Erneuerbare Energien Das Problem mit der Dunkelflaute
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13. November 2024, 15:49 Uhr
Am 6. November passierte es: In Deutschland wehte so gut wie kein Wind, und die Sonne schien kaum – der Inbegriff einer Dunkelflaute. Warum gab es trotzdem keinen Stromausfall? Und was ist, wenn so etwas in Zukunft häufiger passiert? Wie muss unser Stromnetz aussehen, damit es keinen Blackout gibt, wenn Wind und Sonne schwächeln?
Nicht immer scheint die Sonne. Nicht immer weht Wind. Nicht immer können Photovoltaik- und Windkraftanlagen Strom produzieren. So weit, so klar. Die tägliche Nettostromerzeugung, was diese erneuerbaren Energien betrifft, ist deshalb starken Schwankungen ausgesetzt, je nach Angebot der Natur. In den vergangenen 365 Tagen sah das so aus:
Die Spanne zwischen sehr "guten" und sehr "schlechten" Tagen ist dabei groß. Erinnern Sie sich an den 6. Februar dieses Jahres? Vermutlich nicht. Es war ein Dienstag, ein bisschen sonnig, vor allem aber wehte sehr viel Wind. Windkraftanlagen lieferten den ganzen Tag viel Strom, in den hellen Stunden kamen die Photovoltaikanlagen hinzu. Insgesamt waren erneuerbare Energien für mehr als 70 Prozent des an diesem Tag erzeugten Stroms verantwortlich. An der tatsächlichen Stromlast waren sie sogar zu mehr als 80 Prozent beteiligt, die Windkraft allein zu 78 Prozent.
Dunkelflaute am 6. November 2024
Besser erinnern sich vermutlich einige an die vergangene Woche, vor allem Mittwoch, den 6. November. Vielerorts Nebel, durch den kaum ein Sonnenstrahl hindurch kam, aber noch wichtiger in Sachen Energieversorgung: sehr, sehr wenig Wind. Und die Flaute herrschte nicht nur an Land, sondern auch bei den großen Offshore-Anlagen auf Nord- und Ostsee, die an diesem Tag insgesamt zehn Stunden lang komplett still standen und in den restlichen 14 Stunden auch nur ganz vereinzelt in Bewegung kamen und Strom lieferten. Windkraft allein war an diesem Tag nicht zu 78 Prozent an der Stromlast beteiligt wie noch am 6. Februar (siehe oben), sondern zu 0,5 Prozent, so gut wie gar nicht also.
Warum gab es an diesem 6. November trotzdem keinen großflächigen Stromausfall? Das Stromnetz muss ja stabil gehalten werden, Erzeugung und Verbrauch müssen immer gleich groß sein, damit es keine Blackouts gibt. Also muss an solchen Tagen aus anderen Quellen kommen, was Wind und Sonne nicht liefern können. Am 6. November (und auch an einigen Tagen davor und danach) wurde deshalb erstens etwas mehr Strom aus anderen europäischen Ländern importiert – ein üblicher Vorgang, an diesen Tagen nur mit etwas größeren Mengen.
Und zweitens wurden die sogenannten Flexibilitäten angeschmissen, also Kapazitäten, die nur bei Bedarf Strom liefern. Schnell zuschaltbare Gaskraftwerke gehören dazu. Zukünftig laufen sie vielleicht mit Wasserstoff, derzeit aber noch mit Erdgas. Rund um den 6. November kamen sie ganz verstärkt zum Einsatz, aber auch Kohle- und Ölkraftwerke wurden zugeschaltet. All diese Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen hatten in diesen Tagen etwa doppelt so viel Output wie gewöhnlich.
Dunkelflaute lässt die Strompreise steigen
Die Stabilität des Stromnetzes war nicht in Gefahr. Aber eine spürbare Auswirkung gibt es dennoch, wenn Dunkelflaute herrscht. Kurzfristig schießen dann die Strompreise in den sogenannten Day-Ahead-Auktionen in die Höhe. Die plötzliche Abhängigkeit von fossilen Kraftwerken, die mit höheren Betriebskosten arbeiten, führt dazu, dass die Gebote für Stromlieferungen deutlich steigen. Und so wurden am 6. November im Tagesdurchschnitt 231 Euro je Megawattstunde gezahlt, mehr als doppelt so viel wie normalerweise. In einzelnen Phasen des 6. November lag der Preis sogar bei mehr als 800 Euro. Es war der mit Abstand teuerste Day-Ahead-Tag seit langem, wenn man von den "versehentlich" hervorgerufenen Mondpreisen am 26. Juni absieht, die nichts mit dem realen Marktgeschehen, sondern mit einer technischen Panne zu tun hatten.
