Berggipfel mit Schnee, Sonne im Gegenlicht, blauer Himmel, Text Das MDR Klima-Update
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MDR KLIMA-UPDATE | 2. Dezember 2022 Die Gipfel der Menschheitsgeschichte

Ausgabe #67 vom Freitag, 2. Dezember 2022

02. Dezember 2022, 14:40 Uhr

Guten Tag,

wir sind’s nur, der Newsletter mit den schweren Themen. Dann fangen wir doch flockig-leicht mit was Erfreulichem an. Echter Winter. Im Moment, in dem ich diese Zeilen tippe, wirbeln ein paar verirrte Schneeflöckchen durchs mitteldeutsche Tiefland, das Ganze bei nebelverhangenen Wetterzuständen und meiner Ansicht nach bitterkalten Temperaturen (der Kollege Clemens Haug sieht das anders, hat er mir in der Mittagspause erzählt, ist eben ein harter Hund). Also: Schnee im Dezember! Sie sehen, die Welt ist noch nicht ganz aus den Fugen. 🛷

Zurück zur Lage. Sie wissen vielleicht, dass wir da zwei Krisen haben, die das Fortbestehen der Menschheit bedrohen: Die Klimakrise, aus der dieser Newsletter hervorging, und die Biodiversitätskrise, das Artensterben, nennen Sie es, wie Sie mögen. Ich werde nicht müde, zu betonen, dass diese beiden Krisen eng miteinander verbandelt sind. Und unterm Strich eigentlich eine große Gesamtkrise ergeben.

Global betrachtet, werden die Krisen der Menschheit von ebender hauptsächlich in Gipfeltreffen und Konferenzen verhandelt. Reden ist Silber, handeln ist Gold (oder so ähnlich) – das ist der Grund, warum wir uns diese Woche die Frage stellen, was diese ganze Konferiererei eigentlich bringt.


Zahl der Woche:

16 Mrd.

… Kilowattstunden Strom – so viel verbrauchen die Server in deutschen Rechenzentren im Jahr. Damit kann man genau so lange 149 Millionen Kühlschränke betreiben. Zwei Drittel sind Müll: "Dark Data" – unbekannte Daten von Unternehmen ohne Verwendung. Wenn sich die Festplatten füllen, merken Heimanwendende, dass Daten irgendwie doch Materie sind. In der Cloud vergisst man aber schnell, dass auch die dortigen Daten irgendwo gespeichert werden müssen und eben nicht in der Luft schwirren. Datenmüll wird zum Klimakiller.

Wie im Büro: Eine Konferenz jagt die nächste.

Heidewitzka. wie heißt dieses Ding jetzt eigentlich … UN-Artenschutzkonferenz? Biodiversitätsgipfel? Weltnaturschutzkonferenz? Weltbiodiversitätskonferenz? Vielleicht ist das schon das erste Problem, dass die 15. Veranstaltung dieser Art hat. Ihre offizielle Abkürzung ist COP (Conference of The Parties – Vertragsstaatenkonferenz), also so wie die der UN-Klimakonferenz. Hinzu kommt das Anhängsel CBD (Convention on Biological Diversity – Konferenz zur Biodiversität). Die startet kommenden Mittwoch im kanadischen Montréal und sollte eigentlich schon 2020 (!) in China stattfinden. Wurde allerdings mehrfach verschoben – China richtet sie nach wie vor aus, auf Grund von Corona aber nach wie vor nicht im Heimatland.

Schon Anfang November kamen in Köln 800 Delegierte zusammen, um auf der Plastic Waste Free World Conference & Expo das Problem mit dem Plastikmüll zu verhandeln. Und dann, das wird Ihnen kaum entgangen sein – die Weltklimakonferenz in Scharm El-Scheich. Das Leben ist derzeit der Gipfel, meinte mein Chef vorhin.

Grafik zeigt Teilnehmendenzahlen bei ausgewählten Klimakonferenzen mit unterschiedlich großen Kreisen: 2022 Scharm El-Scheich 40000, 2021 Glasgow 25000, 2009 Kopenhagen 16500, 1997 Kyoto 10000
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🤔 Sind diese Konferenzen so schlecht?

Fraglich ist, was in großen Teilen der Gesellschaft jetzt eigentlich hängen geblieben ist. Die Ergebnisse der 27. Weltklimakonferenz in Ägypten. Oder deren Begleiterscheinungen, namentlich: zu wenig Verhandlungsgeschick, Coca-Cola als Sponsor, zu schlechte Versorgung der Teilnehmenden, dafür ein immenser Infrastrukturaufwand in der Wüste. (In Zeiten, in denen Großevents in der Wüste sowieso nicht so sonderlich populär sind.)

