MDR KLIMA-UPDATE | 21. Januar 2022 Geisterflüge, Gott und grüner Sprit
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21. Januar 2022, 11:33 Uhr
Sollen in Europa künftig wirklich leere Flugzeuge umherfliegen? Wessen Verantwortung ist eigentlich der Klimaschutz? Und war 2021 tatsächlich so nass? Ein Klima-Update mit vielen Fragen. Und immerhin einigen Antworten.
Liebe Lesende,
na, wie sieht's aus? Reden wir noch mal übers Wetter? Ja? Okay. Nur ganz kurz. Und danach erzähle ich Ihnen auch gleich, warum – sapperlot! – in Europa Flugzeuge abheben müssen, ohne dass jemand drin sitzt.
Ich nehme an, die Januar-Gräue steht Ihnen ins Gesicht geschrieben und das Regenwetter des vergangenen Jahres steckt Ihnen nasskalterweise noch im Kreuz. (Dass es 2021 "ungewöhnlich" frisch war, hatten wir bereits im ersten Newsletter des Jahres beredet. 🥶 Vergangene Woche hat mein Kollege Marcel Roth Ihnen allerdings auch gleich erzählt, warum wir im Januar über Hitzewellen sprechen müssen. 🥵)
Erstaunlicherweise trügt auch hier das kollektive Empfinden nicht: Mit 801 Millimetern lag der Jahresniederschlag 2021 geringfügig über dem langjährigen Mittel (das wir freilich nicht mehr gewohnt sind).
Sehr ausgeprägt waren – nach 2018 mal wieder – allerdings die Niederschlagsereignisse im Bereich Stark- und Dauerregen. Die Anzahl der Ereignisse war seit Beginn der Radar-Aufzeichnungen 2001 die zweithöchste, mehr als die Hälfte der Ereignisse liefen in einem Zeitfenster bis zwei Stunden ab. Das ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Ein Unwetter ist wohlweislich kein lauschiger Landregen, doch nur der sorgt für eine nachhaltige Sättigung der Natur. Außerdem sind solche Wetterlagen eine ernstzunehmende Bedrohung für Tier und Mensch.
Was dieser Umstand außer dicker Diagrammbalken in der Welt da draußen bedeutet, hat uns die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli gezeigt. An dieser Stelle der oft zitierte Merksatz: Expert*innen rechnen damit, dass es im Zuge der Klimakrise häufiger zu solchen Unwetterereignissen kommt.
Das ist im Übrigen nicht nur ein Problem, weil es ein Problem ist, sondern schadet auch der Wirtschaft ganz erheblich. Tja, und wenn's ums Geld geht … na, Sie wissen ja. ☔️💸
Es schickt sich also, das Klima zu besänftigen, wo's geht. Das, was die Lufthansa da behauptet, klingt aber in etwa so, als wolle man mit einem Fön Blumen gießen.
✈️👻 Die Sache mit den Geisterflügen
❓ Worum es geht:
- U.a. die Lufthansa sagt: Die EU zwinge sie zu Flügen mit leeren Flugzeugen, weil sie sonst bestimmte Start- und Landerechte verlieren würde.
- Damit Airlines ihre Slots behalten dürfen, müssen Sie in der Regel mindestens achtzig Prozent ihrer Flüge durchführen. Das gibt z.B. den Flughäfen Planungssicherheit. Im Zug der Covid-19-Pandemie wurde dieser Wert immer mal an die realen Gegebenheiten angepasst: Er lag schon bei 25 Prozent, ist derzeit bei fünfzig und soll für den Sommerflugplan ab März wieder auf 64 Prozent angehoben werden.
- Die Lufthansa kritisiert das und erklärt, sie müsse durch die Anhebung 18.000 leere oder fast leere Flüge durchführen, was im Zuge der Klimaschutzbestrebungen freilich kaum jemanden zu verklickern ist.
❗️ Warum das wichtig ist:
- Nicht nur die bundesdeutsche Kranich-Airline, auch die niederländische KLM oder Air France beklagen sich über diesen – aus ihrer Sicht – Missstand. Dem pflichtet sogar Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg bei.
- Die EU verweist indes darauf, dass es allein eine wirtschaftliche Entscheidung der Airlines ist, abzuheben oder nicht (und im Zweifel eben Slots zu riskieren). Zudem würde es zahlreiche Ausnahmeregelungen geben.
- Unterstützung bekommt die EU von Billigfluganbietern: Ryanair etwa kritisiert das Lufthansa-Mimimi. Statt "Krokodilstränen zu weinen" sollte man lieber billige Tickets verkaufen. Oder eben nicht auf die Slots beharren. Wenn Lufthansa und Kumpanen ihre Slots freigeben müssten, käme das unter Umständen Billigfliegern gelegen, die dann diese Flüge zu niedrigen Preisen anbieten könnten.