Besonders betroffen davon sind energieintensive Industrien und Verbraucher, die kurzfristig auf den Markt angewiesen sind, Privathaushalte zum Beispiel bei dynamischen Stromtarifen, die in Deutschland aber noch nicht allzu verbreitet sind. Aber auch Privathaushalte mit "normalen" Tarifen können bei Dunkelflauten auf lange Sicht höhere Strompreise spüren, da die Versorger die Kosten auf die Endverbraucher umlegen, allerdings bei weitem nicht so sprunghaft wie in Day-Ahead-Auktionen. Und so ist der Strompreis für Neukunden trotz des leichten Anstiegs in der vergangenen Woche immer noch relativ niedrig, zumindest verglichen mit den vergangenen zwei Jahren, wie aus Daten des Vergleichsportalanbieters Verivox hervorgeht.
Was hilft bei zukünftigen Dunkelflauten?
Langfristig stellen häufige Dunkelflauten eine Herausforderung für die Energiewende dar. Was man braucht, um sie zu meistern, wird seit langem diskutiert. So hat sich im vergangenen Herbst beim Science Media Center Germany eine Expertenrunde getroffen. Einig waren sich die Forscher darin, dass es keinen einzelnen Königsweg geben wird. Netzausbau, Zubau von Kraftwerken, intelligente Vernetzung von Energiespeichern (auch privaten) – all das wird aus ihrer Sicht nötig sein. Aber es war Skepsis zu hören, ob das schnell gelingt.
Christian Rehtanz, Institutsleiter für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft an der TU Dortmund, sagte, dass große deutsche Firmen derzeit lieber in anderen Ländern in Kraftwerke investieren, weil hierzulande die Anreize zu niedrig sind. Er denkt deshalb, "bis 2030 werden wir, wenn sich nicht massiv etwas in dem Bereich beschleunigt, nur wenige oder keine neuen Gaskraftwerke sehen." Und gleichzeitig werden dann seiner Ansicht nach auch Automatisierung, Smart-Meter-Rollout und Flexibilisierung nicht so weit vorangetrieben sein wie nötig. "Und die Konsequenz ist, dass wir dann die Kohlekraftwerke eben nicht aus dem Markt nehmen können. Die aber dann vielleicht von den Firmen aus dem Markt genommen werden wollen aufgrund von CO2-Preisen und Ähnlichem." Alles spiele in diesen Fragen zusammen. Und deswegen sei so wenig vorhersehbar.
Um Anreize wird es aber nicht nur bei Investoren, sondern auch bei privaten Stromverbrauchern gehen. Patrick Jochem vom Institut für Vernetzte Energiesysteme am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat solche Fragen in Simulationen und Pilotprojekten schon oft wissenschaftlich untersucht. "Wir sehen dort, dass die Flexibilitäten, die wir bei den Haushalten vermuten, einen großen Einfluss haben auf die Preise", sagt er. "Wir werden künftig größere Preisspreizungen sehen im Strommarkt." Gemeint sind damit veränderliche Preise je nach Tageszeit als Anreiz, tagsüber möglichst weniger Strom zu verbrauchen und nachts dafür mehr, so dass sich die Netzlast ausgeglichener über den Tag verteilt.
... und dann wird das gnadenlos langweilig, dann tut das keiner mehr.
Aber genau da kommen wieder Smart Meter und Digitalisierung ins Spiel. Technik, die dem bequemen Menschen hilft, Strom zum "richtigen" Zeitpunkt zu verbrauchen. Denn Christian Rehtanz hat die Erfahrung gemacht, dass es sonst nicht funktioniert: "In Pilotprojekten hat sich gezeigt: Wenn Menschen das vor Ort selber machen müssen, die machen das eine Woche lang, und dann wird das gnadenlos langweilig, dann tut das keiner mehr", sagt der Dortmunder Forscher. Keiner werde wegen 150 Euro im Jahr "jeden Tag irgendwelche manuellen Tätigkeiten vollbringen. Das muss vollautomatisiert, groß, plattformmäßig passieren."
Einig waren sich die Forscher: Man braucht Anbieter, die den vielen kleinen Privatanwendern ein Energie-Management bieten, das voll automatisiert ist und für die Nutzer keinerlei Komforteinbußen mit sich bringt, während die Stromflüsse durch Preisanreize im Hintergrund zeitlich so gesteuert werden, dass es dem Netz gut tut. Virtuelle Kraftwerke, die so etwas tun, gibt es heute schon.
Für Christian Rehtanz könnten theoretisch schon bald große Firmen (Tech-Giganten, wie er sie nennt) so eine Rolle übernehmen. "Alexa, bitte mach es mir wärmer", könnte es dann zu Hause zum Beispiel heißen, meint Rehtanz, "und dann wird das irgendwo da eingepreist. Und Amazon orchestriert dann Millionen von Kunden. Das wäre eine zukünftige, sagen wir mal IT-basierte Lösung, die man auch heute schon umsetzen könnte." Eingeleitet hatte Rehtanz diese Idee mit den Worten "Ich habe da so eine Vision", fügte aber auch noch hinzu, es sei vielleicht gar keine Vision, "vielleicht ist es auch eher ein Schreckensbild, je nach Einstellung."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13. November 2024 | 11:50 Uhr
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