Grabungsgebiet des Nektanebos-Tempels von Heliopolis
Das Grabungsgebiet des Nektanebos-Tempels von Heliopolis. Bildrechte: Simon Connor

Altägyptische Sonnenstadt Leipziger Forscher graben neuen Heliopolis-Tempel aus

16. November 2021, 17:06 Uhr

In den Ruinen der altägyptischen Tempelstadt Heliopolis im heutigen Kairo haben Leipziger Ägyptologen die Reste eines Sonnentempels aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. entdeckt. Sie fanden beeindruckende, mit Reliefs und Inschriften versehene Basaltblöcke der Anlage. Auch Statuen-Fragmente und andere Zeugnisse aus der 2.400 Jahre währenden Geschichte der Sonnenstadt am Nil wurden zu Tage gefördert.

Seit beinahe zehn Jahren gräbt sich ein ägyptisch-deutsches Archäologenteam im Nordosten von Ägyptens Hauptstadt Kairo durch die mehrtausendjährige Geschichte der alten Tempelstadt Heliopolis. Nun hat das Grabungsteam unter Beteiligung von Leipziger Ägyptologen um den Kustos des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig, Dr. Dietrich Raue, erneut spektakuläre Entdeckungen auf dem Gebiet der altägyptischen Sonnenstadt gemacht.

Reliefs und Inschriften auf Basaltblöcken

Statuen Heliopolis 4 min
Bildrechte: MDR Wissen

Wie die Universität Leipzig mitteilte, gehören zu den zahlreichen entdeckten Objekten aus den unterschiedlichen Jahrtausenden der Geschichte von Heliopolis auch Reliefs und Inschriften auf Basaltblöcken eines Tempels aus dem 4. Jahrhundert vor Christus. Pharao Nektanebos I. (Regierungszeit: 380 - 363 v. Chr.) hatte ihn im zentralen Sektor des Tempelbezirks für den im Zentrum des Heliopolis-Kultes stehenden altägyptischen Sonnen- und Schöpfergott bauen lassen.

Tempelgründung im Frühsommer 366 v. Chr.

Peterti-Region im südlichen Ostdelta aus der Zeit von Nektanebos I.
Basaltblock mit dem Aufzug der Peterti-Region im südlichen Ostdelta des Nils aus der Zeit von König Nektanebos I. Bildrechte: Dr. Dietrich Raue

Die aus der Nord- und Westfassade der Tempelanlage stammenden Basaltblöcke zeigen den Angaben zufolge den Aufzug, also die symbolische Darstellung, der früheren Regionen Unterägyptens. Wie Grabungsleiter Raue sagt, geben die Inschriften der Blöcke Aufschluss über das Datum der Tempelgründung im Frühsommer 366 vor Christus. Auch die Dimensionen des Tempels und die bei seinem Bau verwendeten Materialien konnten anhand der Blöcke ermittelt werden.

Bauarbeiten enden abrupt

Doch nicht nur über die Bauarbeiten des Nektanebos-Tempels, sondern auch über ihr ungewöhnlich schnelles Ende legen die Fundstücke Zeugnis ab. "Eine Reihe von unvollendeten Blöcken lässt darauf schließen, dass die Arbeiten abrupt mit dem Tod des Königs eingestellt und nicht mehr aufgegriffen wurden", erläutert Raue. Damit handle es sich bei dem Nektanebos-Tempel um einen, "wenn nicht den letzten großen Neubau nach gut 2.400 Jahren kontinuierlicher Zuwendung durch die Könige Ägyptens am Ort der Weltschöpfung".

Heliopolis als Ort der Schöpfung Nach altägyptischen Vorstellungen war in Heliopolis (altägyptisch: Iunu) die Welt entstanden. Neben dem altägyptischen Sonnengott Re (altägyptisch: Sonne) wurden in der fast zweieinhalbtausendjährigen Geschichte der Sonnenstadt auch der Ur- und Schöpfergott Atum - der Vorgänger von Re als altägyptischer Hauptgott - sowie die Himmelsgötter Hathor und Horus verehrt.