➡️ Was bleibt:
- Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sagte gegenüber der Tagesschau, dass es ihn sehr wundern würde, wenn Lufthansa die angedrohten Geisterflüge wirklich durchführen würde. Die Airline hätte andere Möglichkeiten, z.B. den Einsatz kleinerer Flugzeuge.
- Wenn ein Land zum Hochrisikogebiet erklärt würde, fiele die Quote ohnehin weg, so Schellenberg. Das ist derzeit in Teilen der EU der Fall.
Aus Sicht des Klimaschutzes ist es bekanntermaßen am Besten, gar nicht erst ins Flugzeug zu steigen. 🚅🚲 Und wenn fliegen, dann bitte mit E-Fuels, so ein Konzept, das besonders im vergangenen Jahr in den Fokus gerückt ist. Zumindest am Boden sind diese Treibstoffe erstmal klimaneutral, weil sie nicht aus fossilen Energieträgern gewonnen werden. Sondern synthetisch.
Für die Produktion ist allerhand Energie aus erneuerbaren Quellen notwendig. Die Wüste schickt sich diesbezüglich, weil hier die Sonne unermüdlich scheint und unermüdlich Strom liefert. Fraunhofer-Forschende bescheinigen den E-Fuels aus Sonnenstaaten allerdings keine gute Zukunft. Sie werden schlicht zu teuer sein. Die Hintergründe hat meine Kollegin Kristin Kielon hier für Sie notiert:
🏝🚴 Auch, wenn mit dem Radl nach Malle wahrscheinlich keine so hilfreiche Idee ist: die klimafreundlichste Form eines Ferienausritts wäre es wohl. Trotz Boom ist täglicher Fahrradverkehr aber eher ein Thema für Privilegierte und Akademiker*innen, insbesondere in Großstädten. Das zeigen zwei neue Studien der Uni Köln. Meine Notizen dazu – und warum Fahrradfahren längst keine Discount-Mobilität mehr ist – lesen Sie hier:
Tja nun. Wer rettet denn dann die Welt? Die Schlauen? Oder alle? Oder doch Gott? Gute Frage. Dachte man sich auch bei den diesjährigen Theologischen Tagen der Uni Halle und diskutierte, welchen grundlegenden Wandel die Gesellschaft durchlaufen muss, um die Lebensgrundlagen von Mensch und Tier nicht weiter zu gefährden. Sarah-Maria Köpf fasst das für Sie zusammen:
Dass z.B. Aktivist*innen der Klimaschutzbewegung Fridays for Future sich der Aufgabe des Weltrettens angenommen haben, ist soweit nichts Neues. Doch bei den Anhänger*innen macht sich Frustration breit, weil zu wenig passiert. 🤔 Sie denken darüber nach, den Ernst der Lage mit neuen Mitteln deutlich zu machen:
📰 Was sonst noch so los war
- 🎻🌱 Dresdens öffentliche Kultureinrichtungen sollen nachhaltiger werden. Das bezweckt die Stadt zumindest mit einer Charta im Rahmen des Culture for Future-Projektes. So nimmt sich etwa die Philharmonie vor, sich zu einem grünen Konzerthaus zu entwickeln. Mehr Infos hat MDR KLASSIK.
- 🛣🚧 Die Gruppe Aufstand der letzten Generation plant noch im Januar, Autobahnen im Namen des Klimaschutzes zu blockieren. Die Aktivist*innen wollen damit insbesondere auf zwei ihrer Ziele aufmerksam machen: Ein Essen-Retten-Gesetz und eine Agrarwende bis 2030. Mehr weiß die tageszeitung.
- 🇪🇺🇫🇷 Frankreichs Präsident Macron hat im Zuge der französischen EU-Ratspräsidentschaft vorgeschlagen, u.a. Umweltschutz in die EU-Grundrechtecharta aufzunehmen. Diese Rechte sind seit 2009 verbindlich und können eingeklagt werden. Hintergründe und weitere Vorschläge des Präsidenten gibt's bei Zeit Online.
Zum Schluss
Möglicherweise haben Sie sich schon mal gefragt, warum Grönland so … grau ist. Okay, vielleicht auch nicht. Ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Diese Frage gegenüber einer gemeinhin als sehr weiß bekannten Insel zu stellen, ist aber aktueller denn je. Chris Cummins von Radio FM4 (ORF) hat sich auf die Suche gemacht und im Klimanews Weekly in Text und Bewegbild die Spuren von Grönlands grauem Eis verfolgt.
Apropos Eis … jenes und Schnee hatten wir – bis auf ein Mini-Intermezzo in diesen Tagen – auch schon länger nicht. Bleibt wohl auch erstmal so. Na dann, malen Sie sich halt einfach einen schönen Schneemann.
Und passen Sie auf sich und die Welt auf.
Herzlich
Florian Zinner
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