschen Importe sorgte.

Russland ist bislang also Deutschlands Hauptlieferant. Aber umgekehrt dürfte ebenso eine gewisse Abhängigkeit bestehen. Denn Deutschland ist auch Russlands Hauptabnehmer von Erdgas.

Was könnte Deutschland helfen, wenn Russland als Lieferant wegfiele? Neue Pläne, in der Nordsee weitere Gasvorkommen zu erschließen, könnten ein wenig helfen, aber längst nicht die Mengen Gas hervorbringen, die Deutschland braucht. Beispielsweise gibt es ein Vorhaben, mit Horizontalbohrungen Gasvorkommen unterhalb des niedersächsischen Wattenmeers nahe der Insel Borkum zu erschließen. In der Produktionsprognose sei von 14,2 Milliarden Kubikmetern Erdgas die Rede, schreibt der Tagesspiegel – über einen Zeitraum von 35 Jahren. Deutschland braucht, Stand jetzt, aber wie gesagt etwa 80 Milliarden Kubikmeter, und das jedes Jahr.

Eine rechnerisch mögliche, politisch aber wohl undenkbare Variante wäre noch, die eigenen Gasexporte zu stoppen. Es wird ja bislang deutlich mehr Gas importiert, als benötigt wird. Durch den Verkauf des nicht benötigten Gases gehört Deutschland sogar zu den größten Erdgasexporteuren der Welt.

Unter einem deutschen Exportstopp würden allerdings viele Nachbarländer leiden, die mehr oder weniger auf dieses Gas angewiesen sind, allen voran die Tschechische Republik.

Man müsste sich also wohl auf dem Weltmarkt umschauen, wer von den großen Exporteuren in Frage kommt.

Fachleute machen sich nicht erst seit kurzem Gedanken, was wäre, wenn es kein russisches Gas mehr gäbe. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat sich bereits 2018 mit dieser Frage beschäftigt, damals, weil es darum ging, ob man auch ohne Nord Stream 2 auskommt und was geschähe, wenn Russland aus Ärger über ein Nicht-Zustandekommen der Pipeline den Hahn für Deutschland komplett zudrehen würde. Herausgekommen ist eine Prognose, die vielleicht auch heute noch zeigt, wer als Lieferant in die Bresche springen müsste oder dürfte. Vor allem sind das nach dieser vier Jahre alten Prognose die USA, Nordafrika und der Nahe Osten.

Wie es weitergeht, wird die Politik entscheiden. Aber die schiere Menge russischen Erdgases, die Deutschland bislang jährlich bekommt und auch benötigt, dürfte kurzfristig schwer zu ersetzen sein.

(rr)

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