Fotomontage zeigt durch Linien miteinander verbundene Köpfe von Menschen und eine Weltkugel mit Mund-Nasen-Schutz
In einer Studie wurde eine "signifikante Korrelation zwischen einem höheren Maß an Pandemiebereitschaft in einem Land und einer geringeren Übersterblichkeit durch Covid-19" festgestellt. Bildrechte: imago images / imagebroker

Covid-19 Übersterblichkeit hängt stark mit Pandemievorbereitungen eines Landes zusammen

08. Juli 2023, 06:53 Uhr

Länder, die viel in die Pandemievorbereitung investiert haben, hatten später im Vergleich weniger Tote. Das zeigt eine Studie, die Übersterblichkeit und demografische Altersverteilung berücksichtigt.

Es klingt ja fast schon banal: Wer sich besser auf eine Pandemie vorbereitet, kommt auch besser durch sie hindurch. Aber so banal waren Untersuchungsergebnisse zur Sterblichkeit bei Covid-19 bislang nicht. Die Autoren der neuen Studie betonen, dass die Nichtberücksichtigung der Altersstruktur und der Meldekapazitäten eines Landes bislang oft zu der irrigen Schlussfolgerung geführt hat, dass starke Pandemievorbereitungen wenig Einfluss auf die Corona-Ergebnisse hatten.

Um solche Probleme zu umgehen, hat die Forschungsgruppe keine offiziell gemeldeten Covid-Todeszahlen ausgewertet, denn die können von Land zu Land unterschiedlich gewissenhaft bereitgestellt werden. Stattdessen ging es um die Übersterblichkeit im Pandemiezeitraum, also wie viele Menschen mehr gestorben sind, als es im jeweiligen Land normalerweise der Fall ist.

Deutschland auf Rang 8 im Global Health Security-Index

Um auch das Vorbereitetsein auf eine Pandemie in Zahlen ausdrücken zu können, hat die Forschungsgruppe den Global Health Security-Index zu Rate gezogen, der schon seit 2019, also vor Corona, den Vorbereitungsstand von 195 Ländern auf Epidemien und Pandemien angibt. Für das Jahr 2021 wurden die Werte des GHS-Index später aktualisiert. So lag Deutschland 2019 zum Beispiel noch auf Rang 14, aber zwei Jahre später schon auf Rang 8.

Berechnet wird der GHS-Index aus insgesamt 140 Werten in sechs größeren Kategorien. Diese Kategorien lauten:

  • 1.) Prävention: Prävention des Aufkommens und der Ausbreitung von Krankheitserregern.
  • 2.) Erkennung und Bekanntmachen: Das frühe Erkennen und Bekanntmachen von Epidemien, die möglicherweise von internationaler Bedeutung sind.
  • 3.) Reaktion: Die rasche Reaktion und die Verlangsamung der Ausbreitung der Epidemie.
  • 4.) Gesundheitssystem: ausreichender und robuster Gesundheitssektor zur Behandlung der Kranken und zum Schutz des Gesundheitspersonals
  • 5.) Einhaltung internationaler Normen: Darüber hinaus Verpflichtungen zur Verbesserung der nationalen Kapazitäten und der Finanzierung
  • 6.) Risiko-Umfeld: Allgemeines Risikoumfeld des Landes und seine Anfälligkeit für biologische Bedrohungen

Insgesamt sind in jeder Kategorie und dann auch beim GHS-Index 100 Punkte möglich. Wie die einzelnen Länder dabei abschneiden, können Sie sich in folgender Karte ansehen. Oben können Sie durch die Kategorien schalten.

Klare Belege, dass sich Vorbereitetsein lohnt, aber Ausnahme USA

"Unsere Analyse bestätigt, was man erwarten würde: Wenn wir uns auf Pandemien vor ihrem Auftreten vorbereiten, können wir bei einem globalen Gesundheitsnotfall mehr Leben retten", sagt Jennifer Nuzzo, Direktorin des Pandemic Center an der Brown University School of Public Health und Hauptautorin der Studie. "Länder, die vor einer Pandemie erhebliche Maßnahmen ergriffen haben, um in Kapazitäten zur Prävention, Erkennung und Reaktion auf diese Art von Ereignissen zu investieren, waren beim Schutz der Gesundheit ihrer Bevölkerung wesentlich effektiver und hatten insgesamt bessere Ergebnisse."

Obwohl die meisten gut vorbereiteten Länder ihre Kapazitäten offenbar gut genutzt haben, stellen die USA einen deutlichen Ausreißer dar. Obwohl sie beim GHS-Index an der Spitze liegen, hatten 62 Länder eine niedrigere Übersterblichkeit als die Vereinigten Staaten, was laut Studie zeigt, dass es nicht ausschließlich darauf ankommt, Ressourcen zu haben, sondern auch, wie man sie einsetzt.

Die Studie hebt einen Faktor hervor, der das Abschneiden der Vereinigten Staaten erklären könnte. Sie traten in die Pandemie mit relativ schlechten Werten in dem Bereich ein, der im GHS-Index als "Risikoumfeld" bezeichnet wird und die Fähigkeit eines Landes zur Entwicklung und Umsetzung politischer Maßnahmen umfasst, die sich auf seine Fähigkeit auswirken können, eine rechtzeitige und wirksame Reaktion einzuleiten.

Unabhängig davon ergab die Studie, dass die Spitzenreiter in der Risikokategorie des GHS-Index - darunter Island, Australien und Neuseeland - auch einige der niedrigsten Übersterblichkeitsraten während der Pandemie aufwiesen. "Diese Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass mangelnde Bereitschaft während der Covid-19-Pandemie auf tragische Weise zu größeren Verlusten an Menschenleben geführt hat, und diese Schwachstellen werden die Bevölkerung auch weiterhin gefährden, wenn in Zukunft unweigerlich neue Bedrohungen durch Infektionskrankheiten auftauchen", sagt Oyewale Tomori, Virologe und ehemaliger Präsident der Nigerianischen Akademie der Wissenschaften.

Was geschah bei der Omikron-Welle wirklich in China?

Nicht explizit geht die Studie auf das Geschehen in China ein. Bis heute gibt es da große Fragezeichen in der Wissenschaft, was nach dem plötzlichen Stopp der Null-Covid-Strategie und der rasanten Ausbreitung des Virus wirklich geschah. Gab es weniger als Hunderttausend Tote, wie es von den Behörden des Riesenreichs verlautbart wurde? Oder doch bis zu anderthalb Millionen, wie es manche (ausländische) Rechenmodelle und Simulationen herausbekamen?

Mit dieser Frage beschäftigte sich nun eine weitere Studie. Allerdings kommt auch sie zu keinem klaren Ergebnis. "Jede Diskussion über Covid-19 in China, auch die unsere, ist zu einem großen Teil unvermeidlich spekulativ", heißt es darin. Es fehle einfach an glaubwürdigen Daten. Dabei wäre es aus wissenschaftlicher Sicht sehr interessant zu erfahren, ob der chinesische Weg der Öffnung von heute auf morgen gut oder schlecht war. Denn immer noch ist die Frage, die man sich schon im Frühling 2020 stellte, nicht restlos geklärt und könnte bei einer neuen Pandemie wieder gestellt werden: Was ist letztendlich besser: die Kurve der Infektionszahlen abzuflachen oder eine Pandemiewelle so schnell wie möglich vorbeiziehen zu lassen, selbst bei enorm hohen Infektionsspitzen?

Links / Studien

(rr)

Weitere Informationen zum Thema