Sanktionen gegen Putin Leopoldina: Wie Deutschland russisches Erdgas sofort ersetzen kann

10. März 2022, 11:15 Uhr

Deutschland und Europa können einen sofortigen Lieferstopp für russisches Erdgas verkraften, sagen Forscher der Leopoldina. Dafür müsste unter anderem aber kurzfristig mehr Strom aus Kohle erzeugt werden.

Deutsche und europäische Politiker diskutieren einen Stopp russischer Energieimporte, um Putins finanzielle Möglichkeiten im Krieg gegen die Ukraine weiter einzuschränken. Zugleich könnte Russland von sich aus Lieferungen stoppen, um Europa für die Unterstützung der Ukraine zu bestrafen. Klar ist also, dass EU und Bundesrepublik möglichst schnell unabhängig werden müssen von den Importen. Wie das gehen könnte, haben nun Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einer Ad-hoc-Stellungnahme dargelegt.

Russland liefert bislang 50 Prozent der in Deutschland verbrauchten Erdgasmenge

Klar ist, eine rasche Abkehr vom Erdgas wirbelt bisherige Pläne für die Energiewende ordentlich durcheinander. Denn das Gas ist zwar ein fossiler Energieträger wie Kohle, verbrennt jedoch deutlich sauberer und unter wesentlich geringerem Ausstoß klimaschädlicher Gase. Daher galt Erdgas als wichtige Brücke zwischen dem Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Kohle und dem vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energieträger.

Laut den Leopoldina-Forschern hat Erdgas in Deutschland einen Anteil von 25 Prozent an der primären Energieerzeugung. Dabei wird es meistens zum Heizen verbrannt, sowohl in industriellen Prozessen als auch in privaten Haushalten. Das genutzte Erdgas stammt hierzulande zu etwas mehr als der Hälfte aus Russland. Die übrigen Anteile kommen vorwiegend aus Nordwegen und den Niederlanden.

Kurzfristige Maßnahme: Mehr Stromerzeugung mit Kohle

Flüssigerdgastanker auf See
In den kommenden drei Jahren sollte Deutschland seine Kapazitäten für den Import von Flüssiggas per Schiff ausbauen, rät die Leopoldina. Bildrechte: imago/imagebroker

Um sich auf einen Importstopp des Gases aus Russland vorzubereiten, sollte Deutschland laut den Wissenschaftlern der Leopoldina zunächst seine Erdgasreserven halten oder nach Möglichkeit sogar vergrößern, um sich auf den Winter 2022/2023 vorzubereiten. Aktuell seien die Speicher zu 27 Prozent gefüllt. Durch Importe von Flüssiggas könnte diese Menge vergrößert werden, wenn zugleich der Verbrauch etwa dadurch reduziert werde, dass kurzfristig die Verstromung von Kohle ausgeweitet werde.

Die Folge seien dann zunächst höhere Kosten für den Kauf notwendiger CO2-Zertifikate, da der geplante Ausstieg aus der Kohle bis zum Jahr 2030 nicht in Frage gestellt werden solle. Der sei allein schon deshalb sinnvoll, da auch die Hälfte der nach Deutschland importierten Kohle derzeit aus Russland stamme.

Die Politik müsse aber durch Zuschüsse oder Umlagen dafür sorgen, dass die zusätzlichen finanziellen Kosten für Bürgerinnen und Bürgern mit niedrigen Einkommen sozial abgefedert würden und dass Unternehmen von Energiesteuern entlastet würden. Notwendig seien auch politische Garantien für die privaten Betreiber der Gasspeicher, um große wirtschaftliche Risiken durch mögliche Preisschwankungen am Gasmarkt auszugleichen.

Mittel- und langfristig: Ausbau der Erneuerbaren und der Wasserstoff-Infrastruktur

Hybridkraftwerk in Prenzlau
Langfristig soll Deutschland die Energieerzeugung mit Erneuerbaren ausbauen, wie etwa dieses Hybridkraftwerk im brandenburgischen Prenzlau, wo Windkraft und Biogas kombiniert werden. Bildrechte: IMAGO / Rainer Weisflog

Mittelfristig müsse Deutschland dringend seine Energieversorgung diversifizieren. Dafür sei einerseits ein Ausbau der Flüssiggasimportmöglichkeiten notwendig und eine Ertüchtigung des Gasnetzes. Die Bundesregierung hat bereits entsprechende Schritte beschlossen, unter anderem durch die Beteiligung am Ausbau eines LNG-Terminals im Nordseehafen Brunsbüttel. Auch für zwei weitere Standorte seien die Planungen weit fortgeschritten. Die Leopoldina-Forscher rechnen allerdings damit, dass der Aufbau dieser Terminals mindestens drei Jahre dauert.

Langfristig empfehlen die Wissenschaftler den Ausbau der Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenkraft sowie der Infrastruktur für die Erzeugung und den Import von Wasserstoff. Die Erneuerbaren müssten dafür um mindestens 40 Prozent gegenüber der bereits heute installierten Leistung ausgebaut werden.

Ausstieg aus russischen Energieimporten kann Energiewende beschleunigen

Wichtig sei bei all diesen Maßnahmen, dass sie in enger Abstimmung mit den Partnern in der EU geplant und umgesetzt werden müssten, raten die Forscher. Sie sehen die aktuelle Situation als Chance für eine Beschleunigung der Energiewende im Rahme des EU Green Deals.

(ens)

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