MDRfragt zu den Energiepreisen Mehrheit lehnt Energie-Embargo gegen Russland ab
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16. März 2022, 05:00 Uhr
Ein Stopp russicher Energielieferungen als Sanktion im Ukraine-Krieg wird derzeit diskutiert. Die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer sind mehrheitlich gegen ein solches Energie-Embargo: Mehr als zwei Drittel sprechen sich dagegen aus. Dass Deutschlands Energieversorgung künftig unabhängiger von anderen Staaten werden sollte, ist allerdings ebenfalls für die deutliche Mehrheit wichtig. An der aktuellen Befragung von MDRfragt haben sich knapp 34.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligt.
Sollten wir in Anbetracht des Krieges in der Ukraine die Energie-Einfuhr aus Russland aktuell stoppen? Über diese Frage wird derzeit viel diskutiert in Deutschland. Mehr als zwei Drittel der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, sind gegen ein solches Energie-Embargo gegen Russland.
Warum sie gegen ein Embargo sind, erklären einige der MDRfragt-Mitglieder in den Kommentaren:
Ich bin gegen ein Embargo, weil sich die normale Bevölkerung so eine Preissteigerung einfach nicht leisten kann. Solidarität hin oder her, ich möchte auch nicht, dass mein Kind hungert oder friert, weil ich mir alles nicht mehr leisten kann.
Ein Embargo bringt keinen Frieden, ebenso Waffenlieferungen an die Ukraine oder die Aufnahme der Ukraine in die Nato. Auch ich verurteile aufs Schärfste den Krieg an den Menschen in der Ukraine, aber ein Rückzug aus Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wird nicht zum Waffenstillstand beitragen.
Die Sanktionen sind umfassend und werden wirken. Selbst wenn wir sofort aussteigen, hat Russland noch genügend finanzielle Mittel den Krieg vorerst weiter zu finanzieren. Außerdem sollten wir über diese Ebene auch weiterhin mit Russland in Kontakt bleiben und "guten Willen" zeigen, dass man an eine Rückkehr zu einem normalen Verhältnis glaubt. Alle Brücken abzubrechen, empfinde ich als falsch.
Es gibt aber auch MDRfragt-Mitglieder, die sich für ein Embargo gegen Russland aussprechen:
Es ist die effektivste Sanktionskarte, die wir noch haben. Entweder wir spielen sie jetzt und hoffen auf ein schnelles Ende des Krieges und darauf, dass Putin nicht den Weltkrieg anzettelt. Oder wir reduzieren die Importe und behalten den Embargo-Joker, wenn z.B. die ukrainische Regierung verhaftet wird.
Stopp der Finanzierung von Putins Krieg. Sofortige und turbomäßige Beschleunigung und Ausbau der Erneuerbaren Energien führt zu Energieunabhängigkeit und preiswerter Energie. Ein Ausweichen auf andere fragwürdige Länder (Saudi Arabien oder Quatar) führt uns in eine ähnliche missliche Situation, dies ist allenfalls kurzfristig akzeptabel.
Drei Viertel sind nicht bereit, für Energie-Embargo mehr zu zahlen
Besonders kritisch sehen die MDRfragt-Mitglieder die Preissteigerungen, die bei einem Energie-Embargo höchstwahrscheinlich auf deutsche Verbraucher zukämen. Rund drei Viertel – also noch einmal mehr als ein Embargo generell ablehnen – wären nicht bereit, deshalb deutlich mehr zu bezahlen.
Deutliche Mehrheit für künftige Unabhängigkeit der deutschen Energieversorgung
Auch, wenn ein aktuelles Energie-Embargo eher abgelehnt wird: In Zukunft soll sich Deutschland bei der Energieversorgung unabhängiger von anderen Staaten machen, fordert die deutliche Mehrheit der MDRfragt-Teilnehmenden (88 %).
Mehr als 80 Prozent für schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien
Vor allem den schnelleren Ausbau alternativer Energien befürwortet ein großer Teil der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben (82 %). Die Förderung des privaten Ausbaus von nachhaltiger und autarker Energieversorgung, wie Solaranlagen oder Wärmepumpen, finden 86 Prozent wichtig. Eine Verpflichtung zu diesem Ausbau bei Neubauten befürworten deutlich weniger, mit 63 Prozent aber dennoch die Mehrheit. Aber: In der jetzigen Situation fordern auch jeweils rund drei Viertel die Verlängerung der Laufzeiten von Kohle- und Atomkraftwerken.