Einerseits: Es ist nicht alles schlecht an diesen Weltklimakonferenzen –  das 1,5-Grad-Ziel von Paris ist ein Meilenstein, der nicht zu unterschätzen ist. Außerdem bieten die Konferenzen gerade kleinen und armen Staaten eine Bühne, eine, die dieses Jahr auch zielführend genutzt werden konnte. Was aber vor allem für die Konferenzen spricht, ist die Tatsache, dass wir keine Alternative haben.

Dennoch: Die Resultate sind zu spärlich. Zu spärlich, um die Kritik an der Konferenz abebben zu lassen, aber vor allem auch zu spärlich, um die Welt zu retten. Der Klimaforscher Hans-Otto Pörtner ist im Interview mit tagesschau24 einfach nur enttäuscht – auch, weil er die Leistung der Wissenschaft diskreditiert sieht: „Sinnvoller wäre es gewesen, die Erkenntnisse aus der Wissenschaft eins zu eins umzusetzen und nicht vage Formulierungen und gute Absichten aufzuschreiben. Das ist leider manchmal eine Konsequenz der Kompromissfindung in den Verhandlungen.“ Bereits seit 2020 hätte die Menschheit jedes Jahr sieben Prozent der Emissionsreduktion umsetzen müssen, davon sei man weit entfernt. 

🤨 Nicht nur meckern – Verbesserungsvorschläge!

Die Konferenzen müssen ertragreicher werden, das fordert auch die deutsche Politik, in Person von Jennifer Morgan, Ex-Greenpeace-Chefin und klimapolitische Sonderbeauftragte im Auswärtigen Amt. In einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau mahnte sie in Richtung Kurzsichtigkeit der Akteurinnen und Akteure:

Die Haupthindernisse sind oft politische Beharrungskräfte und kurzfristige ökonomische Interessen.

Renommierte Klimaforschende wie Mojib Latif (Geomar Kiel) oder Johan Rockström (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) sehen die Gipfel wenig zielführend und die Chance, etwas zu verändern, eher in Allianzen. Zum Beispiel – analog zu den G20-Staaten – die Allianz der größten Verursacher. Auf die zwanzig größten Industrienationen entfallen schon mal achtzig Prozent der Treibhausgasemissionen.

Oder eine Allianz der Willigen bzw. ein Klimaklub, wie ihn sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wünscht. Soll heißen: Möglichst viele Staaten schließen sich zu einem neuen, nachhaltigen Wirtschaftsraum zusammen, in dem Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz vereint werden und Nachhaltigkeit kein ökonomischer Nachteil mehr ist. 

😯 Also wie jetzt?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob diese Allianzen parallel zu den UN-Klimagipfeln tagen oder sie ersetzen sollen. Die Abschaffung der COP-Weltklimakonferenzen könnte das zarte Pflänzchen Klimabewusstsein nicht im Keim, aber dann doch im Spross ersticken. Wenn sich auf einmal Delegierte aus 200 Staaten nicht mehr mit einem Riesenbohei treffen würden, stünde nur allzu schnell der Ernst der Lage in Frage. Vielleicht sollten die Konferenzen aber weniger an sportliche Großereignisse erinnern und einen Hauch weltpolitische Nüchternheit zurückerlangen – statt vom Thema abzulenken und sich mit Fauxpas wie Versorgungsengpässen (Kein Wasser in der Wüste) und hanebüchenen Hauptsponsoren als Lachnummer in die Kommentarspalten zu manövrieren (Coca-Cola darf ruhig weiterbezahlen, aber vielleicht ohne Werbeplätzchen).

Ihr Takt könnte dem Ticken der Zeitbombe entsprechend erhöht werden. Mit Konferenzen, die als Podium zu verstehen sind, auf dem vor allem die stillen Leidtragenden eine Stimme bekommen. Die Allianzen der Verursacher und Willigen könnten, statt die COPs abzulösen, zusätzlich zusammenkommen – und Fakten schaffen.

Viel Zeit, sich das alles in Ruhe zu überlegen, bleibt freilich nicht

Falls Sie aber noch ein wenig Zeit haben – hier habe ich noch ein paar mehr Stimmen zum Thema notiert:

Im Übrigen: Wir begleiten die UN-Artenschutzkonferenz mit einem Themenschwerpunkt in der kommenden Woche. Die Kollegin Inka Zimmermann hat hier eine schöne Übersichtsseite zusammengebaut:

Wissen

Bodenstück mit bedrohten Tierarten, darunter Feldhamster, Schmetterlinge, Regenwurm, Maulwurf und Maikäfer. Im Hintergrund zeichnet sich ein Baum vor blauem Himmel ab.
Im Dezember findet der Artenschutzgipfel COP 15 in Montréal/ Kanada statt. Die internationale Politik möchte sich dort auf einen neuen Gesetzerahmen zum weltweiten Artenschutz verständigen. MDR WISSEN begleitet die Konferenz mit aktuellen Informationen zum Artenschutz. Bildrechte: MDR

🗓 Klima-Termine

Donnerstag, 8. Dezember – Dresden und Online

Die TU Dresden organisiert eine öffentliche Vorlesungsreihe zum Thema "Ökologische Nachhaltigkeit – Klimakrise: Ursachen, Auswirkungen, Lösungsansätze", die immer donnerstags ab 16:40 Uhr im Hörsaal 4 im Hörsaalzentrum stattfindet. Sie kann auch online verfolgt werden. Wer teilnehmen will, wird gebeten, sich bei der TU anzumelden.

