Langzeitstudie Geldnot verursacht körperliche Schmerzen – noch Jahrzehnte später
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30. April 2021, 16:40 Uhr
Geldnot sorgt nicht nur dafür, dass wir uns schlecht fühlen, sie kann noch Jahrzehnte später sogar körperliche Schmerzen verursachen. Das fanden Wissenschaftler der Universität Georgia heraus. Aber warum ist das so? Auch darauf haben die Forscher eine Antwort.
Ende der 1980er-Jahre gerieten die Farmer in den USA aus politischen und wirtschaftlichen Gründen in eine schwere Krise und viele Menschen, die von der Landwirtschaft lebten, in finanzielle Notlagen. Damals sammelten Wissenschaftler Daten von 500 betroffenen Familien und begleiteten Sie über 27 Jahre im Rahmen einer Längsschnittstudie, des Iowa Youth and Family Projects. Zum Ende des Beobachtungszeitraums, also fast drei Jahrzehnte später, klagten viele der Teilnehmer über körperliche Schmerzen. Nach der Auswertung aller vorliegenden Daten führen die Forschenden das auf die Geldsorgen damals zurück. Doch wie erklären sie das?
Körperliche Schmerzen können drei Ursachen haben: biologische, psychische und soziale.
Als Professor am College für Familien- und Verbraucherwissenschaften der Universität Georgia untersuchen Prof. Wickrama und seine Kollegen besonders die psychischen und sozialen Aspekte wie finanzielle Sorgen. Familien mit Geldnot stehen unter Stress und leiden unter dem Gefühl, keine Kontrolle mehr über ihre wirtschaftliche Situation zu haben, so der Soziologe. Kontrolle ist jedoch eine wichtige psychologische Ressource, um solchen Krisen zu begegnen. Steht sie nicht zur Verfügung, werden stressempfindliche Hirnregionen aktiviert und damit Prozesse ausgelöst, die Jahrzehnte später zu körperlichen Schmerzen führen können. Entscheidend ist dabei auch das Lebensalter. Die Teilnehmer der IOWA-Studie waren damals im Durchschnitt Mitte dreißig. Heute sind sie etwa 65 Jahre alt, in einem Alter also, in dem gesundheitliche Probleme zunehmen.
Bei älteren Erwachsenen treten Schmerzen zusammen mit anderen Gesundheitsproblemen wie eingeschränkter körperlicher Funktionsfähigkeit, Einsamkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf.
Diese Schmerzen neurologisch zu untersuchen, reiche nicht aus, so die Psychologin Catherine Walker O´Neil. Es sei wichtig, auch die Wirkung der Lebensbedingungen und des Stresslevels zu betrachten. Daher berücksichtigte das Forscherteam bei der Auswertung der Daten neben diagnostizierten körperlichen Erkrankungen auch das Familieneinkommen zu verschiedenen Zeitpunkten und das jeweilige Lebensalter. Das Fazit ihrer Studie: Die Schmerzen,
über die die Studienteilnehmer heute klagen, haben ihre Ursache in der finanziellen Notlage der Familien Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre. Prof. Wickrama sieht darin auch einen Teufelskreis, ein Problem für das öffentliche Gesundheitssystem:
Fast zwei Drittel der Erwachsenen in den USA klagen über irgendeine Art von körperlichen Schmerzen. Dieser Prozentsatz steigt und die Gesundheitskosten dafür steigen.
Bereits 2016 deuteten die Ergebnisse einer Studie darauf hin, dass Menschen in finanzieller Not häufiger unter Schmerzen leiden. Eileen Chou und Bidhan Parmar von der University of Virginia hatten dafür zusammen mit ihrem Kollegen Adam Galinsky von der Columbia University die Daten von mehr als 33.000 Menschen ausgewertet. Das Ergebnis: Waren in den befragten Haushalten beide Partner arbeitslos, gaben sie rund 20 Prozent mehr Geld für rezeptfreie Schmerzmittel aus, als in Haushalten, in denen nur einer ohne Erwerbsarbeit war. Auch hier erklärten die Forscher das Phänomen damit, dass der Kontrollverlust über die Einkommenssituation zu einer höheren Schmerzempfindlichkeit führt.
krm
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