Intelligenztests Haben die Schulschließungen während Corona die Schüler dümmer gemacht?
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09. März 2023, 06:00 Uhr
Forschende haben im Sommer 2020 bei über 400 Schülern den IQ getestet. Die Ergebnisse waren schlechter als bei einer vergleichbaren Kohorte 2002. Später wurden die Ergebnisse zwar besser, der Rückstand blieb aber.
Die Schulschließungen im Frühjahr 2020 nach Ausbruch der Corona-Pandemie haben bei einer ganzen Generation von Schülern eine Bildungslücke gerissen. Diese konnte danach, soweit bisher gemessen wurde, noch nicht geschlossen werden. Eine neue Studie der Universitäten Trier und Chemnitz hat nun die Auswirkungen auf Ergebnisse von Intelligenz-Tests gemessen und festgestellt, dass die untersuchten Schülerinnen und Schüler im August 2020 im Schnitt etwa sieben IQ-Punkte weniger erzielten als eine vergleichbare Schülerkohorte 2002.
Abstand bei den IQ-Werten bleibt auch 2021 stabil
Moritz Breit und Kollegen untersuchten insgesamt 424 Schülerinnen und Schüler aus vier Schulen in Rheinland-Pfalz, die im August 2020 die Klassen sieben bis neun besucht haben. Dafür verwendeten die Forscherinnen und Forscher den Berliner Intelligenzstrukturtest für Jugendliche, der unter anderem Bearbeitungsgeschwindigkeit, Gedächtnisleistungen, Verarbeitungsleistung, Kreativität sowie das Verständnis von Zahlen, verbalen Ausdrücken und figürlichen Darstellungen misst.
Die Ergebnisse verglichen die Forschenden mit denjenigen von 104 Kindern, die in Bezug auf ihr Alter, Geschlecht und den besuchten Schul- und Klassentyp (darunter auch Hochbegabtenklassen) vergleichbar waren. Betrugen die durchschnittlichen Ergebnisse 2002 noch 112 Punkte, lagen sie 2020 nur noch bei 105. Bei einem wiederholten Test im Jahr 2021 verbesserten sich die Jugendlichen zwar im Schnitt um acht IQ-Punkte. Doch der Abstand zu den früheren Kohorten blieb. Haben die Lockdowns von 2020 die Jugendlichen also – plakativ gesprochen – nachhaltig dümmer gemacht?
Auch digitale Medien könnten IQ-Werte negativ beeinflusst haben
Ganz so direkt lassen sich die Ergebnisse nicht interpretieren, auch wenn ein Zusammenhang logisch erscheint, sagen Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren. "Die Ergebnisse stimmen mit dem überein, was man bereits weiß: Die Dauer des Schulbesuchs wirkt sich positiv auf die Intelligenz aus", sagt etwa Detlef Rost, Professor für Psychologie an der Universität von Chongqing in China, über die Ergebnisse der Studie von Moritz Breit und Kollegen, die jetzt im Magazin Plos One erschienen ist. Grob gesagt lasse sich mit jedem weiteren Jahr, das ein Kind die Schule besucht, eine Steigerung des IQ um fünf Punkte beobachten, so Rost.
Allerdings: Ob einzig die Pandemie am Rückgang der Ergebnisse Schuld sei, oder ob vielleicht auch längere Bildschirmzeiten, also eine intensivere Nutzung von Handys, Tablets und Computern, mit hineinspiele, lasse sich auf Basis der veröffentlichten Daten kaum einschätzen, sagt Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. Eva Stumpf, Direktorin des Instituts für Pädagogische Psychologie an der Universität Rostock, weist deshalb auch darauf hin, dass Rückgänge bei den Ergebnissen von IQ-Tests seit 1994 immer wieder beobachtet wurden, nicht erst seit der Pandemie.
Ersatzangebote wie Sommerschulen wurden nicht umgesetzt
Sie kritisiert unter anderem, dass wichtige demographische Merkmale nicht erfasst wurden. "Nicht auszuschließen ist, dass die Unterschiede in den Intelligenzmittelwerten der verschiedenen Kohorten teilweise auch auf Unterschiede in den Stichproben zurückzuführen sind", so die Forscherin. "Wichtige Einflussvariablen – wie der sozioökonomische Status der Familien sowie der Migrationsstatus, beziehungsweise die Muttersprache Deutsch – konnten in der Studie überwiegend nicht erfasst und damit nicht kontrolliert werden."
Die Stichprobe der Schülerinnen und Schüler in der Studie sei nicht repräsentativ, in diesem Punkt sind sich Stumpf und andere unabhängige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig. Trotzdem liefere die Studie einen weiteren Beleg für die negativen Effekte der Schulschließungen und dafür, dass digitaler Fernunterricht kein angemessener Ersatz war. Insofern bedauern Forschende wie Klaus Zierer, dass Konzepte wie Sommerschulen nicht umgesetzt wurden.
"In der Summe liest sich die Studie als ein weiterer Weckruf, Bildung als gesamtgesellschaftliches Thema nicht nur in Sonntagsreden in den Blick zu nehmen, sondern mit evidenzbasierten Konzepten endlich anzugehen."
(ens/smc)
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