Fundstücke aus Zeit Ramses des Großen

Entsprechend vielfältig sind die archäologischen Epochen, denen die Heliopolis-Fundstücke zuzuordnen sind. So legte das ägyptisch-deutsche Archäologenteam bei seiner mittlerweile 18. Forschungskampagne in der alten Sonnenstadt unter dem heutigen Kairoer Stadtbezirk Matariya auch Architekturelemente aus der Zeit der Pharaonen Ramses II., des Großen (1279 - 1213 v. Chr.) sowie seines Sohnes Merenptah (1213 - 1201 v. Chr.) frei.

Einstige Pracht der Tempelanlagen

Reliefeinlage eines königlichen Gesichts, Jaspis, um 1300 v. Chr.
Reliefeinlage eines königlichen Gesichts, Jaspis, um 1300 v. Chr. Bildrechte: Simon Connor

Welche Pracht die Tempelanlagen von Heliopolis einst verkörperten, wird auch durch den Fund einer aus Jaspis-Quarz gefertigten Reliefeinlage eines königlichen Gesichts aus der Zeit um 1300 vor Christus deutlich.

Als ein "Meisterwerk altägyptischer Rosengranit-Skulptur" bezeichnet der Leipziger Grabungsleiter Raue zudem das Oberteil einer lebensgroßen Statue von Pharao Sethos II. (1204 - 1198 v. Chr.), eines Enkels von Ramses II.

Funde im Umfeld des Obelisken

Oberteil einer lebensgroßen Statue von Sethos II.
Oberteil der Statue von Pharao Sethos II. (1204 - 1198 v. Chr.). Bildrechte: Simon Connor

In der Nähe des einzigen heute noch aufrechtstehenden Obelisken von Heliopolis, der vor etwa 4.000 Jahren an dieser Stelle errichtet worden war, entdeckten die Archäologen zudem mehrere Bauteile und Statuen-Fragmente sowie große Opfertafelaltäre aus Quarzit und Alabaster, die einst zur Tempelausstattung gehörten.

Auch Fragmente einer Quarzit-Statue von Ramses II., ein Obelisken-Fragment aus der Zeit von Osorkon I. (925–890 v. Chr.) sowie das Fragment eines Heiligtums für die Gottheiten Schu und Tefnut aus der Zeit von Psammetich II. (595 -589 v. Chr.) wurden in dem Areal entdeckt.

Kontinuierliches Engagement für Sonnengott

Reliefvorlage eines Reitersoldaten der hellenistischen Zeit
Reliefvorlage eines Reitersoldaten der hellenistischen Zeit (332 - 30 v. Chr.). Bildrechte: Simon Connor

"Auch in diesem Bereich kann somit das kontinuierliche Engagement der Pharaonen Ägyptens für den Sonnen- und Schöpfergott nachgewiesen werden", resümiert Dr. Aiman Ashmawy vom ägyptischen Ministerium für Tourismus, der die Grabungen in Heliopolis gemeinsam mit Dietrich Raue leitet. Rätsel gebe aber noch immer die Aufgabe dieses gewaltigen Tempelbezirks mehrere Jahrhunderte vor der Christianisierung des Landes auf, räumt Ashmawy allerdings ein.

Funde von Werkstätten

Doch auch für diese Phase lichtet sich zunehmend das Dunkel, wie einige der neusten Funde aus Heliopolis zeigen. So konnten aus der Nutzungsphase des Areals im 4. bis 2. Jahrhundert vor Christus immerhin Funde von Werkstätten, die Reliefvorlagen, Amulette und Uschebti-Totenfiguren produzierten, gemacht werden. Doch es gibt sicher auch in Zukunft noch viel zu entdecken – in Heliopolis, der altägyptischen Stadt des Sonnen- und Schöpfergottes.

(dn)

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