Ernährungsmedizin Intervallfasten mit Protein-Pacing: Darum ist das zum Abnehmen keine so gute Idee
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05. Juni 2024, 15:31 Uhr
Eine neue Studie lässt aufhorchen: Hoch dosierte Protein-Einnahme in Kombination mit Intervallfasten soll zu schnellen Abnehmerfolgen führen. Das ist aber, ums gleich vorwegzunehmen, leider nur die halbe Wahrheit.
- Durch Kombination von zwei Abnehmmethoden kann sich einer Untersuchung zufolge das Mikrobiom im Darm verändern, was zu schnellen Gewichtsverlusten führen soll
- Fachleute kritisieren das Design der Studie, zudem besteht ein Interessenkonflikt
- Die Behandlung von Adipositas sollte unter medizinischer Aufsicht erfolgen
Badesaison? Winterkilos? Ach nun. Das mag für manche eine unerfreuliche Kombination ungemütlicher Umständen sein. Aber Menschen, die ernsthaft an Adipositas erkrankt sind, haben da ganz andere Sorgen als die Strandmode: Für die sind neue Erkenntnisse aus der Ernährungsmedizin gern mal ein Hoffnungsschimmer für mehr Lebensqualität. So wie die Ergebnisse einer Studie, die aktuell durch die Überschriften geistert. Zur Wahrheit gehört: Mit Hoffnungsschimmern spielt man nicht.
Das Versprechen ist die Verlockung schlechthin und klingt weder zu kompliziert, noch zu einfach, um wahr zu sein: Eine Kombination aus hoch dosiertem Protein und dem sogenannten Intervallfasten soll zu einem kleinen Diätwunder in kurzer Zeit führen. Sieben bis acht Kilo in nicht mal zwei Monaten seien drin, verspricht die Untersuchung an der Arizona State University, die jetzt im renommierten Fachblatt Nature Communications veröffentlicht wurde.
Intervallfasten mit Nahrungsergänzungsmitteln: Überhaupt gesund?
Sowohl die Einnahme von eiweißreichen Nahrungsergänzungsmitteln als auch das Fasten für eine bestimmte Zeit des Tages sind einzeln für sich genommen durchaus etablierte Methoden der Adipositasmedizin. "Bei der Kombination dieser beiden Dinge, da bin ich ein bisschen zurückhaltend und vorsichtig. Ob das überhaupt gesund ist, das kann ich nicht sagen." So die Einschätzung von Christian Sina, Leiter der Ernährungsmedizin an der Uniklinik in Lübeck. Er kritisiert auch die Zusammensetzung der Studie: Die gerade einmal vierzig Testpersonen und der kurze Zeitraum seien schlichtweg nicht aussagekräftig genug und für eine Studie zu Übergewicht eher ungewöhnlich.
Es gibt Menschen, die sehr, sehr gut auf Intervallfasten ansprechen und es gibt wiederum auch Menschen, die darauf gar nicht gut ansprechen
Zudem lasse die Mischung aus Proteinnahrung und Intervallfasten keine Rückschlüsse zu, was da eigentlich wie genau wirkt. Eine Korrelation macht eben keine Kausalität. Gerade beim Intervallfasten sei das zudem sehr individuell: "Es gibt Menschen, die sehr, sehr gut darauf ansprechen und es gibt wiederum auch Menschen, die darauf gar nicht gut ansprechen."
Protein-Pacing ist nur ein Marketingbegriff
Den in der Studie erwähnten Begriff Protein-Pacing für die erhöhte Proteingabe verwendet Sina erst gar nicht. Auch sein Kollege Stefan Kabisch von der Charité in Berlin ist über das Wörtchen gestolpert. Und hat sicherheitshalber noch mal in einer Medizindatenbank nachgesehen: Seit 2016 wurde Protein-Pacing in zehn Publikationen erwähnt. "Alle Paper kommen von der gleichen Arbeitsgruppe. Das ist also deren hauseigener Marketingbegriff, um eine proteinreiche Ernährung zu promoten."
