Springbrunnen vor einem Freisitz. Schwitzender Kellner.
Verwaiste Innenstädte? Bei über 35 Grad sind die Freisitze leer. Bildrechte: IMAGO / Andre März

Mediziner fordern Hitzeschutzpläne Hitzefolgen: Mehr Frühgeburten und Schlaganfallwetter

19. Juli 2022, 13:18 Uhr

Die Veränderungen des Weltklimas wird uns mehr Hitze bringen. Und das hat ganz handfeste individuelle Auswirkungen auf die Gesundheit. Es wird die größte medizinische Herausforderung des Jahrhunderts, sagen Mediziner.

"Der Klimawandel macht uns derzeit nicht direkt krank, aber er führt dazu, dass sich bestehende Erkrankungen verschlechtern und sich das Risiko für gesundheitliche Schäden erhöht", sagt Prof. Matthias Knüpfer vom Universitätsklinikum Leipzig (UKL). "Problematisch ist es vor allem, wenn Hitzeperioden länger andauern - einzelne Tage mit hohen Sommertemperaturen machen uns dagegen keine Sorgen." Der Frühchen-Experte engagiert sich bei "Health for Future", einer Initiative vom Medizinerinnen und Medizinern innerhalb der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V., kurz "KLUG".

15 Prozent mehr Frühgeburten während Hitzewellen

Welche Rolle hohe Temperaturen und Hitzewellen in der Frühgeborenenmedizin spielen, sei bereits gut untersucht, so Knüpfers Kollegin, Kinderärztin Dr. Friederike Jonas. "Während Hitzewellen steigt das Risiko für eine Frühgeburt um 15 Prozent, die Gefahr, dass das Kind mit einem niedrigeren Geburtsgewicht auf die Welt kommt, sogar um ein Drittel." Auch andere Folgen der Hitze haben Auswirkungen. Eine hohe Feinstaubbelastung kann ebenfalls zu mehr Frühgeburten führen. Auch die Zahl von Totgeburten steigt laut Jonas um 14 Prozent. "Das sind Entwicklungen, die uns ganz klar Sorge bereiten." Selbst das Hautkrebsrisiko kann deutlich steigen, wenn durch die Hitze entstandene Großfeuer in Australien oder nahe dem Polarkreis enorme Mengen Schmutz in die Atmosphäre bringen und die Ozonschicht zerstören.

Hohes Risiko für Schlaganfälle auch während Abkühlung des Wetters

Schwangere gehören damit zusammen mit Neugeborenen und Kleinkindern, Senioren oder chronisch Kranken zu den durch den Klimawandel und seine gesundheitlichen Folgen besonders gefährdeten Gruppen. Hitzestress als Gesundheitsrisiko, davor warnt auch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Hitzestress wirkt sich auf das Herz aus, so Dr. Florian Rakers vom Uniklinikum Jena. "Das fängt an, arrhythmisch zu schlagen. Es bilden sich Blutgerinnsel und die können dann einen Schlaganfall auslösen." Die WHO rechnet aufgrund der Klimaentwicklung ab 2030 mit 250.000 Hitzetoten pro Jahr. Extreme Temperaturschwankungen können zudem das Schlaganfallrisiko steigern. Vor allem die Städte seien betroffen.

Und dabei nicht nur die heißen Tage selbst, sondern auch die Zeit danach, wenn die Temperaturen wieder deutlich fallen. Dann, so Untersuchungen der Mediziner an der Uniklinik Jena, gibt es regelrechtes Schlaganfallwetter. Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes und erhöhten Blutfettwerten sind besonders betroffen. "Extreme Ausreißer der optimalen Temperatur nach beiden Seiten können für unsere Patient:innen in der Kardiologie gefährlich werden", bekräftigt auch Prof. Ulrich Laufs, Direktor der Kardiologie am UKL. Sind solche Vorerkrankungen bekannt, lässt sich die Gefahr für betroffene Patienten aber voraussagen, so Dr. Rakers.

Gesundheitssystem muss sich an Klimawandel anpassen

Vorsorgen, vorbereiten, das sind angesichts der Klimakrise die großen Herausforderungen für die Medizin. "Viele im Gesundheitswesen Tätige fordern daher dazu auf, jetzt mit der Vorsorge zu beginnen und Vorbereitungen auf die Herausforderungen durch die Klimafolgen zu treffen", beschreibt Prof. Christoph Josten, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum Leipzig. "Die Krankenhäuser und Praxen dürfen nicht alleingelassen werden bei der Bewältigung". Hitzeaktionspläne wie etwa in Leipzig sind dafür ein erster Ansatz. Aber noch gibt es zu wenige davon.

gp

Modell einer Erde dampft und ist mit Pflastern beklebt 45 min
Bildrechte: MDR Wissen
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