Aerosolforschung Magdeburger Forschung: Was macht mich zum Corona-Superspreader?

23. Mai 2021, 08:52 Uhr

Ein Forschungsprojekt der Universität Magdeburg will herausfinden, was Corona-Infizierte zum Superspreader macht – oder eben auch nicht: Liegt es an der Form der Atemwege? Hier will das Forschungsteam ansetzen.

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Ein Forschungsprojekt der Universität Magdeburg will herausfinden, was Corona-Infizierte zum Superspreader macht oder eben auch nicht: Liegt es an der Form der Atemwege? Hier will das Forschungsteam ansetzen.

MDR KULTUR - Das Radio Do 20.05.2021 10:06Uhr 04:45 min

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Sommer 2020, mitten in der Corona-Pandemie besuchen in der Quarterback Immobilien-Arena in Leipzig knapp 2.000 Menschen ein Konzert des Sängers Tim Bendzko. Alle sind negativ auf eine Sars-CoV2-Infektion getestet. Es handelt sich hier um ein Experiment der Universität Halle-Wittenberg, über das MDR WISSEN auch berichtete.

Die Forscher wollen Ansteckungs-Verläufe in Innenräumen nachzeichnen und so herausfinden, ob und wie auch während der Pandemie Großveranstaltungen in geschlossenen Hallen möglich sind.

Die Ergebnisse machten Mut, wie Studienleiter Stefan Moritz jetzt im Gespräch mit MDR WISSEN erzählt:

Das Wesentliche ist, dass die Veranstaltungsstätte eine ordentliche Lüftung braucht. Sie muss die Aerosole erst nach oben und dann aus der Halle heraus transportieren. Das ist die Grundlage, ohne das muss man gar nicht drüber reden.

Dr. Stefan Moritz, Uniklinik Halle

Halten die Gäste Abstand und tragen Masken, seien Infektionen auf solchen Veranstaltungen unwahrscheinlich, sagte er im Herbst 2020. Die Forscher aus Halle erarbeiten gerade mit Kommunen und Veranstaltern maßgeschneiderte Konzepte.

Aerosolforschung in Magdeburg: Warum sind manche Leute Superspreader?

Auch ein Magdeburger Forscherteam befasst sich in einem neuen Projekt mit Aerosolen. Sie wollen sie allerdings gar nicht erst aus dem Körper heraus lassen. Dafür müssen sie die Frage beantworten, wieso es Superspreader gibt, also Menschen, die besonders viele Sars-Cov-2-Viren ausatmen. Auf dieses Phänomen stießen chinesische Forscher erstmals Ende 2020, erklärt die Biologin und Forscherin der Uni Magdeburg, Heike Walles.

Die haben am Anfang die Beobachtung gemacht, dass wenn Leute in einem Kaufhaus sind, es unterschiedlich starke Belastungen gibt. So ist man darauf gekommen, dass nicht jeder Mensch gleich viele Aerosole von sich gibt.

Prof. Dr. Heike Walles, Institut für Chemie, OvGU

Damit war der Superspreader geboren. Die Ursachen liegen allerdings noch im Dunkeln. Es gibt Leute, die vermuten, dass das mit der Form der unterschiedlichen Atemwege zusammenhängt, die sehr dick sind oder sehr dünn, aber man weiß es nicht.

Eines ist bekannt: Superspreader sind meist infizierte Menschen mit hoher Viruslast.

Prof. Dr. Heike Walles

Aber nicht jeder Infizierte ist gleichzeitig ein Superspreader, sagt der Physiker Claus-Dieter Ohl, der ebenfalls an der Magdeburger Studie beteiligt ist.

Man schnäuzt sich, man niest, man hustet und dann können aus dem Schleim in den oberen Atemwegen große Tropfen entstehen. Ein großer Tropfen ist aber nicht gefährlich. Mit einer einfachen Maske kann man den abhalten. Was gefährlich ist, sind die kleinen Tröpfchen, die groß genug sind, einen Virus zu verpacken, aber zu klein, um mit der normalen Luft transportiert zu werden. Wie entstehen diese kleinen Tröpfchen? Das haben wir nicht verstanden.

Prof. Dr. Claus-Dieter Ohl, Institut für Physik. OvGU

Wie Tröpfchenentstehung erforscht werden soll

Die Magdeburger wollen es herausfinden und haben folgenden Plan: Biomedizinerin Heike Walles wird eine künstliche Lunge wachsen lassen, ein Zellhäufchen, so groß wie ein Würfel. Zudem will sie die Luftröhre und die oberen Atemwege im Zellversuch nachbauen. Im Zentrum steht ein Flüssigkeitsfilm, der sich auf den Organen unseres Atemsystems bildet. Aus diesem Film lösen sich die Aerosole heraus und tragen die Viren nach außen, so die Vorstellung der Forscherinnen und Forscher. Diesen dünnen Schleimfilm sollen die Zellen selbst produzieren, so, wie es auch im menschlichen Körper geschieht.

Wir wollen sehen, wie so ein Partikel in den Film eingepackt wird, wenn der Film reist. Wir haben eine der schnellsten Kameras in Deutschland in unserer Arbeitsgruppe. Mit der können wir uns mikroskopisch solche kleinen Tröpfchenbewegungen anschauen.

Claus-Dieter Ohl

Die gewonnenen Daten werden dann in Rechenmodelle gesteckt, um in unzähligen Wiederholungen zu erkennen, welche Bedingungen zusammen kommen müssen, damit viele Aerosole entstehen. Damit wäre das Geheimnis der Superspreader gelöst.

Was macht man mit den Erkenntnissen?

Mit den Ergebnissen könnte man beispielsweise ein Spray entwickeln, dass die Oberflächenspannung in den Atemwegen so verändert, dass virentragende Aerosole erst gar nicht entstehen, oder wenn sie entstehen, die Atemwege nicht verlassen.

Also wir hoffen, dass man damit Medikamente entwickeln könnte. Wichtig ist bei dieser Forschung, dass es nicht nur für Sars-Cov-2 funktioniert, sondern allgemein für jede aerosoltransmittierte Virusinfektion.

Claus-Dieter Ohl

900.000 Euro steuert die Deutsche Forschungsgemeinschaft bei, um das Superspreader-Rätsel zu knacken. In drei Jahren ist das Projekt beendet.

Dieses Thema im Programm: 23. Mai 2021 | 07:17 Uhr

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