Und das verwundert kaum, weil die Untersuchung von Isagenix gefördert wurde – einem Unternehmen, das Proteinmittelchen verkauft und die Wirksamkeit ganz offensichtlich gern in die trockenen Tücher der Wissenschaft gewickelt wissen möchte. Sowohl Kabisch als auch Sina attestieren den Forschenden um das Papier einen klaren Interessenkonflikt. Dennoch ein Umstand, der – das gehört zur Wahrheit dazu – erstmal kein ungewöhnlicher ist, räumt Christian Sina ein. "Das ist, glaube ich, ganz wichtig zu erwähnen, dass wir gerade auch in der heutigen Zeit diese Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft brauchen. Per se tut es dieser Studie keinen Abbruch, wenn das Design eben ordentlich ist."
Das Mikrobiom verändert sich: Aber wie denn nur?
Und genau daran hapert es eben. Allerdings auch an den Erkenntnissen selbst: So sehen die Forschenden eine Veränderung des Mikrobioms in unserem Verdauungstrakt. Darauf führen sie auch die Gewichtsabnahme zurück. Vor dem Hintergrund, wie wenig wir über die Zusammensetzung unserer Darmflora wissen, gleicht das Stefan Kabisch zufolge eher einem Blick in die Blackbox. Er rät von hoffnungsvollen Schlüssen ab: "Es ändert sich etwas, es ändert sich aber eben ganz, ganz viel und ein Teil der Änderung wird daher kommen, dass die Patienten sich kalorienreduziert ernährt und deswegen abgenommen haben."
Intervallfasten … gibt's in verschiedenen Varianten. So kann auf eine Phase mit 24 Stunden Fasten eine mit 24 Stunden unter normaler Ernährung folgen. Die 5:2-Variante beschreibt fünf normale und zwei Fastentage pro Woche. Bei 16:8 folgt auf eine 16-stündige Phase des Fastens (oft während der Schlafenszeit) eine achtstündige Phase mit normaler Nahrungsaufnahme.
Auch eine Vergleichsgruppe hat sich im Rahmen der Untersuchung kalorienreduziert nach mediterranem Vorbild ernährt, allerdings in der gleichen Zeit weniger abgenommen. Dennoch: Ob schlussendlich nun die Ernährung, die Proteinzunahme oder das Fasten für die purzelnden Kilos verantwortlich sind, lasse sich schlichtweg nicht nachvollziehen, erklärt Kabisch. "Trotz der stärkeren Gewichtsabnahme sieht man bei allen ganz wesentlichen Stoffwechsel-Achsen, also Blutzucker, Blutdruck, Cholesterinspiegel, keinen Vorteil für das proteinreiche Intervallfasten." Deshalb stelle sich die Frage, warum Menschen mit Adipositas überhaupt so viel Gewicht auf einmal abnehmen sollen, wenn es denn keine Vorteile für den Stoffwechsel bringe.
Abnehmen ist nicht abnehmen
Generell sei Intervallfasten kein Allheilmittel und sollte am besten unter ärztlicher Beobachtung stattfinden. "Wenn man abnimmt, muss man gucken, ob man auch an den richtigen Stellen abnimmt, ob wirklich das Körperfett ist, was weggeht und nicht die Muskelmasse."
Christian Sina von der Uniklinik in Lübeck betont, dass man sich zudem auf eine Methode beschränken sollte: "Entweder macht man intermittierendes Fasten, oder man macht eben, dass man den Proteinanteil in der Nahrung erhöht." Für eine kombinierte Diät brauche es schlichtweg noch weitere Studien, um eine Empfehlung aussprechen zu können. Und, ob Fastenpause oder nicht: Ohne die Gesamtkalorien herunterzuschrauben, sind die Erfolgsaussichten einer Diät ohnehin nicht sehr groß.
Unterstützung bei der Recherche durch das Science Media Center
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 05. Juni 2024 | 10:23 Uhr
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