Donnerstag, 8. Dezember – Berlin

Das "Berliner Klimagespräch" fragt in einer Diskussion: "Wo stehen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nach einem Jahr Ampel-Regierung?" Zu Gast sind die Bundestagsabgeordneten Ricarda Lang von den Grünen und Anikó Glogowski-Merten von der FDP, Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf sowie die Bundesgeschäftsführerin vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Klima-Allianz organisiert die Veranstaltung gemeinsam mit anderen Organisationen und bittet um Anmeldung.

Sonntag, 11. Dezember – Halle

Das Forschungsboot "Make Science Halle" fährt zum letzten Mal in diesem Jahr auf Expedition und schippert nach Brachwitz. An Bord soll genascht werden mit "Zutaten der Zukunft", Spirulina, Buchweizen, Hanf und Insekten, und es werden Experimente durchgeführt. Auch für die Bootstour sollten sich Gäste anmelden.


📰 Klimaforschung und Menschheit

Norden Europas wird immer wärmer

In Schweden ist es seit 1860 insgesamt 1,9 Grad wärmer geworden. Das zeigt eine Studie des schwedischen Wetter- und Klimainstituts SMHI. Der Klimaerwärmungswert ist damit hier fast doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt. Das Klima entwickelt sich im Norden Europas also schneller als anderswo. Mehr zum Thema bei tagesschau.de.

Klimaerwärmung auch Gefahr für Steilküsten

Der Klimawandel und der steigende Meeresspiegel gefährden auch Steilküsten, weil sie deren Erosion dramatisch beschleunigen. Das sagen britische Forschende in einer neuen Studie. Bislang seien vor allem Sandküsten untersucht worden. Bis 2100 werden demnach zehn bis 202 Meter Küste zurückweichen, vor allem durch Wellen, die gegen die Küste schlagen. Je stärker der Meeresspiegel steigt, desto höher und stärker werden demnach auch die Wellen. Mehr dazu bei der Süddeutschen Zeitung.                                                                                

Mehr CO2-Ausstoß nach Klimaschutzabkommen-Ausstieg

Wenn Länder aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen würden, würden sie nicht nur kein CO2 mehr sparen, sondern ihren CO2-Ausstoß auch noch steigern. Zu diesem Schluss kommt eine Studie vom Kiel Institut für Weltwirtschaft. Das liege etwa daran, dass die Länder ohne CO2-Steuer kostengünstiger produzieren könnten und dadurch wettbewerbsfähiger würden. Im Fall eines (erneuten) Ausstiegs der USA würde nach Angaben der Studie mehr als ein Drittel der gesamten Emissionseinsparung dadurch wieder aufgehoben. Die Ökonomen Mario Larch und Joschka Wanner untersuchten, wie stark die Effektivität des Abkommens durch einseitige Austritte beschädigt wird.


📻 Klima in MDR und ARD

Kemferts Klima-Podcast 43 min
Bildrechte: MDR / Oliver Betke

👋 Zum Schluss

Wenn Sie Pragmatikerin oder Pragmatiker sind, was die Bescherungsromantik ums Weihnachtsfest betrifft, und möglicherweise einen Drucker auf dem Wunschzettel stehen haben, dann wird Sie das vielleicht interessieren: Der Hersteller Epson hat bekannt gegeben, künftig nur noch Tintenstrahldrucker herzustellen. Wenn man bedenkt, wie aus der Zeit gefallen Drucker heutzutage schon sind, dann sind es Tintenstrahldrucker gleich doppelt. Epson argumentiert aber, dass der CO2-Fußabdruck bei Tintenstrahldruckern sechsmal geringer sei als bei Laserdruckern und 85 Prozent weniger Energie im Alltagseinsatz verbrauchen würden.

Eine bemerkenswerte Entscheidung. Allerdings – weiß nicht, wie da so Ihre Erfahrungen sind: Als ich noch einen (Tintenstrahl-)Drucker besaß, war dieser im seltenen Falle eines Druckauftrags meistens nie einsatzbereit. Die angetrocknete Tinte versiegelte stets verlässlich die Kanülen für Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz. Und die Trockenpatrone landete im Müll.

Also dann, überlegen Sie bitte, ob Sie diese E-Mail wirklich ausdrucken müssen. 🌳

Guten Advent, herzlich
Florian Zinner

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Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.

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