Viele MDRfragt-Mitglieder haben uns in ihren Kommentare geschrieben, weshalb sie den Ausbau der erneuerbaren Energien befürworten:
Der Ausbau von erneuerbaren Energie und der zugehörigen Infrastruktur ist in den letzten 20 Jahren verpennt worden. Das wäre der beste Weg zu einer Energieunabhängigkeit.
Wirkliche Unabhängigkeit gibt es nur mit Ökostrom. Auf jedes Dach sollte mindestens eine Solarzelle.
Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ist sowieso Gebot der Stunde. Das erfordert die Klimakrise und die Ukrainische Demokratie.
Andere haben uns geschrieben, weshalb sie für die Verlängerung von Laufzeiten bei Kohle- oder Atomkraftwerken sind:
Der Atom- und Kohleausstieg muss überdacht und rückgängig gemacht werden. Wind- und Solarenergie kann nur unterstützend wirken, aber nicht allein.
Atomkraft ist für mich keine Alterntative für russischen Strom und dann bleibt leider nur noch die Option, Kohlekraftwerke vorübergehend weiter zu nutzen. Zufriedenstellend ist das aber alles nicht.
Wir sollten unsere Atomkraftwerke am Netz lassen. Die sind lange nicht so "dreckig" wie die Kohlekraftwerke. Alles andere dauert viel zu lange und wir können nicht die ganze Landschaft mit Windrädern zubauen.
9 von 10 fordern finanzielle Entlastungen in der Energiekrise
Die deutliche Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt hat, fordert finanzielle Entlastungen, um die steigenden Energiepreise abzufedern. 93 Prozent sprechen sich für eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung auf Energie aus. Außerdem sind etwa neun von zehn dafür, Preisbremsen für Heiz- und Strompreise (91 Prozent) oder für Spritpreise (88 Prozent) einzuführen.
Gestiegene Lebensmittel- und Tankkosten schlagen schon jetzt bei großer Mehrheit aufs Haushaltsbudget
Die steigenden Preise machen sich schon jetzt bei der großen Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder im Portemonnaie bemerkbar:
- So geben 90 Prozent an, dass die steigenden Lebensmittelkosten das Haushaltsbudget etwas oder stark belasten.
- Bei den Tankkosten sind es 85 Prozent, wobei hier insbesondere der Teil derjenigen, die angegeben haben, dadurch starke Auswirkungen zu spüren, besonders groß ist (61 Prozent).
- Auch Heiz- und Stromkosten belasten aktuell bereits bei rund drei Viertel das Budget (73 bzw. 74 Prozent). Hier hat jeweils ein Viertel angegeben, noch nichts von den Erhöhungen zu spüren – vermutlich, weil diese Kosten teilweise erst mit Nebenkostenabrechnungen mit deutlichem Zeitverzug bemerkbar werden.
Hälfte der Autofahrer schränkt Fahrverhalten ein
91 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, haben selbst ein Auto und nutzen dies regelmäßig – der allergrößte Teil davon ein Benzin- oder Dieselfahrzeug. Etwa die Hälfte von ihnen versucht aktuell, das Auto häufiger stehen zu lassen (47 Prozent). Bei mehr als der Hälfte ist das jedoch nicht der Fall (52 Prozent).
Einige haben uns geschrieben, was die derzeitigen Kosten für sie bedeuten und wie sie versuchen, sich einzuschränken:
Wir können nicht mehr am Diesel sparen. Wir wohnen mit unseren 2 Kindern auf dem Land. Unser großer Sohn (9 Jahre) hat 3x die Woche Sport in der Stadt. Selbst wenn ich wollte, ich kann nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Am Ende bezahlen wir als Eltern wieder mehr.
Ich versuche meinen Alltag so umzustellen, dass ich bei gutem Wetter mit dem Rad zur Arbeit fahren kann. Das dauert ca. 45-50min. Ein E-Bike kann ich mir aktuell aber nicht leisten.
Wir fahren am Wochenende nicht in den Harz zum Wandern (was wir sonst fast jedes Wochenende machen), weil uns das Benzin zu teuer ist.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 11.03.- 14.03.2022 stand unter der Überschrift:
Heizen, tanken, essen - Wie sollen wir die steigenden Preise bezahlen?
Insgesamt sind bei MDRfragt 59.970 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 14.03.2022, 21.00 Uhr).
33.834 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 552 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 5.827 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 14.177 Teilnehmende
65+: 13.278 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 17.628 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 8.192 (24 Prozent)
Thüringen: 8.014 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 15.365 (45 Prozent)
Männlich: 18.400 (55 Prozent)
Divers: 69 (0,2 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 15. März 2022 | 16:00 Uhr